Was durch einen höheren Ölpreis droht

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Der Ölpreis ist am Freitag nach den israelischen Angriffen auf Iran deutlich gestiegen. Die Nordseesorte Brent verteuerte sich um knapp zwölf Prozent auf zeitweise 77,46 Dollar je Barrel (Fass zu 159 Liter). Der Preis der amerikanischen Ölsorte West Texas Intermediate legte auf 76,22 Dollar je Barrel zu. Auch der Preis für Heizöl in Deutschland erhöhte sich kräftig auf 93 Euro je 100 Liter, bei der Abnahme von 3000 Litern. Die Preise an den Tankstellen stiegen am Freitag im Durchschnitt zunächst noch nicht sehr stark, wie der Autoklub ADAC berichtete. „Aber die Preisanhebung an den Tankstellen dürfte sicherlich nicht lange auf sich warten lassen“, meinte ein ADAC-Sprecher.

Die Börsen reagierten besorgt, aber nicht panisch. Der deutsche Aktienindex Dax verlor zeitweise 1,3 Prozent. Der Goldpreis legte um knapp zwei Prozent zu auf 3444 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) und näherte sich damit wieder seinem Rekord aus dem April von 3500 Dollar. Die Rendite der Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit sank auf ein Drei-Monats-Tief von 2,422 Prozent.

„Es ist eine alarmierende Eskalation in Nahost, die viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt haben dürfte“, sagte Jochen Stanzl vom Handelsunternehmen CMC Markets. Befürchtet werden vor allem Folgen für den Ölhandel in der Golfregion im Falle einer Ausweitung des Konflikts. „Der absolute Albtraum wäre eine Schließung der Straße von Hormus“, sagte Arne Lohmann Rasmussen vom Finanzunternehmen Global Risk Management. Durch diese Meerenge werden rund 20 Prozent der globalen Öltransporte geleitet. Sie gilt als Nadelöhr der Öltankerrouten. Die britische Maritime Safety Agency hatte schon am Mittwoch vor einem erhöhten Risiko im Persischen Golf, im Golf von Oman und in der Straße von Hormus gewarnt.

Wirtschaftliche Relevanz des Ölpreises

„Wie immer, wenn es auf politischer Ebene zu Eskalationen kommt, bei denen der Iran involviert ist, passieren zwei Dinge“, sagte Frank Schallenberger, Ölfachmann der Landesbank Baden-Württemberg. „Erstens, die Straße von Hormus rückt in den Blickpunkt. Zweitens, der Ölpreis steigt stark an.“ Der Analyst meint, der Preisanstieg werde nicht von Dauer sein. „Wenn sich die politische Lage beruhigt, wird auch der Ölpreis wieder fallen – denn am Ölmarkt herrscht ein relativ hohes Überangebot.“

Bis jetzt sei die Marktreaktion nur eine Furcht, dass es zu Öl-Produktionsunterbrechungen kommen werde, sagte Giovanni Staunovo, Ölfachmann der Schweizer Großbank UBS. Bislang sei das aber noch nicht zu beobachten. „Die Risikoprämie bleibt selten bestehen, wenn Öl weiterhin fließt“, meinte der Analyst. Sollten Ölanlagen in der Region angegriffen werden, könnte der Preis weiter steigen, sonst dürfte er wieder fallen.

Der Ölpreis ist wirtschaftlich relevant, weil er die Inflation und das Wirtschaftswachstum beeinflussen kann – und das in einer weltwirtschaftlich ohnehin fragilen Zeit. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer prognostiziert, dass die Inflationsrate in Deutschland, die im Mai 2,1 Prozent betrug, um einen halben Prozentpunkt steigen könnte, falls der Ölpreis so hoch bleibt. Er hält das aber nicht für das wahrscheinlichste Szenario. KfW-Chefvolkswirt Dirk Schumacher hielte das für den „worst case“.

„Zusammen mit den Zöllen wären das die Zutaten für einen weiteren negativen Schock“, sagte er der F.A.Z. Er rechnet vor: „Ein auf Dauer um zehn Prozent höherer Ölpreis würde für Deutschland 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte weniger Wirtschaftswachstum bedeuten.“ Dieser Effekt sei zwar nicht sonderlich groß, für die deutsche Volkswirtschaft, die derzeit knapp oberhalb der Nulllinie navigiert, aber durchaus relevant. Eine höhere Inflation könnte Druck auf die Zentralbanken ausüben, die Zinsen weniger stark zu senken. Das würde jedoch die schwächelnde Wirtschaft zusätzlich belasten.

Dollar legt zu

An der Börse verloren insbesondere die Aktien europäischer Fluglinien. Die Papiere der Lufthansa rutschten im M-Dax zeitweise um 5,9 Prozent ab. Die Aktien der British-Airways-Muttergesellschaft IAG sowie von Air France-KLM und Easyjet verloren jeweils rund vier Prozent. Rüstungsaktien legten zu: Rheinmetall gewannen an der Dax-Spitze im Handelsverlauf 1,8 Prozent, Hensoldt und Renk lagen im M-Dax vorn.

Auch der Dollar legte am Freitag zu. Der Dollar-Index, der den Wechselkurs gegenüber einem Korb an Währungen abbildet, stieg um 0,5 Prozent auf 98,39 Punkte. Auch andere Währungen wie der japanische Yen oder der Schweizer Franken, die in Krisenzeiten als sichere Häfen gelten, zogen zeitweise etwas an. Der zuletzt starke Euro verlor bis zu 0,6 Prozent auf 1,1513 Dollar. Commerzbank-Analyst Michael Pfister kommentierte: „Bis die Gefahr einer weiteren Eskalation gebannt ist, dürften sichere Anlagen weiter profitieren.“

Mit der ungetrübten Stimmung sei es an den Aktienmärkten in aller Welt momentan vorbei, schreibt Sören Hettler, Anlagestratege der DZ Bank. Beunruhigend sei die Situation im Nahen Osten allemal. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass die abermalige Eskalation nachhaltige Auswirkungen an den globalen Finanzmärkten hinterlassen werde. Zum einen dürfte die iranische Führung kaum an einer anhaltenden militärischen Auseinandersetzung mit Israel interessiert sein. Zum anderen hätten sich die Investoren an den Märkten in den vergangenen Jahren zunehmend an die Spannungen in der Region gewöhnt.

Darüber hinaus beschäftigten gerade viele andere Themen die Finanzmärkte, darunter die Verhandlungen über die US-Zölle. Die Welt sei „im Dauerkrisenmodus“, schreibt Thorsten Fischer vom Finanzdienstleister Moventum AM: „Ausgehend von den USA, die nicht mehr deeskalierender Weltpolizist oder Schiedsrichter sein wollen, sondern neue Maßstäbe in der Eskalation setzen, werden Krisen schneller zu Konflikten, Konflikte schneller zu offenen Kriegen.“ Eine Eskalation jage die nächste – und ein Ende sei nicht in Sicht.