Anja Schüte spricht über sozialen Abstieg und ein geplantes Comeback

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Anja Schüte war eine der bekanntesten Schauspielerinnen des Landes. Mit t-online spricht sie über Altersdiskriminierung im Filmgeschäft, ihren harten sozialen Abstieg – und ihren Neustart.

Es ist ein zaghafter Neuanfang nach einem schweren Verlust: Anja Schüte, bekannt aus Erfolgsserien wie “Der Trotzkopf”, “Die Wicherts von nebenan” oder “Forsthaus Falkenau”, will wieder vor die Kamera. Zuletzt war das 2019 der Fall – in der ARD-Serie “Um Himmels Willen”.

Ihr Wunsch nach einem Comeback als Schauspielerin ist mehr als ein beruflicher Schritt. Jahrelang pflegte sie ihre krebskranke Mutter, die 2024 mit 86 Jahren starb. “Ich musste mich nach dem Tod erst wieder selbst finden”, sagt Anja Schüte im Gespräch mit t-online, für das sie sich viel Zeit nimmt.

Offen spricht sie über ihre Erfahrungen mit einem überforderten Pflegesystem, über finanzielle Abstürze, schmerzliche Selbstzweifel und Altersdiskriminierung im Film- und Fernsehgeschäft. Und sie blickt nach vorn und erzählt t-online von ihrer Hoffnung, mit Anfang 60 noch einmal Fuß zu fassen in dem Beruf, den sie liebt.

t-online: Wie geht es Ihnen?

Anja Schüte: Ich bin zurück im Geschäft und möchte wieder als Schauspielerin arbeiten.

Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Lange Zeit habe ich an der Seite meiner Mutter verbracht und sie gepflegt. Das stand für mich an erster Stelle, noch vor meinem Beruf, und war nur möglich, weil mein Mann mich in der Zeit unterstützt hat. Meine Mutter ist vor einem Jahr verstorben, und ich brauchte die Zeit danach für mich, um diesen schmerzlichen Verlust zu verarbeiten. Irgendwann habe ich mir gesagt: Nun muss ich wieder mehr an mich denken.

Die Politik diskutiert derzeit über eine neue finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige. Was halten Sie davon?

Viele Pflegeheime in Deutschland sind längst überlaufen, und es fehlt dort an Personal. Außerdem kann sich all das kaum noch jemand leisten. Insofern bedarf es vonseiten der Politik mehr Anreize für das Pflegen von Angehörigen zu Hause. Ich finde, das ist überfällig.


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Was ich dabei erleben musste, war zum Teil erbärmlich. Ich fand es erschütternd, wie sehr die Krankenkassen auf ihrem hohen Ross sitzen.


Anja Schüte zu t-online


Wie haben Sie selbst die Unterstützung während der Pflege Ihrer Mutter erlebt?

Die Anerkennung einer Pflegestufe war ein Kampf. Was ich dabei erleben musste, war zum Teil erbärmlich. Ich fand es erschütternd, wie sehr die Krankenkassen auf ihrem hohen Ross sitzen.

Nun wagen Sie den Neustart als Schauspielerin. Hat Ihnen diese Entscheidung Überwindung abverlangt?

Ja, ich werde noch einmal versuchen, zurückzukommen und muss sehen, wie mein Plan aufgeht. Die Frage ist ja: Habe ich noch eine Möglichkeit, in meinem geliebten Beruf wieder tätig sein zu können?

Anja Schüte als Uschi Wichert mit Stefan Gossler als Jürgen Reuter: Sie war von 1985 bis 1990 in über 40 Folgen der ZDF-Serie "Die Wicherts von nebenan" zu sehen.Vergrößern des Bildes
Anja Schüte als Uschi Wichert mit Stefan Gossler als Jürgen Reuter: Sie war von 1985 bis 1990 in über 40 Folgen der ZDF-Serie “Die Wicherts von nebenan” zu sehen. (Quelle: IMAGO / United Archives)

Welche Rollen könnten Sie sich heute gut vorstellen?

Im Grunde genommen habe ich ja schon alles in meinem Leben gespielt. Mit jeweils einer Folge in “Der Alte” und “Derrick” waren es bislang aber eher weniger Krimis. Der “Tatort” wäre noch was.

Viele Schauspielerinnen berichten, dass sie mit zunehmendem Alter weniger Rollenangebote erhalten. Wie erleben Sie das?

Ich versuche, mir keinen Druck zu machen. Aber natürlich stimmt das, was Sie sagen: Wir haben großartige Charakterdarstellerinnen in Deutschland, aber die kann man an zwei Händen abzählen – wenn überhaupt. Diese wenigen Kolleginnen, wie beispielsweise eine Iris Berben, mussten es sich hart erkämpfen, um dahin zu kommen: akzeptiert zu werden, auch wenn man nicht mehr ganz jung ist.

Fühlen Sie sich dadurch auch unter Druck gesetzt, besonders jung und makellos wirken zu müssen?

Ich bin schon sehr kritisch mit mir und achte darauf, dass ich nicht gerade aussehe wie Frau Flodder, wenn ich auf die Straße gehe. Ich finde, eine Frau mit 60 muss gepflegt sein und eine glückliche Ausstrahlung haben.