In sozialen Medien kursieren immer wieder Behauptungen, Sonnenbrillen würden Sonnenbrand hervorrufen oder die innere Uhr durcheinanderbringen. Was ist dran an diesen Aussagen?
Wenn die Sonne blendet, greifen viele Menschen zu einer Sonnenbrille. Das macht nicht nur die Helligkeit erträglicher, sondern schützt unsere Augen auch vor schädlichen UV-Strahlen. Dennoch tauchen in sozialen Medien immer wieder Aussagen auf, die den Nutzen von Sonnenbrillen in Frage stellen.
Auf TikTok erklärt etwa ein User in einem Video: “Deine Augen besitzen Rezeptoren, die merken, wann die Sonne scheint. Sie senden Signale an deine Haut: Schütze dich. Mit Sonnenbrille denken deine Augen: Alles dunkel, keine Gefahr. Die Haut bleibt schutzlos.“ Wer eine Sonnenbrille trägt, bekomme schneller einen Sonnenbrand und habe ein höheres Hautkrebsrisiko, so die Behauptung.
Anteil der Augen nur gering
Der Mechanismus dahinter klingt auch erst mal plausibel: Um sich vor der Sonne zu schützen, produziert unsere Haut den Farbstoff Melanin. Dabei spielt auch die Kommunikation zwischen der Hypophyse, einem Teil des Gehirns, und unseren Hautzellen eine Rolle. Das Gehirn bekommt seine Information dabei von den Augen.
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit, sagt Athanasios Theodoridis, leitender Hautarzt in einer großen Freiburger Dermatologie-Praxis. Der Anteil der Augen an der Melaninproduktion in der Haut sei nämlich nur sehr gering: “Der Hauptfaktor für die Produktion ist die Sonnenexposition der Haut.”
Auch die Haut nimmt UV-Strahlung wahr
Wenn die UV-Strahlung der Sonne auf die Melanin-produzierenden Hautzellen trifft, führe das zu kleinen Schäden in der DNA, so Theodoridis. Diese DNA-Schäden sorgen einerseits dafür, dass die Hautzellen empfindlicher auf die Signale aus dem Gehirn reagieren. Vor allem aber beginnen die Hautzellen, von sich aus Melanin zu produzieren – ganz unabhängig von den Augen. Und, wie Theodoridis betont: Auch blinde Menschen würden braun werden, wenn sie in die Sonne gehen.
Die Augen tragen also nur zu einem kleinen Teil zum Sonnenschutz der Haut bei. Auf eine Sonnenbrille verzichten und dafür UV-Schäden an der Linse und auf der Netzhaut riskieren: Davon raten Experten ab. Der Anstieg an Hautkrebsfällen lässt sich laut Theodoridis auf andere Faktoren zurückführen – etwa die höhere Lebenserwartung und dass Bräune lange Zeit in Mode war.
Innere Uhr reagiert schon auf wenig Licht
Eine weitere Behauptung in sozialen Medien lautet: Wer eine Sonnenbrille trägt, bringe seine innere Uhr durcheinander. Auch hier steckt ein – auf den ersten Blick – plausibler Mechanismus dahinter: Tageslicht hemmt die Produktion des Schlafhormons Melatonin – und das macht uns wach.
Doch was Licht angeht, ist unsere innere Uhr sehr genügsam, erklärt der Neurowissenschaftler Manuel Spitschan. Er erforscht am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, wie Licht mit unserer inneren Uhr zusammenhängt. Ein wichtiger Faktor dabei: die Beleuchtungsstärke, kurz Lux. Studien hätten gezeigt, dass bereits 1.000 Lux ausreichen, um der inneren Uhr das Signal zu geben, dass es Tag ist, so Spitschan.
Sonnenbrillen lassen ausreichend Tageslicht durch
Ein sonniger Tag hat laut dem Experten etwa 100.000 Lux. Selbst eine dunkel getönte Sonnenbrille schirme davon nicht alles ab: “Bei hunderttausend Lux kommen dann immer noch 7.000 bis 18.000 Lux raus. Das heißt, da ist immer noch genug Signal da, damit unsere innere Uhr eingestellt wird.“
Die innere Uhr wird also durch eine Sonnenbrille nicht in einem Maß gestört, das biologisch relevant ist. Wer seiner inneren Uhr helfen will, der sollte lieber morgens viel Tageslicht tanken und abends auf helle Lichtquellen wie etwa Bildschirme verzichten.