Es wird einsam um Khamenei

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Seit Tagen wird die Frage diskutiert, ob Israel in Iran einen Regimewechsel anstrebt. Am Dienstag drohte Verteidigungsminister Israel Katz dem Obersten Führer Ali Khamenei offen mit seinem Sturz. „Er sollte sich daran erinnern, was das Schicksal eines Diktators in einem Nachbarland Irans war, der sich für diesen Weg gegen Israel entschieden hat“, schrieb Katz auf der Plattform X. Der irakische Diktator Saddam Hussein war 2003 nach dem Einmarsch amerikanischer und britischer Truppen gestürzt und später hingerichtet worden.

Am Abend schrieb US-Präsident Donald Trump auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social, man wisse genau, wo Khamenei sich verstecke. Er sei ein leichtes Ziel, aber derzeit sicher. „Wir werden ihn nicht ausschalten, zumindest erstmal nicht.“

Schon jetzt stellt sich die Frage, wie isoliert Khamenei nach der Ermordung zahlreicher Personen aus seinem Führungszirkel ist. Seit Freitag hat er sich nicht mehr zu Wort gemeldet.

Israel tötete am Dienstag nach eigenen Angaben einen weiteren iranischen Militärführer. Als Kommandeur des Zentralkommandos über die Revolutionsgarde und die regulären Streitkräfte sei Generalmajor Ali Schadmani für die operative Kriegsplanung und die Genehmigung von Offensivoperationen zuständig gewesen, hieß es in einer Mitteilung des israe­lischen Militärs.

Der Kommendeur der Revolutionsgarde Hossein Salami wurde durch einen israelischen Angriff in der Nacht auf Freitag getötet.
Der Kommendeur der Revolutionsgarde Hossein Salami wurde durch einen israelischen Angriff in der Nacht auf Freitag getötet.AFP

Er war erst am Freitag ernannt worden, nachdem Israel seinen Vorgänger ausgeschaltet hatte. In der Mitteilung wurde Schadmani als „ranghöchster Militärvertreter und engster Militärberater“ Khameneis beschrieben. Er sei bei einem Angriff auf ein Kommandozen­trum in Teheran getötet worden, hieß es weiter. An der Operation seien der israe­lische Militärgeheimdienst und die Luftwaffe beteiligt gewesen. Eine „plötzliche Gelegenheit“ habe den Schlag ermöglicht.

Gefahr von Fehlkalkulationen „extrem“ erhöht

Schon am ersten Tag der Offensive war es Israel gelungen, die drei obersten Militärführer und insgesamt mindestens 13 wichtige Kommandeure zu töten. In den ersten Stunden der Verwirrung schien es, als könnte die Kommandokette dadurch geschwächt worden sein. Noch am selben Tag begann Iran aber mit Vergeltungsschlägen auf Israel. Ein iranischer Regierungsmitarbeiter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Tötung der engsten Berater Khameneis habe die Gefahr von Fehlkalkulationen im militärischen Vorgehen und bei Fragen der inneren Sicherheit „extrem“ erhöht.

Ein Ziel dürfte gewesen sein, die Regimekräfte zu demoralisieren. Wie tief der israelische Geheim­dienst Mossad den iranischen Si­cherheits­ap­parat unterwandert hat, zeigte am Dienstag auch eine Anordnung des iranischen Cybersicherheitskommandos. Es untersagte allen Offiziellen und ihren Personenschützern die Nutzung von Kommunikationsgeräten, die mit dem öffent­lichen Netz verbunden sind, wie die Nachrichtenagentur Fars meldete.

Ein anderer, bereits für tot erklärter Berater Khameneis ist nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna derweil noch am Leben: Ali Schamkhani war Khameneis engster Berater für die Atomverhandlungen mit den Vereinigten Staaten. Irna meldete unter Berufung auf Mediziner, sein Zustand sei „relativ stabil“, sein linkes Bein habe aber amputiert werden müssen, und er habe schwere innere Verletzungen erlitten. Israel hatte den früheren Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats in der Nacht zum Freitag in seiner Wohnung attackiert.

Angriff auf Irans Propagandasender

Beide Seiten setzten ihre Militärschläge am Dienstag fort, wobei Iran die Zahl der eingesetzten Raketen in den vergangenen Tagen reduziert hat. Ein möglicher Grund ist die von Israel reklamierte Zerstörung eines Drittels der Raketenabschussanlagen. In Iran wurden unter anderem Explosionen aus Teheran und aus Täbris gemeldet, wo die Luftwaffe einen Stützpunkt unterhält.

Israels Verteidigungsminister Katz bestätigte am Montagabend, dass die Luftwaffe die iranische Staatsrundfunkanstalt IRIB angegriffen habe. Sie sei „für Propaganda und Hetze zuständig“, schrieb er auf X. Die meisten Mitarbeiter des Senders hatten das Hauptstadtstudio in Te­heran zum Zeitpunkt des Angriffs schon verlassen. Die Journalisten und Techniker waren, ebenso wie viele Bewohner, der Evakuierungswarnung des israelischen Militärs für den dritten von 22 Teheraner Bezirken gefolgt. Sie hätten das Gebäude etwa 50 Minuten vor den Einschlägen verlassen, berichtet ein früherer Mitarbeiter des Senders. IRIB selbst hatte über die Evakuierungswarnung nicht berichtet.

Ein Großteil der iranischen Bevölkerung folgt dem Propagandasender aber ohnehin nicht. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna wurden ein Nachrichtenredakteur und ein Mitarbeiter der Sendeleitung getötet. Die Ansagerin Sahar Emami, die während des Angriffs auf Sendung war und das Studio fluchtartig verlassen, später aber weitermoderiert hatte, wurde vom Regime zur Heldin deklariert. Das Büro des Obersten Führers pries sie auf X für ihren „Mut und Widerstand“. Inzwischen berichtet der Sender aus einem improvisierten Studio von einem geheimen Ort aus.

In der iranischen Bevölkerung wächst derweil die Angst, dass die Jagd auf mutmaßliche israelische Spione auch Unbeteiligte treffen könnte, etwa wenn sie Orte fotografieren, die vom israelischen Militär getroffen wurden, oder wenn sie mit Verwandten im Ausland kommunizieren. Die Internetkommunikation wurde am Dienstag noch stärker gedrosselt als schon in den Tagen zuvor. Die Mieten für Wohnungen außerhalb Teherans, in die die Bewohner der Hauptstadt sich flüchten könnten, stiegen stark an.

Der Schwarzmarkt für Benzin scheint dem Vernehmen nach zu blühen, da an Tankstellen nur noch rationierte Mengen ausgegeben werden, was eine Flucht erschwert. Zusätzlich erschwert wurde der Zugang zu Benzin laut der Agentur Fars durch einen Cyberangriff auf die Sepah-Bank, die bei der Bezahlung an Tankstellen eine Rolle spielt. In sozialen Netzwerken reagierten unterdessen viele Exiliraner ungläubig und wütend auf den Aufruf des ameri­kanischen Präsidenten Donald Trump an die knapp zehn Millionen Teheraner, die Stadt zu verlassen.