Wie sich Schönheit in den Sprachen spiegelt

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Die meisten Menschen assoziieren mit dem Begriff Schönheit sofort etwas Positives. So wird gutes Aussehen schnell mit Eigenschaften wie kompetent oder erfolgreich in Verbindung gebracht. Eine in den „Scientific Reports“ erschienene Studie zeigt, dass das in vielen Sprachen weltweit offenkundig ähnlich positiv – aber durchaus unterschiedlich stark – verankert ist. Doch nicht in allen Kulturen ist Schönheit gleich konnotiert.

Für ihre Untersuchung haben die Ökonomen Wladislaw Mill von der Universität Mannheim und Benjamin Kohler von der ETH Zürich Sprachmuster in 68 Sprachen analysiert, darunter europäische, asiatische und afrikanische. Dazu nutzten sie Sprachmodelle, die mit großen Textmengen trainiert wurden und in der Lage waren, Zusammenhänge zwischen Begriffen zu erkennen. Auf diese Weise haben die Forscher herausgefunden, wie eng Wörter wie „schön“ oder „hübsch“ mit Begriffen wie „erfolgreich“, „klug“ oder „vertrauenswürdig“ in der jeweiligen Sprache verknüpft sind. „Unsere Methode erlaubt es erstmals, kulturelle Muster in der Wahrnehmung von Schönheit automatisiert und vergleichend zu erfassen“, sagt Studienleiter Mill.

Unterschiedliche Assoziationen mit dem Wort Schönheit

Während ähnliche Erhebungen sich früher fast ausschließlich auf westliche Industriegesellschaften konzentrierten, erfasst die neue Studie dieses Phänomen erstmals weltweit. Die wichtigste Erkenntnis: Der Begriff Schönheit wird in 63 der untersuchten 68 Sprachen, also fast überall, mit etwas Positivem verbunden. Die Forscher bezeichnen das als „Schönheitsprämie“. Im Englischen, Französischen, Italienischen oder im Finnischen beispielsweise zeigte sich in den Sprachmodellen eine enge Verbindung zwischen positiven Begriffen wie Schönheit, Erfolg, Intelligenz oder Stärke. Auch in der somalischen Sprache oder bei Hindi fanden die Forscher ähnliche Muster. Doch die Stärke dieser Verbindung ist verschieden. So ist dieser Zusammenhang zum Beispiel im Französischen und in Hindi deutlich stärker als im Englischen.

Um die Schönheitsprämie verschiedener Länder vergleichen und quantifizieren zu können, entwickelten Mill und Kohler einen standardisierten Index. So war die Neigung, Schönheit positiv zu bewerten, in Sprachen wie Finnisch und Japanisch bis zu viermal so stark ausgeprägt wie im Englischen. Anders sieht es bei Vietnamesisch oder Rumänisch aus: In diesen Ländern tauchen im Sprachgebrauch auch negative Assoziationen mit dem Begriff Schönheit auf. Dort verbinden viele Menschen häufig Wörter, die Attraktivität beschreiben, nicht mit Kompetenz, sondern eher mit Misstrauen oder Misserfolg.

Warum es diese Unterschiede gibt, ist unklar. Möglicherweise spielen andere Schönheitsideale eine Rolle, die sich auch in der Sprache niederschlagen. In manchen Ländern wird beispielsweise Schönheit stärker als in anderen mit Gesundheit und somit mit Fortpflanzungschancen assoziiert. Das zeigt sich den Autoren zufolge auch in der Sprache dadurch, dass Begriffe wie Gesundheit tendenziell häufiger in Zusammenhang mit Schönheit genannt werden.

Neben der Schönheitsprämie stellten die beiden Wissenschaftler fest, dass Worte, die Hässlichkeit beschreiben, in der englischen Sprache systematisch mit negativen Begriffen wie Misserfolg, Armut oder Misstrauen assoziiert werden. Diesen Effekt bezeichnen sie analog zur Schönheitsprämie als „Hässlichkeitsstrafe“. Ob und in welchem Ausmaß dieser Effekt auch in anderen Sprachen existiert, haben die Wissenschaftler nicht im Detail untersucht, es erscheint ihnen aber naheliegend.

Kultur formt den Blick auf Schönheit

Dass in viele Sprachen Wörter wie „schön“ oft zusammen mit anderen positiven Begriffe verwendet werden, ist kein Zufall. Die Verknüpfungen von Attributen wachsen mit den Erzählungen, Werten und Normen, die eine Gesellschaft von Generation zu Generation weitergibt. Wenn sich diese kulturellen Rahmenbedingungen verändern, zum Beispiel durch gesellschaftliche Debatten, neue Schönheitsideale oder durch politische Bewegungen, können sich auch die mit dem Begriff Schönheit verknüpften Vorstellungen wandeln. Wer erreichen will, dass Menschen nicht allein nach ihrem Aussehen beurteilt werden, muss also verstehen, welche Rolle Schönheit in einer bestimmten Kultur spielt, so ein Fazit der beiden Autoren.