Das Wichtigste zum Atomkonflikt mit Iran

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Iran hat in den vergangenen Monaten sein Atomprogramm stark auf die hohe Anreicherung von Uran auf 60 Prozent fokussiert. Das ist ein Anreicherungsgrad, für den es praktisch keine zivilen Zwecke gibt, obgleich Teheran stets behauptet, sein Atomprogramm habe einen rein friedlichen Charakter.

Rafael Grossi, der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), hat darauf hingewiesen, dass Iran der einzige Staat ohne erklärtes Atomwaffenprogramm sei, der Uran so hoch anreichert. Während die Anreicherung mittels Uranzentrifugen in den üblichen Schritten auf fünf, 20 und dann 60 Prozent ein zeitaufwendiger Prozess ist, ist es von dort bis zu einem kernwaffenfähigen Grad von 90 Prozent laut Wissenschaftlern nur mehr ein kleiner Schritt.

Der Washingtoner Thinktank ISIS schätzt, dass Iran mit seinem derzeitigen Bestand binnen zwei oder drei Tagen genug Material für eine erste Atombombe produzieren könnte, binnen einem Monat wäre genug Atomsprengstoff für elf nukleare Waffen erreichbar. Für den tatsächlichen Bau von Kernwaffen wären aber weitere Schritte notwendig, etwa die Entwicklung und der Bau von Zündern und Trägersystemen. Wie weit Iran da ist, ist umstritten.

Was ist mit diplomatischen Lösungen?

Nach dem Abschluss der Wiener Vereinbarung von 2015 (JCPOA) hatte Iran zunächst seine Verpflichtung eingehalten, sein Atomprogramm stark zurückzufahren. Allerdings wurden im Gegenzug die Wirtschaftssanktionen nie aufgehoben. Nach dem Ausstieg der USA aus dem JCPOA während der ersten Regierungszeit von Donald Trump schränkte Iran nach und nach die Kooperation mit der IAEA ein und fuhr zugleich die Anreicherung hoch und modernisierte sie technisch. Verhandlungen unter Präsident Joe Biden, um zum JCPOA zurückzukehren, blieben 2022 stecken.

Jetzt haben die USA, wieder unter Trump, neue Verhandlungen mit Teheran unter Vermittlung von Oman aufgenommen. Eigentlich sollte am Wochenende die sechste Verhandlungsrunde stattfinden. Ob es dazu kommt, ist nach dem israelischen Militärschlag ungewiss.

Hat die Zuspitzung des Streits durch die jüngste IAEA-Resolution zur militärischen Eskalation beigetragen?

Am Donnerstag hat der Gouverneursrat, das ist das Lenkungsgremium der IAEA, in Wien mit einer Resolution förmlich festgestellt, dass Iran gegen seine Verpflichtungen nach dem Nichtverbreitungsvertrag verstoßen habe. Das gilt vor allem für seine unzulängliche Kooperation mit der IAEA und die Geheimhaltung von nuklearen Aktivitäten. Die Resolution ebnet den Weg dafür, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten. Dafür stimmten 19 der 35 Ländervertreter im Lenkungsgremium der Atomenergiebehörde. Elf enthielten sich, drei stimmten dagegen, nämlich China, Russland und Burkina Faso. Den Text für die Resolution hatten die Vereinigten Staaten sowie die E3-Gruppe (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) eingebracht.

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Zuvor hatte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi in einem Iran-Report zusammenfassend über die seit 2019 zunehmende Blockadehaltung Irans gegenüber der Wiener Agentur berichtet. So hatten IAEA-Inspekteure an drei Orten, die von Iran nie für nukleare Aktivitäten gemeldet worden waren, Spuren von angereichertem Uran gefunden. Auf vielfache Nachfrage lieferte Teheran entweder keine oder „technisch nicht glaubhafte“ Antworten, wie Grossi feststellte.

Der IAEA-Chef gab an, dass er aufgrund der Einschränkungen, denen die Inspekteure inzwischen unterworfen werden, sowie der unzulänglichen Angaben nicht in der Lage sei zu garantieren, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Das ist allerdings eine Formulierung, die Grossi nicht erst seit gestern gebraucht, sie alleine kann keine Begründung dafür sein, dass die Lage gerade jetzt eskaliert. Vielmehr hat Grossi nachdrücklich vor einem Militärschlag gegen Iran gewarnt: Das könne einen „Amalgamierungseffekt“ haben, also die Gesellschaft zusammenschweißen, und in Teheran die Entschlossenheit steigern, nach einer Atomwaffe zu streben oder aus dem Nichtverbreitungsvertrag auszusteigen, sagte Grossi diese Woche – vor dem israelischen Angriff – der „Jerusalem Post“. Jetzt sprach er auf X von einer „äußerst besorgniserregenden“ Situation.

Welche Atomanlagen hat Iran?

Der wichtigste Standort, Natans, liegt auf einer von Bergen umschlossenen Ebene nahe der Stadt Ghom, die den Schiiten als heilig gilt. Zu den Anlagen dort zählen zwei, in denen Uran mit Zentrifugen angereichert wird: eine große unterirdische Brennstoffanreicherungsanlage (Fuel Enrichment Plant, FEP) und eine oberirdische Pilotbrennstoffanreicherungsanlage (Pilot Fuel Enrichment Plant, PFEP).

Auf der gegenüberliegenden Seite von Ghom befindet sich Fordo, eine tief in einen Berg gegrabene Anreicherungsanlage (FFEP). Sie ist offensichtlich zum Schutz vor Luftangriffen als Bunker angelegt und rief deshalb, als ihr heimlich vorangetriebener Bau in den 2000er Jahren bekanntwurde, im Westen größte Besorgnis hervor. In der Wiener Vereinbarung von 2015 hat sich Iran verpflichtet, dort gar keine nuklearen Tätigkeiten vorzunehmen. Heute sind dort nicht viele Zentrifugen in Betrieb, aber die modernsten, die Iran hat (und die es nach dem JCPOA gar nicht betreiben dürfte). In den drei Anlagen FEP, PFEP und FFEP stehen insgesamt knapp 21.900 Zentrifugen, davon knapp 15.000 mit fortgeschrittener Technik, von denen die Mehrzahl noch gar nicht im Urananreicherungsbetrieb ist.

Am Stadtrand von Isfahan, der zweitgrößten Stadt Irans, steht ein bedeutendes Zentrum für Nukleartechnologie. Es umfasst eine Anlage zur Herstellung von Brennelementen und eine Uranumwandlungsanlage, in der Uran zu Uranhexafluorid verarbeitet werden kann, das in Zentrifugen eingespeist wird. Außerdem gibt es dort Anlagen zur Herstellung von Uranmetall. Das ist ein Produkt, das vor allem für die Herstellung von Kernwaffen relevant ist. Arak (Khondab) ist ein teilweise fertiggestellter Schwerwasserreaktor, der gemäß dem JCPOA so umgebaut wird, dass er als Leichtwasserreaktor 2026 in Betrieb genommen werden kann. In Schwerwasserreaktoren lässt sich Plutonium erbrüten, ein Material, das ohne den Umweg aufwendiger Anreicherung für den Bau von Nuklearwaffen verwendet werden kann. Deshalb hatte die internationale Gemeinschaft darauf bestanden, dass der ursprüngliche Reaktorkern entfernt und mit Beton verfüllt wurde, was auch geschah.

Buschehr an der Küste des Persischen Golfes ist das einzige noch in Betrieb befindliche Atomkraftwerk Irans. Es liefert die formelle Begründung für das Anreicherungsprogramm – wobei für dessen Brennstäbe nur niedrig angereichertes Uran benötigt würde, und längst nicht in dem Ausmaß, den Irans Anreicherungsprogramm hat. Außerdem wird in Buschehr russischer Brennstoff verwendet, den Russland nach Verbrauch zurücknimmt. In der Hauptstadt Teheran steht außerdem ein Forschungsreaktor, der vor allem medizinischen Zwecken dient.

Kann man das Atomprogramm militärisch bekämpfen?

Nicht von ungefähr hat IAEA-Chef Rafael Grossi diese Woche mehrere Interviews mit israelischen Medien geführt. Dem Sender i24news sagte er zu Wochenbeginn zu dieser Frage, die iranischen Nuklearanlagen seien zum Teil extrem gut geschützt und es würde eine „sehr, sehr zerstörerische Kraft erfordern, um sie zu beschädigen“ – ganz abgesehen davon, dass ein solcher Angriff politisch nach hinten losgehen könnte.

Der Politikwissenschaftler Fabian Hinz vom Sicherheitsforschungsinstitut IISS wies 2024 in einem Interview mit der F.A.Z. darauf hin, dass die USA über sehr schwere Bomben („Massive Ordnance Penetrator“) verfügen, mit denen auch die tief in den Berg gegrabene Anlage Fordo wahrscheinlich schwer beschädigt werden könne. Israel habe im konventionellen Bereich solche Waffen nicht. Außerdem würde ein Militärschlag nach seiner Einschätzung das iranische Atomprogramm „zeitlich ein bisschen zurückwerfen, aber nicht stoppen“. „Man würde die Technologie und die Fähigkeiten nicht zerstören können. Sollten die Iraner ihre Anlagen wieder aufbauen, müsste man nach gegebener Zeit wieder mit neuen Luftschlägen beginnen, um das Programm erneut zurückzuwerfen.“

Tatsächlich ist es Israel in der Vergangenheit schon mehrere Male gelungen, mit Angriffen das iranische Atomprogramm zurückzuwerfen. Das waren allerdings keine Militärschläge, sondern Sabotageakte oder gezielte Tötungen. So wird das Computervirus Stuxnet auf Israel zurückgeführt. Das Schadprogramm wurde 2010 bekannt, als durch Manipulation der Steuerung eine große Zahl von Zentrifugen in Natans zerstört wurde; Schäden durch Stuxnet wurden aber in alle Welt angerichtet. 2021 wurden durch Explosionen und einen Stromausfall Zentrifugen der FEP beschädigt. 2020 wurde der Physiker Mohsen Fachrizadeh, der als „Vater des iranischen Atomprogramms“ galt, durch ein Attentat getötet, für das angeblich eine mit künstlicher Intelligenz ausgestattete ferngesteuerte Waffe verwendet wurde. Hinz bewertete das so: „Das sind technisch beeindruckende Operationen, die aber das strategische Problem nicht lösen.“