Roter Alarm in ganz Israel

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In Israel gab es in der Nacht zum Samstag keine Gegend, in der nicht roter Alarm herrschte. Irans Gegenschlag richtete sich gegen das ganze Land. Nach israelischen Angaben feuerten die Iraner bis Samstagmorgen in mehreren Angriffswellen rund 150 Raketen auf Israel. Die meisten davon wurden abgefangen, Berichten zufolge auch mit Hilfe amerikanischer Abwehrbatterien in der Region.

Doch gab es mehr als ein halbes Dutzend iranische Treffer insbesondere in der Dan-Region, in der Tel Aviv liegt. Bei Einschlägen wurden mindestens drei Israelis getötet, mehr als 80 Menschen verletzt und Häuser schwer beschädigt.

Aus Israel kommt die Einschätzung, dass Iran Raketen aufspart, um für einen wochenlangen Kriegsverlauf einsatzfähig zu bleiben. Iran soll mehrere tausend ballistische Raketen und Langstreckendrohnen besitzen. Auch aus Jemen gab es Angriffsversuche, Israels Luftwaffe schoss mindestens drei von dort gestartete Drohnen ab.

Katz: Iran hat rote Linie überschritten

Verteidigungsminister Israel Katz sagte, durch den Raketenbeschuss auf israelische Wohngebiete habe Iran „eine rote Linie überschritten“. Dafür müsse „das Ajatollah-Regime einen sehr hohen Preis zahlen“. Die iranischen Revolutionsgarden teilten dagegen mit, israelische Militärzentren und Luftwaffenstützpunkte mit Raketen angegriffen zu haben. Israels Militärhauptquartier etwa befindet sich im Zentrum von Tel Aviv.

Israel setzte seine seit Freitagfrüh laufenden Angriffswellen gegen Iran auch am Samstag fort. Schwer getroffen wurde jetzt auch der internationale Flughafen Mehrabad in Teheran, was die iranische Nachrichtenagentur Tasnim bestätigte.

Vorläufigen und weitgehend unbestätigten Berichten zufolge hat Israel in breit angelegten Angriffen auf Iran bisher rund zweihundert Ziele angegriffen. Dazu gehören neben den erfolgreichen Angriffen auf die militärische und nuklearwissenschaftliche Führungsriege auch Schläge gegen den Luftwaffenstützpunkt Täbris und die nuklearen Anreicherungsanlagen in Isfahan, Natans und zuletzt auch gegen die wichtige in einem Berg verbunkerte Anlage Fordow.

Nach Angaben des Leiters der UN-Atomaufsichtsbehörde IAEA, Rafael Grossi, wurde in Natans der oberirdische Teil der Anreicherungsanlage zerstört, in der Iran an der Herstellung von waffenfähigem Uran arbeitete. Dort sei es zu radioaktiver Kontaminierung gekommen, die Grossi im UN-Sicherheitsrat am späten Freitag jedoch für beherrschbar erklärte. Über größere Schäden der unterirdischen Teile der Anlagen ist bislang nichts bekannt.

Der iranische UN-Botschafter Amir Saeid Iravani sagte vor den Vereinten Nationen, bei Israels Angriffen in Iran seien bislang 78 Menschen getötet und 328 weitere verletzt worden. Die meisten von ihnen seien Zivilisten, gab Iravani an.

Netanjahu ruft Iraner zum Protest auf

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte in einer des Nachts auch auf Farsi aufgezeichneten Videobotschaft die Iraner auf, „aufzustehen“, da das iranische Regime „noch nie so schwach war“.

Vor allem zwei strategische Faktoren gelten als entscheidend für die Gelegenheit, die der lange Zeit als risikoscheu bekannte Netanjahu nutzte: Im Weißen Haus sitzt ein Präsident, der einem israelischen Angriff auf Iran nichts entgegensetzt. Und Teherans jahrelange militärische Rückversicherung in Libanon, die von Iran aufgebaute Hizbullah, wurde von Israel militärisch dezimiert. Hinzu kommt der Fall des syrischen Regimes, dass die Hamas keine militärische Bedrohung mehr darstellt und auch die Huthi zuletzt vergangene Woche bei israelischen Luftangriffen geschwächt worden waren.

Zerstörte Gebäude in Ramat Gan, einem Vorort von Tel Aviv, am Morgen des 14. Juni 2024
Zerstörte Gebäude in Ramat Gan, einem Vorort von Tel Aviv, am Morgen des 14. Juni 2024AFP

Dass Iran unmittelbar vor dem Besitz von Atombomben stand, das Regime die entsprechende Arbeit daran laut der israelischen Streitkräfte zuletzt beschleunigt habe und es deshalb eine besondere Dringlichkeit für einen von Israel offenbar jahrelang vorbereiteten Angriff gab, wurde von unabhängiger Seite hingegen bislang nicht bestätigt.

Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen Danny Danon wiederholte jetzt im Sicherheitsrat, die Geheimdienste seines Landes hätten bestätigt, dass Iran binnen weniger Tage genug spaltbares Material für mehrere Bomben hätte herstellen können.

Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei dagegen hatte Israel für dessen Angriff auf sein Land zuvor gedroht, man werde es „nicht von diesem großen Verbrechen verschont lassen“. In einer Fernsehansprache sagte Khamenei: „Sie sollten nicht denken, sie hätten angegriffen und es sei vorbei.“

Übereinstimmenden Berichten zufolge flog Israel am Samstagfrüh unablässig Angriffe auch auf das Teheraner Viertel Pastour. Dort sollen Khamenei und auch ranghohe Vertreter der politischen Führungsriege leben.