Viele Hausärzte wollen bald kürzertreten oder ganz aussteigen. Schon jetzt gibt es Tausende unbesetzte Stellen – und der Mangel dürfte weiter zunehmen.
Das deutsche Gesundheitssystem steht vor einem ernsthaften Problem: Laut einer aktuellen Umfrage planen rund 25 Prozent der befragten Hausärzte, in den nächsten fünf Jahren den Beruf aufzugeben. Weitere wollen ihre Arbeitszeit deutlich reduzieren. Das bedeutet noch mehr Lücken in der ohnehin schon angespannten hausärztlichen Versorgung.
Die Bertelsmann Stiftung und die Universität Marburg haben gemeinsam mit dem Institut infas fast 3.700 Hausärzte bundesweit befragt. Das Ergebnis: Ein Viertel plant den Berufsausstieg – ein Zehntel hat sich sogar schon fest entschieden.
Besonders belastend empfinden die Ärzte den hohen Bürokratieaufwand und die lange Wochenarbeitszeit. Im Durchschnitt arbeiten sie derzeit 44 Stunden pro Woche – das sind zehn Stunden mehr als der bundesweite Durchschnitt aller Beschäftigten. Ein Großteil der Zeit entfällt auf Sprechstunden und Hausbesuche, rund ein Fünftel wird für Verwaltung, Fortbildungen und organisatorische Aufgaben aufgewendet.
Bereits jetzt sind deutschlandweit mehr als 5.000 Hausarztsitze unbesetzt. Weil der medizinische Nachwuchs diesen Mangel nicht ausgleichen kann, könnte sich diese Zahl laut Stiftung in den nächsten fünf Jahren verdoppeln.
Besonders brisant: Die Bundesregierung will den Hausarzt künftig als zentrale Anlaufstelle im Gesundheitssystem etablieren. Die Praxen sollen Patienten verstärkt steuern und deren Zugang zu Fachärzten koordinieren. Doch genau dieses Vorhaben droht zu scheitern, wenn die personellen Ressourcen fehlen.
Um gegenzusteuern, schlägt die Bertelsmann Stiftung verschiedene Maßnahmen vor. Ein zentrales Stichwort: Digitalisierung. Aufgaben wie Terminvergabe, Befundübermittlung oder Diagnoseabläufe könnten durch digitale Tools schneller und effizienter werden.
Doch die Realität sieht aktuell anders aus: Ein Viertel der Befragten berichtet von täglichen Softwareproblemen, die den Praxisablauf stören. Funktionierende Technik sei daher Voraussetzung für die Entlastung durch Digitalisierung.
Eine weitere Lösung: Delegation von Aufgaben. Viele Ärzte sehen in der Einbindung speziell geschulter medizinischer Fachangestellter und Pflegekräfte großes Potenzial. 70 Prozent der Befragten halten dies für einen sinnvollen Weg, um Zeit für die Patientenversorgung zurückzugewinnen.
Viele Hausärzte, die einen Ausstieg in Erwägung ziehen, nennen weniger Bürokratie und flexiblere Arbeitszeiten als wichtigste Voraussetzungen für die Entscheidung, doch im Beruf zu bleiben. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen deutlich: Wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern, würden viele ihre Entscheidung noch einmal überdenken.
Gesundheitsexperte Uwe Schwenk von der Bertelsmann Stiftung betont: “Entscheidend wird sein, wie viel Zeit dem Hausarzt und der Hausärztin effektiv für die Arbeit am Patienten zur Verfügung steht. Hier gilt es, bislang ungenutzte Potenziale zu heben.”
Schon heute gibt es Regionen, in denen der Mangel an Hausärzten besonders spürbar ist – etwa in ländlichen Gebieten oder strukturschwachen Regionen. Bayern allein meldete Anfang 2025 468 offene Hausarztsitze. Einige Bereiche gelten dort bereits als unterversorgt – Tendenz steigend.
Wenn keine strukturellen Reformen greifen, droht der Mangel sich weiter auszubreiten – mit gravierenden Folgen für die medizinische Grundversorgung, besonders für ältere und chronisch kranke Menschen.