Medienbericht: Plagiatsvorwürfe gegen Friedrich Merz

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Der österreichische Plagiatsgutachter Stefan Weber hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Plagiate in seinem 2002 veröffentlichten Buch „Mut zur Zukunft. Wie Deutschland wieder an die Spitze kommt“ vorgeworfen. Darüber berichtet die „Berliner Zeitung“ in ihrer Samstagsausgabe. Das Buch hat 317 Seiten, die Plagiatsvorwürfe beziehen sich auf Passagen in 18 Textstellen. Insgesamt zählt Weber 25 Plagiate. Ein Quellenverzeichnis enthält das Buch nicht.

Weber, der immer dann nach Plagiaten sucht, wenn Personen des öffentlichen Lebens Schlüsselpositionen übernommen haben, will weitere Bücher von Merz unter die Lupe nehmen. Gegenüber der „Berliner Zeitung“ sagte er, dass es für diese Recherche keine Auftraggeber gebe, auch keine Bezahlung, er habe diese Aufgabe ehrenamtlich übernommen. In einem 22 Seiten umfassenden Gutachten hat er die Textübernahmen dargelegt.

Abgeschrieben haben soll Merz laut Weber bei Friedrich von Heusinger, dem jetzigen Leiter des Verbindungsbüros Brüssel des Wirtschaftsrats der CDU, dem verstorbenen CDU-Politiker Hans Joachim Meyer, dem Wissenschaftsjournalisten Martin Spiewak (Zeit), dem Wirtschaftswissenschaftler Burkhard Wehner und dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU).

Eine der von Weber identifizierten Textpassagen lautet bei Stoiber im Original: „Das heutige System der Umverteilung über die Struktur- und Kohäsionsfonds ist zu ineffizient, zu teuer, zu zentralistisch und überaus betrugsanfällig.“ Bei Friedrich Merz heißt es: „Das heutige System der Umverteilung über die Struktur- und den Kohäsionsfonds ist nach Auffassung der meisten Fachleute zu ineffizient, zu teuer, zu zentralistisch und überaus betrugsanfällig“.

Plagiatsforscher Zenthöfer: Monierte Textstellen betreffen nur 5,68 Prozent aller Seiten

Weber legt laut „Berliner Zeitung“ einen engen Plagiatsbegriff an und zitiert den Bonner Rechtswissenschaftler und Wissenschaftsrechtler Wolfgang Löwer, der bezogen auf wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten formuliert hat, dass ein Plagiat nicht mit einem Satz, sondern einem Halbsatz beginnt. Weber, der den Münchner Rechtsmediziner Matthias Graw zu Unrecht eines Plagiats beschuldigt und sich dafür öffentlich entschuldigt hatte, wurde in Österreich gerade in zweiter Instanz wegen übler Nachrede gegen den Rektor der Universität Klagenfurt für schuldig gesprochen.

Der Luxemburger Plagiatsforscher Jochen Zenthöfer hat das Gutachten Webers durchgesehen und hält dessen Vorwürfe für reichlich übertrieben. Die von Weber monierten Textstellen beträfen 5,68 Prozent aller Seiten, zum Teil gehe es nur um einen Satz auf der Seite. Häufig handele es sich um Faktendarstellungen wie bei der Pisa-Studie. An einer Stelle behaupte Weber fälschlicherweise, Merz habe eine Wertung übernommen. Tatsächlich stamme diese Wertung von Merz selbst. Eine von Weber angeführte Rede des früheren bayerischen Landtagspräsidenten Johann Böhm vom 12. Juni 2002 könne keine Vorlage für Merz gewesen sein. Dessen Buch sei zwar erst im September 2002 erschienen und das Vorwort wohl im Juni 2022 abgeschlossen, doch würden Manuskripte erfahrungsgemäß längst vorher an den Verlag eingereicht.

Auch sei weder hier noch bei den Stoiber-Zitaten klar, ob es sich nicht um parteiinterne Sprachregelungen gehandelt habe, die übernommen wurden, sagt Zenthöfer. Die Übernahmen prägten das Buch „nicht qualitativ oder quantitativ“, sagte er der F.A.Z. . Vielmehr handele es sich um eine Skandalisierung. Problematisch seien lediglich einige wenige Stellen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle, „viel weniger als bei Annalena Baerbock oder Alice Weidel“. Der Bundeskanzler wird sich, wie Regierungssprecher Stefan Kornelius gegenüber der F.A.Z. mitteilte, nicht dazu äußern.