Was will Netanjahu mit dem Krieg gegen Iran erreichen?

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Manche Zeitungskommentatoren in Israel gerieten ins Schwärmen nach den ersten Tagen des Krieges gegen Iran. Von einem „Teheran-Blitz“ war im Nachrichtenkanal N12 am Montag die Rede, eine Anspielung auf die deutschen Luftangriffe auf London während des Zweiten Weltkriegs. In der Zeitung „Yedioth Ahronoth“ lobte Yoav Zitun, israelische Drohnen könnten über der Hauptstadt Irans ungestört auf die Jagd nach ranghohen Vertretern der Revolutionsgarde und nach mobilen Luftabwehranlagen gehen. Die Armee verkündete am Montag, sie habe ein Drittel der iranischen Raketenabschussanlagen zerstört. Schon zuvor hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sich zufrieden gezeigt mit den Ergebnissen der Angriffe. Israels „wunderbare Kampfpiloten“ befänden sich „über der brennenden Stadt Teheran“, sagte er am Sonntagabend und kündigte an: „Wir sind entschlossen, die Mission zur Beseitigung der doppelten Bedrohung zu erfüllen.“

In solchen Äußerungen könnte sich die gleiche Dynamik zeigen wie in der Frühphase des Gazakriegs im Herbst 2023. In den ersten Wochen nach dem Beginn der israelischen Angriffe, die durch den Überfall der Hamas vom 7. Oktober ausgelöst worden waren, befeuerten unablässige Erfolgsmeldungen der Armee eine euphorische Kriegsstimmung. Diese wich erst später zwei Erkenntnissen: Zum einen, dass die Hamas nicht so leicht zu schlagen war wie gedacht. Zum anderen, dass eine militärische Übermacht Israels nicht automatisch zu einem strategischen Erfolg führt. Immer mehr Fachleute und Politiker kritisierten im Verlauf des Gazakriegs, dass es an einer strategischen Vision mangelte. Droht das im Krieg gegen Iran auch?

„Dies ist eure Chance, euch zu erheben“

Die israelische Führung hatte den Überraschungsangriff in der Nacht zum Freitag damit begründet, dass Israel „um seine Existenz“ kämpfen müsse angesichts einer akuten iranischen Bedrohung. Das Atomprogramm, durch das Iran sich atomar bewaffnen wolle, müsse daher ausgeschaltet werden. Zweitens stellten Irans ballistische Raketen – Schätzungen zufolge etwa 2000 – eine beträchtliche Gefahr dar. Das ist die „doppelte Bedrohung“, auf die Netanjahu verwies. Dagegen gehe man nun vor, sagte er am Freitag – so lange wie nötig.

Schon am Wochenende begannen die Aussagen zu den Zielen des Krieges jedoch schwammiger zu werden. Netanjahu äußerte scharfe und grundsätzliche Kritik am iranischen Regime und kündigte an, Israels Piloten über dem Himmel von Teheran würden „dem Ajatollah-Regime Schläge versetzen, die es sich nicht einmal vorstellen kann“. Dessen Anführer seien schon dabei, die Koffer zu packen, behauptete er. Das mag in den Bereich der Kriegsrhetorik fallen, aber Israels Ministerpräsident wandte sich in einem Video auch direkt an das iranische Volk; das hatte er in den vergangenen Jahren schon mehrmals getan. Darin bekräftigte er, dass die Angriffe darauf abzielten, die Bedrohung durch nukleare und ballistische Raketen zu vereiteln. Netanjahu sagte aber auch, dass Israel dadurch zugleich den Weg für die Freiheit der Iraner ebne. „Die Zeit ist gekommen, dass sich das iranische Volk unter seiner Flagge und seinem historischen Erbe vereint und für seine Freiheit von dem bösen und unterdrückerischen Regime eintritt.“ Dieses Regime sei noch nie so schwach gewesen. „Dies ist eure Chance, euch zu erheben und eurer Stimme Gehör zu verschaffen.“

Außenminister Gideon Saar verneinte einen Tag später in einem Interview mit dem amerikanischen Sender CNN, dass Israel den Sturz der Führung der Islamischen Republik anstrebe. Netanjahu führte indessen am selben Tag gegenüber dem Sender Fox News mit Blick auf den Krieg aus, ein Regimewechsel in Teheran könne „durchaus das Ergebnis sein, da das iranische Regime sehr schwach ist“. Befeuert wurde diese Debatte durch einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters. Die hatte unter Berufung auf zwei amerikanische Regierungsmitarbeiter gemeldet, die israelische Seite habe Donald Trump mitgeteilt , es gebe eine Gelegenheit, Ali Khamenei zu töten, Irans Obersten Führer. Der amerikanische Präsident habe daraufhin ein Veto eingelegt. Solange die Iraner nicht einen Amerikaner getötet hätten, stehe das nicht zur Debatte, wurde einer der Regierungsmitarbeiter zitiert. Netanjahu tat den Bericht in seinem Interview mit Fox News ab, ohne ihn klar zu dementieren.

Die Schutzräume gewähren nur begrenzte Sicherheit

Bislang beschränkt das amerikanische Militär sich offenbar darauf, Israel bei der Abwehr iranischer Gegenangriffe zu unterstützen. In Israel hoffen manche, dass sich das ändert und die USA aktiv in den Krieg eingreifen. Ob auch die Regierung in Jerusalem diese Erwartung hatte, als sie den Krieg begann, wird intensiv diskutiert.

Manche glauben, Netanjahu spekuliere auf einen iranischen Angriff auf eine amerikanische Militärbasis, woraufhin Trump seine Vergeltungsdrohung wahrmachen wird. Die Frage ist auch deswegen von Bedeutung, weil Israel nach Ansicht vieler Fachleute sein Ziel, Irans Atomprogramm zu zerstören, ohne amerikanische Unterstützung nicht erreichen kann. Dabei geht es vor allem um die unterirdische Anlage in Fordow.

Zu der Debatte darüber, ob Israel seine Kriegsziele allein erreichen kann, kommt eine weitere Frage: wie lange der Krieg durchgehalten werden kann. Auch in der Nacht zum Montag gelang es der Luftabwehr nicht, alle Raketen abzufangen, die Iran abgefeuert hatte. Mindestens acht Menschen wurden getötet und mehr als 90 Verletzte in Krankenhäuser gebracht. Dabei zeigte sich, dass auch die Schutzräume, in die Millionen von Israelis sich regelmäßig begeben, nur begrenzte Sicherheit gewähren: Im östlich von Tel Aviv gelegenen Petach Tikwa wurden zwei Menschen bei einem Treffer auf einen Schutzraum getötet.

So nimmt – parallel zur Euphorie über die militärischen Erfolge – in Israel in diesen Tagen auch die Nervosität zu. Viele verlassen die Wohnung nicht mehr. Andere flüchten sich zu Freunden, deren Haus über einen unterirdischen Schutzraum verfügt. Tel Aviv ist teilweise zu einer Geisterstadt geworden. Darunter wird auch Israels Wirtschaft leiden.