Haftung für Facebook und Co.
Brasilien zieht soziale Medien zur Verantwortung
Aktualisiert am 12.06.2025 – 12:03 UhrLesedauer: 2 Min.

Brasiliens Oberster Gerichtshof macht Social-Media-Konzerne künftig für illegale Nutzer-Posts haftbar. Eine Entscheidung mit Signalwirkung.
Brasiliens Oberster Gerichtshof hat eine wegweisende Entscheidung gefällt: Konzerne wie Meta, X und Microsoft sollen künftig für illegale Inhalte ihrer Nutzer zur Verantwortung gezogen werden können. Sechs von elf Richtern stimmten für die Verschärfung der Haftungsregeln, berichtet die Nachrichtenagentur AP.
Bisher mussten die Plattformen nur dann handeln, wenn ein Gericht sie ausdrücklich zur Löschung aufforderte. Künftig sollen sie selbst die Initiative ergreifen und gegen strafbare Inhalte vorgehen.
Richter Gilmar Mendes begründete die Entscheidung der Presseagentur Reuters zufolge mit deutlichen Worten: Das aktuelle brasilianische Recht stelle für digitale Plattformen “einen Schleier der Unverantwortlichkeit” dar: Auch wenn die Unternehmen über Verbrechen auf ihren Plattformen informiert würden, könnten sie bisher nicht für Schäden durch das Belassen der Inhalte belangt werden.
Richter Flávio Dino verwies auf jüngste Schul-Amokläufe in Brasilien, die durch Posts in sozialen Medien angestachelt worden seien. Er zitierte verstörende Beiträge von Nutzern und erklärte: “Ich denke, die sozialen Medien haben die Menschheit nicht näher an das gebracht, was sie in bester Weise hervorgebracht hat.”
Die betroffenen Konzerne reagierten zurückhaltend bis kritisch. Meta hatte bereits 2024 gewarnt, eine solche Entscheidung könne das Unternehmen “für praktisch alle Arten von Inhalten haftbar machen, auch ohne benachrichtigt worden zu sein”. Google forderte vor der Abstimmung klare Verfahrensgarantien, um “Rechtsunsicherheit und wahllose Entfernung von Inhalten” zu verhindern.
Die Abstimmung läuft indes weiter – vier Richter müssen ihre Stimme noch abgeben, auch wenn die Mehrheit bereits erreicht ist. Bislang gibt es nur eine Nein-Stimme. Der genaue Umfang der Entscheidung ist noch offen: Welche Inhalte als illegal gelten sollen, muss das Gericht erst noch definieren.
Die Entscheidung betrifft einen der größten digitalen Märkte weltweit mit über 200 Millionen Nutzern. Sollte das neue Gesetz beschlossen werden, könnte Brasiliens Kongress es allerdings noch durch ein Gegengesetz aufheben.
Brasiliens Ansatz nähert sich damit dem Vorgehen der Europäischen Union an, die ebenfalls die Macht der Social-Media-Konzerne begrenzen will.
In Deutschland und der EU gelten bereits schärfere Vorschriften für Social-Media-Plattformen. Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet große Netzwerke seit 2017, eindeutig rechtswidrige Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen. Verstöße können mit Bußgeldern bis zu 50 Millionen Euro geahndet werden.
Die EU führte 2022 den Digital Services Act ein, der Plattformen zur Bekämpfung illegaler Inhalte verpflichtet und mehr Transparenz bei der Inhaltsmoderation fordert. Große Plattformen müssen zusätzlich gegen systemische Risiken wie Desinformation vorgehen. Strafen können bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen.