Fast zwei Drittel der globalen Wildfischbestände im Meer gelten heute als „biologisch nachhaltig“. Das heißt, sie werden nicht überfischt, sind langfristig gesund und können sich immer wieder reproduzieren. Das ist das Ergebnis einer breiten Untersuchung der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die sie am Mittwoch anlässlich der gerade in Nizza stattfindenden UN-Ozeankonferenz vorgelegt hat. Gewichtet nach dem Produktionsniveau, nach dem die besonders begehrten Fische mehr zählen, stammten sogar gut 77 Prozent der weltweiten Fischereianlandungen aus biologisch nachhaltigen Beständen, berichtet die FAO. „Wir haben jetzt das bisher klarste Bild vom Zustand der Meeresfischerei. Die Erkenntnisse zeigen, was funktioniert und wo wir versagen“, teilte der FAO-Generaldirektor Qu Dongyu mit. Zu den Negativpunkten gehöre, dass die Überfischung in jüngerer Zeit jährlich um ein Prozent zugenommen habe.
Doch die FAO zeigt sich insgesamt optimistisch, denn das „Management“ von Fischbeständen funktioniere. Dazu gehörten etwa Quoten, Kontrollen, Fangverbote in Ruhezeiten, Schutzgebiete, bestimmte Fangmethoden, etwa mit besonderen Netzen und unter Ausschluss von Jungfischen sowie nicht zuletzt eine gründliche Datensammlung. Eine wirksame Regulierung und wissenschaftlich fundierte Bewirtschaftungspläne seien unverzichtbar. Die jüngste FAO-Untersuchung basiert auf einer deutlich ausgeweiteten Datensammlung. In Bezug auf 2021, dem zuletzt verfügbaren Jahr, seien 2570 einzelne Fischbestände in der Welt ausgewertet worden – gegenüber rund 450 zusammengefassten Gebieten in einem früheren Bericht. 650 Experten aus mehr als 200 Institutionen in gut 90 Ländern hätten an dem Bericht mitgewirkt.
Thunfischbestände erholen sich
Als Positivbeispiel gilt der Thunfisch: 87 Prozent der Bestände (unter Einschluss von „Thunfisch-ähnlichen Arten“) gelten als biologisch nachhaltig.
Dies sei insbesnodere auf strenge Bewirtschaftungspläne und die Kooperation der Nationen in regionalen Fischereiorganisationen zurückzuführen. „Herausforderungen“ gäbe es dagegen weiterhin in der Tiefseefischerei. Aufgrund ihrer langen Lebenszeit seien die Arten dort besonders gefährdet. Nur 29 Prozent der Tiefseebestände würden nachhaltig befischt, teilt die FAO mit. Auch weit wandernde Haie seien ständigen Druck ausgesetzt. Sie würden oft als Beifang in der Langleinenfischerei gefangen, nicht wenige würden jedoch auch gezielt befischt. Nur rund 56 Prozent dieser Bestände gelten als nachhaltig befischt. Wegen der weiten Wege, die Haie zurücklegen, sei eine internationale Zusammenarbeit besonders geboten, mahnt die FAO.
Von den zehn wichtigsten Arten nach gemeldeten Anlandungen – Sardelle, Alaska-Seelachs, Echter Bonito, Pazifische Makrele, Atlantischer Hering, Gelbflossenthunfisch, Pazifische Sardine, Europäische Sardine, Blauer Seehecht und Atlantischer Kabeljau – wurden 60 Prozent der Bestände als biologisch nachhaltig eingestuft. Diese vergleichsweise niedrige Zahl gehe zum Teil auf die überfischten Kabeljaubestände zurück, heißt es.
Mittelmeer weiter überfischt, doch Zeichen der Genesung
Unter den Regionen hebt die FAO positiv den Nordostpazifik, den Südwestpazifik und die Antarktis hervor, wo sich langfristige Investitionen und solide Bewirtschaftungsmethoden mit starken Institutionen und der Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgezahlt hätten. Im Mittelmeer und im Schwarzen Meer gäbe es „erste Anzeichen für eine Erholung“, doch dort würden nur rund 35 der Bestände nachhaltig befischt. Immerhin sei die Biomasse seit 2013 um 15 Prozent gestiegen. Auch im Südostpazifik würden nur 46 Prozent der Bestände nachhaltig befischt, während der östliche Teil des Zentralatlantiks (entlang der westafrikanischen Küste) bei rund 47 Prozent liege. Dort sei die Fischerei in kleinen Betrieben entscheidend für die Ernährungssicherheit, Beschäftigung und Armutsbekämpfung. Doch Kontrollmechanismen versagten häufig, die Behörden arbeiteten nicht effektiv und es bestünden große Datenlücken, berichtet die FAO.
Nicht-Regierungsorganisationen kritisieren die Welternährungsorganisation und unterstellen ihr die Fokussierung auf die Industrieländer und große Produzenten. Dass die FAO die Fischzucht („Aquakultur“) in den Mittelpunkt ihrer Strategie stelle, sei falsch, sagt die Stiftung „Changing Markets“. Im Senegal etwa leide die Bevölkerung in den Küstenorten, weil Fische wie der Wolfsbarsch und die Seebrasse immer weniger den Senegalesen zukämen, sondern als Fischfutter und Fischöl an große Fischzuchtfarmen in der Türkei geliefert werden. „Etwa ein Fünftel des weltweiten Wildfischfangs wird zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet – rund 80 Prozent davon gehen in die gefräßige Aquakulturindustrie“, teilte Nusa Urbancic, Leiterin von „Changing Markets“ mit. Der massive Ausbau der Aquakultur bedrohe die Ozeane und lokale Bevölkerungen. Mehr als die Hälfte der weltweit konsumierten Fische stammen heute aus der Aquakultur.
Die Organisation Marine Stewardship Council (MSC), die Standards für die Fischerei erarbeitet, begrüßte hingegen den jüngsten FAO-Bericht als gute Nachricht. „Dort, wo mit einem guten, wirksamen Fischereimanagement gefischt wird, sind Fischbestände stabiler, produktiver, nachhaltiger“, teilte MSC mit, deren Standards von mehr als 500 großen und kleinen Fischereien zertifiziert wurden.