Wir sind den Elektro-SUV Probe gefahren

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Ende dieses Jahres bricht bei BMW ein völlig neues Zeitalter an. Nicht mehr und nicht weniger versprach BMW-Chef Oliver Zipse im März bei der Vorlage der Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr 2024. Konkret meint er damit den Marktstart des ersten Automodells aus der Riege der „Neuen Klasse“, eine rein elektrische Fahrzeuggeneration, die vieles, wenn nicht alles anders macht als bisher. Der Name hat einen historischen Bezug. Anfang der 1960er-Jahre rettete die „Neue Klasse“ BMW, als der Autobauer in großen Schwierigkeiten war.

Das erste „Neue-Klasse-Fahrzeug“ gut 60 Jahre später ist ein SUV, das den iX3 ersetzen wird, und wir hatten die Gelegenheit, noch innen und außen getarnte Prototypen auf dem BMW-Testgelände in Miramas bei Marseille ausgiebig Probe zu fahren.

Zwei E-Motore kommen zum Einsatz

Und das, was es zu erfahren galt, war durchaus beeindruckend. In allen Belangen. Der neue iX3 löst den alten BMW-Slogan „Freude am Fahren“ aufs Beste ein. In den Prototypen kamen zwei Elektromotore zum Einsatz, je einer an jeder Achse. Mit exakten Daten geht BMW noch sehr sparsam um, aber es ist von mehr als 300 kW (408 PS) und mehr als 600 Newtonmeter maximalem Drehmoment die Rede. Das Beschleunigen von 0 auf 100 km/h soll in weniger als fünf Sekunden erledigt sein. Vielleicht das Wichtigste: Die Reichweite soll 700 bis 800 Kilometer nach WLTP betragen, bei einem sehr moderaten Verbrauch von nur 15 kWh auf 100 Kilometer. Das lässt darauf schließen, dass der größte Akku so um die 120 kWh bieten sollte.

Großes Kino ist das „Panoramic Vision“ genannte, neue „Armaturenbrett“.
Großes Kino ist das „Panoramic Vision“ genannte, neue „Armaturenbrett“.Hersteller

Der neue Akku ist eines der Kernelemente der Neuen Klasse, es handelt sich um eine völlig neue Hochvoltbatterie mit 800-Volt-Architektur. BMW hat dafür zylindrische Batteriezellen entwickelt, die eine bis zu 20 Prozent höhere Energiedichte bieten. An einer Gleichstromladestation sollen mit bis zu 400 kW in zehn Minuten rund 350 Kilometer Reichweite nachgeladen werden können. Auch davon konnten wir uns in Miramas überzeugen.

Man darf aber davon ausgehen, dass es den neuen iX3 nicht nur mit Allradantrieb, sondern auch nur mit Heckantrieb geben wird, was die Preise drückt und die Reichweite erhöht. Dass eine zweite, kleinere Batterie zur Wahl stehen wird, ist wohl beschlossene Sache. Mehr Details wird BMW spätestens auf der IAA in München verraten, wenn er iX3 seine Weltpremiere feiert.

Seriennaher Proband

In Miramas standen nur Allradfahrzeuge zur Verfügung. Unser seriennaher Proband zeigte beispielsweise bei einem Ladestand von 95 Prozent eine Reichweite von knapp 700 Kilometer an. Auf einer gut anderthalbstündigem Tour auf öffentlichen Straßen notierten wir einen beachtlich niedrigen Verbrauch von 16,6 kWh auf 100 Kilometer.

Großes Kino ist das „Panoramic Vision“ genannte, neue „Armaturenbrett“. Ein solches direkt hinter dem Lenkrad gibt es nämlich nicht mehr, alle relevanten Informationen werden ganz unten über die gesamte Breite der Frontscheibe eingespiegelt. Das ist sehr funktional und macht ein Head-up-Display überflüssig, da man den Blick kaum von der Straße nehmen muss, um zu sehen wie schnell man fährt. Natürlich kann die Anzeige individuell verstellt werden.

Wohl mehr als 300 kW (408 PS) und mehr als 600 Newtonmeter maximalem Drehmoment
Wohl mehr als 300 kW (408 PS) und mehr als 600 Newtonmeter maximalem DrehmomentHersteller

Auf den ersten Blick glaubt man, das Gesehene spiele sich auf einem flachen, extrem breiten Bildschirm ab, aber dem ist nicht so. Die Unterkante der Windschutzscheibe ist die Projektionsfläche. Alle im Auto können die Anzeige sehen. Ein Head-up-Display, das nur der Fahrer sieht, wird es gegen Aufpreis geben. Zum Innenraum kann kaum mehr gesagt werden, da auch er getarnt war.

„Geschaltet“ wird mit einem kleinen Kippschalter. Ein Paddel am Lenkrad, mit der die Rekuperation beeinflusst werden kann, gibt es nicht. Sehr wohl sind aber verschiedene Stufen bis zum One-Pedal-Driving vorhanden, die über den Bordmonitor mit einer Diagonale von 17,9 Zoll angewählt werden können. Er sitzt mittig zum Fahrer hingewandt mit einem markantem Design und Mut zur Schräge. Die mechanischen Bremsen werden nur selten benötigt, in der Regel wird immer mittels der Rekuperation verzögert, wenn der Fuß auf der Bremse steht, also mit den E-Motoren.

Intern „Super-Brains“ genannt

Neben der Batterie sei vor allem die IT- und Software-Architektur der Neue Klasse eine Art Revolution. Es gibt eine neue Software-Organisation, die über vier zentrale Hochleistungsrechner, intern „Super-Brains“ genannt, die Funktionen bündelt. Je ein Rechner steuert Antriebsstrang, Fahrerassistenz, Infotainment und weitere Fahrzeugfunktionen. Diese Domain-Architektur erhöht die Rechenleistung der Fahrzeuge um den Faktor 20 gegenüber heutigen Systemen. So ist genug Leistung für fortgeschrittene Assistenzsysteme (ADAS), vernetztes Fahren und künftige KI-Funktionen vorhanden. Nahezu die gesamte Software habe BMW selbst entwickelt, hieß es.

Was das autonome Fahren angeht, ist der iX3 (noch) auf den Stand Level 2++, man kann also die Hände vom Lenkrad nehmen, muss aber aufmerksam bleiben, sonst schalten die Systeme ab. Das automatische Parken soll mit einem neuen Knopf am Lenkrad vereinfacht werden. Mit ihm kann das Prozedere gestartet werden, wenn die Systeme eine Parklücke erkannt haben. Das funktioniert gut.

Vom Format her wird das SUV so sein wie der bisherige iX3, der 4,73 Meter lang ist. Auch hier hält sich BMW mit Daten noch bedeckt. Der Neue sollte etwas größer sein. Die Tarnung versteckt viel von der neuen Designsprache, die BMW pflegen will, aber ganz so revolutionär wie die Limousine der Neuen Klasse, die im Laufe des Jahres 2026 auf den Markt kommt, ist das SUV nicht.

Gebaut wird der iX3 in einem neuen Werk in Debrecen in Ungarn, die E-Motoren werden in Steyr produziert, die Zellen der Batterie werden in Deutschland und Ungarn hergestellt, die Technologie ist freilich aus China. CATL und Eve sind die Lieferanten.

BMW hat zweieinhalb spannende Jahre vor sich. Inklusive Facelifts sind bis Ende 2027 mehr als ein Dutzend neue Modelle angekündigt. Man darf gespannt sein.