Die jüngsten Proteste in Los Angeles begannen, nachdem Berichte über Razzien der Einwanderungsbehörde unter migrantischen Arbeitskräften bekannt wurden. Auch Dutzende Autowäscher wurden verhaftet – aus einer der ausbeuterischsten Branchen der Stadt. Das Projekt „Clean Carwash Worker Center“ setzt sich seit 17 Jahren für die Rechte dieser Arbeiter ein. Und unterstützt neuerdings auch deren Familien, wenn sie spurlos verschwunden sind.
Die Angst greift um sich – egal ob die Arbeiter einen gültigen Aufenthaltsstatus haben oder nicht. Da bist du bei der Arbeit, und dann kommt ein Van ohne Kennzeichnung, mit bewaffneten Beamten, die sich nicht ausweisen, und sie nehmen einfach Leute mit. Seit Freitag waren es in unserer Gemeinschaft mindestens 25. Das macht Angst. Die Autowäscher gehen morgens zur Arbeit, um für ihre Familie zu sorgen, und viele kommen nicht nach Hause. Da werden Familien zerrissen. Das ist schrecklich für die Gemeinschaft. Aber es bestärkt die Leute auch darin, etwas dagegen zu tun, deswegen gibt es immer mehr Videos von den Vorfällen.
Die Regierung hatte ursprünglich gesagt, man werde nur kriminelle Migranten ohne Papiere verhaften.
Wenn sie nur Kriminelle suchen, warum dann am Arbeitsplatz? Die meisten haben zehn, zwanzig, dreißig Jahre als Autowäscher gearbeitet, wir kennen sie. Sie haben keinen kriminellen Hintergrund, sie zahlen ihre Steuern, ihre Kinder sind gerade mit der Schule fertig. Das sind keine üblichen Verhaftungen, die da gerade stattfinden. Normalerweise hieß es: Den suche ich, und dann ging es weiter. Jetzt kommen sie, ohne sich auszuweisen. Den Arbeitern wird ein ordnungsgemäßes Verfahren verwehrt, sie werden gekidnappt.
Ich benutze dieses Wort, weil diese Beamten sich nicht ausweisen und die Familien oft überhaupt nicht wissen, wohin die Person gebracht worden ist. Die meisten Arbeiter in der Autowaschindustrie sind Männer, sie sind die Versorger der Familie. Wer die Branche nicht kennt, denkt oft, das sei ein Studentenjob. Doch in der Realität arbeiten die meisten Jahrzehnte als Autowäscher. Sie begreifen das als ihren Beruf.
Erklären Sie einem Deutschen, wie die Arbeit in einem „Car Wash“ in den Vereinigten Staaten üblicherweise aussieht.
Autowäscher ist ein harter Job. Sie waschen die Autos in der Regel mit der Hand, mit scharfen Chemikalien, unter gleißender Sonne. Manche Waschanlagen sind rund um die Uhr geöffnet. Die Arbeiter bekommen oft nur das Trinkgeld als Bezahlung, aber sie fahren weite Strecken zur Arbeit. Sie verlassen das Haus morgens um sechs und kommen abends um sieben zurück. Wenn es gut läuft, werden sie pro Stunde bezahlt und haben eine Mittagspause. Wenn es schlecht läuft, ist wenig los, und die offizielle Arbeitszeit beginnt erst ein paar Stunden nachdem sie gekommen sind.
Und trotzdem boomt die Branche hier in der Gegend?
Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Weil es hier so viele Autos gibt, gibt es so viele Autowäscher. Allein in Los Angeles County sind es mehr als 10.000.
Was tun Sie als Organisation für die Arbeiter?
Wir stellen sicher, dass sie ihre Rechte kennen, genauso wie die Regeln und Vorschriften der Branche. Sie sollen wissen, was der übliche Lohn ist. Sie sollen wissen, wie sie sich hocharbeiten können. Für die weniger Geschulten bleibt häufig das Saugen oder das Polieren eines Autos übrig, aber wir bieten Schulungen von Arbeitern für Arbeiter an. Wer aufsteigt, der hat bessere Arbeitszeiten und bekommt mehr Trinkgeld.
Geht es dabei gezielt um ausländische Arbeiter ohne Papiere?
Danach fragen wir nie. Am Ende hat jeder Arbeiter die gleichen Rechte. Aber die meisten Communitys hier in der Gegend sind migrantisch geprägt.
Ich frage das, weil es in dieser Position womöglich noch schwieriger ist, für seine Rechte einzustehen.
Es sind vor allem die fehlenden Informationen, die den Leuten das Leben schwer machen.
… und jetzt die Razzien.
Ja, auch da helfen wir, wo wir können. Wenn Familien plötzlich ohne ihren Versorger auskommen müssen, unterstützen wir sie finanziell und mit Lebensmitteln. Außerdem stellen wir den Kontakt zu Rechtsberatern her, mit denen sie weitere Schritte besprechen können. Wir haben eine großartige Gemeinschaft. Immer mehr Leute melden sich bei uns und fragen: Was können wir tun?
Anderenorts bleiben Leute der Arbeit fern, weil sie Angst haben, dass die Einwanderungsbehörde sie mitnimmt. Passiert das unter Autowäschern hier auch schon?
Noch nicht. Diese Leute sind fleißig. Doch wenn sie sich an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr sicher fühlen, dann wird das passieren. Das ist eine zutiefst menschliche Reaktion.
Flor Rodriguez ist Geschäftsführerin des „Clean Carwash Worker Center“ in Los Angeles.