Österreich hat sich als Standort für mögliche zukünftige Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angeboten. Das teilte Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) am Montag in Wien mit. Anlass war der erste Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Österreich seit Beginn des offenen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022. Vom österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen wurde der ukrainische Präsident in der Wiener Hofburg mit militärischen Ehren begrüßt. Vor fünf Jahren war Selenskyj als Präsident schon einmal in Wien.
Vorgesehen waren außerdem Gespräche Selenskyjs mit Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) und Vizekanzler Babler sowie österreichischen Wirtschaftsvertretern. Anschließend wollte der ukrainische Präsident nach Kanada weiterreisen, um am G-7-Gipfel als Gast teilzunehmen. Seine Ehefrau Olena Selenska wollte an einem Treffen der „First Ladies and Gentlemen“ in der Hofburg auf Einladung der österreichischen Präsidentengattin Doris Schmidauer teilnehmen. Laut der Tageszeitung „Die Presse“ haben unter anderen Suzanne Innes-Stubb (Finnland), Aleš Musar (Slowenien) und Lucrecia Peinado (Guatemala) ihr Kommen zugesagt.
„Bestens geeigneter Austragungsort“
Dass Vizekanzler Babler noch vor Selenskyjs Ankunft mit dem Angebot vorpreschte, Wien als Ort für Friedensgespräche vorzusehen, ist bemerkenswert, vor allem da seine SPÖ noch vor zwei Jahren auf eine ins österreichische Parlament per Video übertragene Rede des ukrainischen Präsidenten kühl reagiert hatte. Die sozialdemokratischen Abgeordneten zogen zwar nicht geschlossen unter Protest aus, wie das die Parlamentarier der rechten FPÖ damals unter Verweis auf Österreichs Neutralität taten. Doch waren die Reihen der schon seinerzeit von Babler geführten SPÖ nur spärlich besetzt.
Jetzt äußerte Babler, Österreich wäre gerade wegen seiner Neutralität „ein bestens geeigneter Austragungsort für Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine“. Eine rechtskonforme Verwendung von eingefrorenem russischen Vermögen zum Wiederaufbau der Ukraine begrüße er, hieß es in einer schriftlichen Mitteilung. Im Zusammenhang mit einer Unterstützung des Wiederaufbaus der Ukraine, der „sozial gerecht und nachhaltig geschehen“ müsse, verwies Babler auf die Notwendigkeit, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken.
Kritisch äußerte sich hingegen der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, Wolfgang Katzian (SPÖ), über eine „zunehmend repressive Linie der ukrainischen Regierung gegenüber unabhängigen, demokratischen Gewerkschaften“.
Die FPÖ bekräftigte ihre Kritik daran, dass Selenskyj in Wien empfangen wurde. Die ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung tue das, „um dem Oberhaupt eines kriegsführenden Staates zu huldigen und damit Österreichs Neutralität einmal mehr zu missachten“, behauptete die FPÖ. Die Partei hatte 2017 mit Russlands Staatspartei ein inzwischen angeblich beendetes Kooperationsabkommen geschlossen.