Für die mehr als fünfhundert Jahre alte britische Post beginnt eine neue Ära. Erstmals geht sie in ausländische Hände. Der tschechische Milliardär Daniel Křetínský hat mit der Londoner Regierung eine Einigung über die Übernahme erzielt. Der in britischen Medien als „tschechische Sphinx“ bezeichnete Geschäftsmann aus Prag zahlt inklusive Schulden 5,3 Milliarden Pfund (6,4 Milliarden Euro) für den Mutterkonzern IDS der Post, die auf der Insel weit über 100.000 Mitarbeiter hat.
Britische Medien hoben hervor, dass Křetínskýs EP Group der Regierung und der Gewerkschaft CWU starke Zusagen gemacht habe. So wird die Regierung eine neue „goldene Aktie“ bekommen, die ihr ein Vetorecht einräumt gegen Versuche, den Konzernsitz ins Ausland zu verlegen. Die Gewerkschaften erhalten Mitspracherechte. Die Übernahme des Mutterkonzerns International Distribution Services (IDS) für 370 Pence je Aktie wurde schon im Mai vereinbart. Nun hat der Tscheche die wichtigsten letzten Hürden genommen.
Briefgeschäft macht Verlust, Paketdienst ist lukrativ
Křetínský ist in Großbritannien nicht ganz unbekannt. Ihm gehören Anteile an der Supermarktkette Sainsbury sowie der Fußballklub Westham United. In Deutschland ist er mit der Übernahme der Hälfte der Stahlsparte von Thyssenkrupp bekannt geworden. Křetínský übernimmt die Royal-Mail-Muttergesellschaft IDS in einer schwierigen Phase.
Die 2013 privatisierte britische Post macht in ihrem Kerngeschäft mit Briefen seit Jahren Verluste. 2022 gab es wochenlange Großstreiks für höhere Löhne. Royal Mail verliert stetig Marktanteile an andere Brief- und Paketzusteller. Lediglich der internationale Paketzustelldienst GLS ist eine Profitmaschine. GLS machte im vergangenen Geschäftsjahr einen operativen Gewinn von 280 Millionen Pfund, die Royal Mail 254 Millionen Verlust. Damit kehrte der Gesamtkonzern knapp in die Gewinnzone zurück. Im vorigen Geschäftsjahr machte IDS noch 742 Millionen Pfund Verlust.
Da die Gewerkschaften nun bei Änderungen für die Postboten ein Wort mitreden dürfen, wird es für Křetínský schwieriger, die Kosten zu senken. Er musste der Regierung zusagen, an dem „universellen Service“ für sechs Briefzustellungen in der Woche im Königreich festzuhalten. Die Royal Mail könnte Hunderte Millionen Pfund an Kosten sparen, wenn sie den Dienst ausdünnen würde. Křetínský steht nun ein Drahtseilakt bevor. Er hat bereits gewarnt, die Royal Mail befinde sich in einer „tödlichen Abwärtsspirale“. Seine Hoffnungen liegen wohl vor allem auf dem global tätigen Paketdienst GLS. Bei einem gesonderten Verkauf könnte er wohl einen großen Gewinn machen.