Die vergleichsweise geringe Wucht des ersten iranischen Gegenschlags hatte am Samstag in Israel für Überraschungen gesorgt. Auch im Sicherheitsapparat hatte man wohl mehr als die zweihundert Raketen aus Iran erwartet. Israels Überraschungsangriff hatte Irans militärische Führung weitgehend ausgeschaltet, so dass die Befehlsketten für den Gegenangriff schlecht funktionierten. Zudem zerstörte die Luftwaffe eigenen Angaben zufolge eine ganze Reihe iranischer Startrampen. Doch hält Iran auch weitere Raketen vor. Das zeigte sich in Nacht zum Sonntag, in der das Teheraner Regime Israel nun schmerzlicher traf als am Vortag.
Die neuerlichen iranischen Angriffe töteten Sonntagfrüh mindestens acht Israelis und verletzten zweihundert weitere. Allein in Bat Yam südlich von Tel Aviv wurden nach einem Raketeneinschlag bis zuletzt noch 35 Menschen vermisst. Iranische Raketensalven richteten sich insbesondere auch gegen die nördliche Küstenstadt Haifa. In der benachbarten israelisch-arabischen Kleinstadt Tamra wurden bei einem Treffer auf ein Wohnhaus mindestens fünf Menschen getötet, dort gibt es kaum Schutzräume.
In Rehovot wiederum wurde das wichtige Weizmann-Forschungsinstitut getroffen, ein Einschlag setzte mindestens ein Laborgebäude in Brand.
Israel sieht den Luftweg bis nach Teheran mittlerweile als „weit geöffnet“, so ein Sprecher, die iranische Luftverteidigung sei mithin weitgehend ausgeschaltet. So flog die israelische Luftwaffe schwere Angriffe auf das zentrale Kraftstofflager Shahran in Teheran und setzte die Tanks in Brand. Getroffen habe Israel in Teheran auch die Zentrale des Verteidigungsministeriums, eine angeschlossene Atomforschungseinrichtung sowie jene Gebäude, in der Iran sein sogenanntes „Atomarchiv“ beherberge, aus dem Agenten des Mossad 2018 Dokumente entwendet hatten. Nach iranischen Angaben wurden Sonntagfrüh mindestens sechzig Menschen getötet.
Erst Raketen schicken, dann verhandeln
Als entscheidend gilt nun zum einen die Frage, wie verheerend Israels überraschender Erstschlag auch auf die iranischen Befehlsketten und Raketenstellungen war, um Teherans Gegenangriffe gering zu halten. Zum anderen wird jetzt das Verhalten Amerikas die strategische Entwicklung der Lage bestimmen. „Die Überlegung in Jerusalem lautet: Wenn wir zuerst die Fähigkeiten des Irans lahmlegen können – und dann verhandeln – ist das das optimale Ergebnis“, schrieb der gut vernetzte Journalist Nadav Eyal von der Zeitung „Yedioth Ahronoth“ und fügte an: „Aber damit das geschieht, müssen die USA im Spiel bleiben.“
Der Sender CNN zitierte in der Nacht zum Sonntag nun amerikanische und israelische Regierungsvertreter, Israels Operation habe die stillschweigende Zustimmung des Weißen Hauses. Präsident Donald Trump sei mit dem wochenlangen Zeitrahmen des Krieges einverstanden, sagte ein Israeli. Ein amerikanischer Regierungsvertreter fügte an: „Die Trump-Regierung ist der festen Überzeugung, dass dieses Problem durch weitere Verhandlungen gelöst werden kann“.
Wer hält länger durch?
Am Samstagabend Ortszeit gab Präsident Donald Trump auf seinem „Truth Social“-Kanal bekannt, er habe mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert, der ihm zum Geburtstag gratuliert und dann über den Krieg zwischen Israel und Iran gesprochen habe: „Er denkt, so wie ich, dass der Krieg in Israel-Iran enden sollte, worauf ich antwortete, sein Krieg (gegen die Ukraine) sollte auch enden.“
Wann es soweit ist, darüber entscheidet auch die Durchhaltefähigkeit beider Seiten. Israelische Iranspezialisten halten einen Zusammenbruch des Regimes für unwahrscheinlich. In den achtziger Jahren kämpfte Iran acht Jahre lang den verheerenden Krieg gegen Irak, bis die oberste geistliche Führung entschied, ein bitterer Frieden sei für den Regimeerhalt unerlässlich. Israel wiederum hat operative Probleme, ohne direkte amerikanische Hilfe Irans Nuklearanlagen wie etwa das tief im Berg verbunkerte Fordow entscheidend zu treffen, weil es nicht über die entsprechenden B-2-Bomber und die dafür notwendige bunkerbrechende Munition verfügt.
Am Ende hängt es für Israel nun an der Entscheidung Trumps, die israelischen anfänglichen Kriegserfolge zu nutzen und Irans weiter bestehenden Nuklearfähigkeiten durch ein amerikanisches Eingreifen zu beseitigen. In der Nacht zum Sonntag schien Trump dabei eine Doppelstrategie zu fahren, indem er Drohungen mit Gesprächsangeboten verknüpfte.
Falls Iran die USA in irgendeiner Weise angreife, werde das Land mit der Macht des US-Militärs „in einem noch nie dagewesenen Ausmaß” konfrontiert werden, erklärte Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social. Die USA hätten nichts mit dem nächtlichen Angriff Israels auf Iran zu tun, so Trump weiter. Zugleich forderte er Iran zu einer diplomatischen Lösung auf. „Wir können leicht ein Abkommen zwischen Iran und Israel erreichen und diesen blutigen Konflikt beenden!!!”, schrieb Trump. Doch bis das – wenn überhaupt – gelingen könnte, ist mit vielen weiteren Kriegstagen zu rechnen.