In Deutschland hat nahezu jeder fünfte erwachsene Muslim mit Migrationshintergrund Ressentiments, die eine islamistische Radikalisierung potentiell begünstigen können. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie der Universität Münster mit 1887 Teilnehmern, die am Mittwoch vorgestellt wurde.
Bei islamistischer Radikalisierung spielten auch der soziale Hintergrund, eine fundamentalistische Gesinnung und Migrationsprobleme eine große Rolle, sagte der Leiter der Forschungsstelle Islam und Politik der Universität Münster, Mouhanad Khorchide. Gleichwohl sei die „emotionale Verfasstheit“ der Betroffenen ebenfalls ein maßgeblicher Faktor, der in der Forschung bislang zumeist außen vor geblieben sei.
„Verfestigung eines Gefühls der Kränkung“
Bei den zu Ressentiments neigenden Muslimen (19,9 Prozent) sei „die Verfestigung eines Gefühls der Kränkung“ vorherrschend, erklärte Khorchide. Diese emotionale Wahrnehmung speise sich aus drei Punkten: Zum einen trügen Abwertungen und Demütigungen im alltäglichen Leben dazu bei. Zweitens sei die „Identifikationsverunsicherung“ besonders bei jungen Menschen relevant. „Unabhängig davon, ob sie negative Erfahrungen haben, identifizieren sie sich mit einer Erzählung über das gekränkte Muslimsein“, sagte Khorchide. Drittens seien islamistische Organisationen bestrebt, eine solche „Opferrolle“ bei Muslimen zu kultivieren.
Diese Kombination führe dazu, dass hiervon Betroffene negative Erlebnisse im Alltäglichen übermäßig stark wahrnähmen. Die Studie konstatiert: Es könne sich ein Bild festigen, das sich insbesondere gegen die westliche Gesellschaft und deren Wertekanon richte. „Ein positives Selbstbild kann dann oft nur noch durch Abwertung derjenigen, von denen man sich herabgesetzt fühlt, aufgebaut werden“, heißt es.
55 Prozent der zu Ressentiments neigenden Studienteilnehmer gaben an, den Islam als „letztgültige politische Autorität“ zu betrachten; 53 Prozent befürworten die Scharia. Wiederum elf Prozent dieser Gruppe zeigten sich bereit, Gewalt auszuüben. Das Geschlecht spielt hierbei kaum eine Rolle.
Die Studie, die zwischen Juli 2023 und April 2024 durchgeführt wurde, warnt davor, die Ergebnisse zu pauschalisieren. Kränkung allein reiche nicht aus für eine Radikalisierung, betonte auch Khorchide.