Nur auf die gemeinsame Kritik an China ist Verlass

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Dass es auf diesem G-7-Gipfel Überraschungen geben könnte, das war sowohl den kanadischen Gastgebern als auch den Europäern bewusst. Die Erfahrungen aus dem Jahr 2018 haben sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Damals zog der amerikanische Präsident Donald Trump kurz nach der Veröffentlichung des Abschlusskommuniqués seine Zustimmung wieder zurück. Eine Bemerkung des kanadischen Premierministers hatte ihn erzürnt.

In diesem Jahr wurde von vornherein versucht, das Risiko öffentlicher Dissonanzen möglichst gering zu halten. Am Montagabend kanadischer Zeit nahm der Gipfel dennoch eine überraschende Wendung. Trump reiste nach dem Abendessen in Richtung Washington ab. Die Begründung: die heikle Lage im Nahen Osten.

Ob es um den Konflikt zwischen Israel und Iran, schärfere Sanktionen gegen Russland oder die Zölle geht: Wo sich die Gruppe der sieben großen Industrienationen noch einig ist, lässt sich angesichts von Trumps häufigen Positionswechseln nicht mehr so einfach sagen. Das hat Folgen, nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich.

Der Internationale Währungsfonds hat gerade erst mit Verweis auf den Handelskonflikt seine weltweite Wachstumsprognose gesenkt. Nun könnte durch einen eskalierenden Nahostkonflikt ein weiterer Dämpfer hinzukommen. Der Ölpreis ist in Folge des israelischen Angriffs deutlich gestiegen. Sollte Iran die Straße von Hormus als politisches Druckmittel einsetzen, die Schifffahrt dort blockieren, könnte er noch deutlich höher steigen. Steigende Energiepreise sind schlecht für die wirtschaftliche Entwicklung – in Deutschland mit seinem ohnehin schon hohen Preisniveau umso mehr.

Schärfere Sanktionen gegen Russland

Vor Trumps Abreise berieten die sieben Regierungschefs über die Wirtschaftsaussichten und die Probleme in der Versorgung mit Rohstoffen, die durch die jüngsten Exportbeschränkungen Chinas gewachsen sind. Die Kritik an der Handels- aber auch an der Industriepolitik Chinas ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten, auf die in der G-7-Runde derzeit noch Verlass ist. Sie ist das verbindende Element der Gruppe schlechthin.

In den Gesprächen war dem Vernehmen nach auch eine mögliche Erweiterung der G 7 Thema. Trumps Anmerkung vor Sitzungsbeginn, er bedauere den Ausschluss Russlands im Jahr 2014 und könne sich auch eine Aufnahme Chinas vorstellen („keine schlechte Idee“), soll er in der Runde mit den anderen Regierungschefs nicht wiederholt haben. Die Überlegungen kreisen eher um eine Aufnahme demokratischer Industrieländer wie Indien oder Brasilien. Zuletzt vereinte die G-7-Gruppe weniger als die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung auf sich.

Vor einer Erweiterung müsse die Runde aber erstmal „ihr eigenes Haus in Ordnung bringen“, wie es von deutscher Seite hieß, sprich: Der Zollstreit muss beigelegt werden. Die Europäer seien dazu „fest entschlossen“, sagte Merz in Kananaskis. Das Aber fügte er indes auch gleich dazu: „Es wird auf diesem Gipfel keine Lösung geben.“ Eher Schritte dorthin.

Trump hatte zu dem Gipfeltreffen auch seinen Finanzminister Scott Bessent sowie seine handelspolitischen Berater mitgebracht. Der 9. Juli, an dem die von den Amerikanern gesetzte Frist für die Gespräche mit der EU ausläuft, ist nicht mehr weit entfernt.

Trump zu einem Politikwechsel bewegen

Ein weiteres Thema waren schärfere Sanktionen gegen Russland. Die EU-Kommission hat kürzlich ihre Pläne für ein 18. Sanktionspaket vorgestellt. Es sieht unter anderem vor, den Preisdeckel für russische Ölexporte von 60 Dollar je Barrel auf 45 Dollar zu senken. Dies soll Russlands Einnahmen aus dem Ölverkauf verringern. Daneben schwelt die Debatte, ob die von den westlichen Ländern eingefrorenen russischen Vermögenswerte veräußert werden sollten, um die Ukraine finanziell stärker zu unterstützen. Derzeit werden „nur“ die Erträge aus den Vermögen genutzt. Merz sagte, er wünsche sich „sehr“, dass die Vereinigten Staaten ihre Sanktionen verschärften. So oder so: „Die Sanktionen der Europäischen Union sind auf dem Weg und werden beschlossen.“

Und dann gibt es da noch einen weiteren, der noch nicht so sehr im Fokus der öffentlichen Debatte steht: ein möglicher Versuch Chinas, seinen Machtanspruch auf Taiwan militärisch durchzusetzen. Wenn nun neben dem Ukrainekrieg auch noch ein Krieg im Nahen Osten die Aufmerksamkeit der Vereinigten Staaten und der EU beansprucht, könnte die Führung dafür die passende Gelegenheit sehen. Die Militärmanöver Chinas werden in Berlin mit wachsender Sorge beobachtet. Ein Krieg in dieser Weltregion, so die Einschätzung im Regierungsviertel, könnte wirtschaftlich noch gravierendere Folgen haben als Trumps Zollpolitik.

Der Regierung Merz kommen die wachsenden weltpolitische Spannungen denkbar ungelegen. Im Kanzleramt hatte man zuletzt erfreut registriert, dass der erhoffte Stimmungsumschwung in Deutschland – Zielmarke: bis zum Sommer – sich durch die zusätzlichen Schulden für staatliche Investitionen und die verbesserten Abschreibungsbedingungen für private Unternehmen tatsächlich abzeichnete. Wichtige Konjunkturindikatoren haben sich zuletzt verbessert. Ökonomen erwarten für das laufende Jahr zumindest ein Mini-Wachstum, für 2026 wieder eine Eins vor dem Komma. Nun wachsen da wieder Fragezeichen.

Die Hoffnungen ruhen jetzt vor allem darauf, dass wenn schon nicht die G 7, dann doch seine eigenen Leute Trump zu einem Politikwechsel bewegen können, sowohl in seiner Haltung zu Russland als auch zu den Zöllen. Das von dem republikanischen Senator Lindsey Graham vorgeschlagene Sanktionspaket hat diese Hoffnung genährt. Der Gipfel in Kananaskis hat jedoch auch den Eindruck verstärkt, dass bei Trump nur eines sicher ist: dass nichts sicher ist.

Gleich zu Beginn sorgte der amerikanische Präsident Donald Trump für Aufsehen, als er sagte, dass es ein Fehler gewesen sei, Russland aus der Gruppe auszuschließen. Dies war 2014 nach der Annexion der Krim geschehen. Trumps Ansage ist ein Affront gegen die anderen sechs, gegen Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan, die im Vorfeld alles daran gesetzt hatten, eine Sechs zu Eins Konstellation zu verhindern.

Ein klassisches Abschlusskommuniqué zum Beispiel wurde aus Rücksicht auf Trump gar nicht erst angestrebt. Doch auch so ist der Riss im westlichen Staatenbündnis nicht zu übersehen.