Mit einem vereinfachten Regelwerk für die Beschaffung von Rüstungsgütern und einer generell verstärkten Förderung der Rüstungsindustrie will die EU-Kommission sicherstellen, dass die Branche künftig mehr produziert und die Mitgliedstaaten zugleich ihre Verteidigungsfähigkeit verbessern. Das geht aus einem Paket von Vorschlägen hervor, das die EU-Kommissare für „Vereinfachung“, Valdis Dombrovskis, und für Verteidigung, Andrius Kubilius, am Dienstag in Straßburg vorgestellt haben. Dombrovskis sagte, die Vorschläge ergänzten die von der EU schon beschlossenen höheren Rüstungsinvestitionen. „Wir müssen nicht nur mehr investieren, sondern auch dafür sorgen, dass wir für das mehr Investierte mehr bekommen“, betonte der Lette.
Die Vorschläge sind als „Omnibus“ angelegt. Das ist die Kommissionsbezeichnung für alle Initiativen, die dem Bürokratieabbau in der EU und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dienen sollen. Die Grundidee des Pakets besteht darin, die bürokratische Last für die Rüstungsindustrie generell zu senken. Speziell soll in der Verordnung über die EU-Verteidigungsagentur (European Defence Agency, EDA), die europäische Beschaffungsvorhaben bisher koordiniert, die Genehmigungsdauer für Rüstungsprojekte, die derzeit gelegentlich vier bis fünf Jahre beträgt, auf 60 Tage gesenkt werden. Außerdem will die Kommission die Kriterien für die Auswahl einzelner Unternehmen für Rüstungsprojekte lockern. Auch ukrainische Hersteller sollen sich mit ihren Vorhaben bewerben können.
Kommission erleichtert Fusionen von Rüstungsunternehmen und staatliche Investitionen
Konkret will die Kommission die Verteidigungsbranche vor allem von drei bestehenden EU-Regulierungen ausnehmen, die nicht nur die Rüstungswirtschaft, sondern die ganze Industrie als bürokratisch kritisieren. Das gilt etwa für die Chemikalienverordnung REACH, die Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender für ihre Produkte zur Verantwortung zieht. Diese müssen sicherstellen, dass Chemikalien, die sie herstellen und in Verkehr bringen, sicher verwendet werden. Davon will die Kommission jetzt für Rüstungsunternehmen eine Ausnahme zulassen: Die Mitgliedstaaten sollen ermächtigt werden, die REACH-Verpflichtungen in „Verteidigungs-Lieferketten“ für ihre Unternehmen zu lockern.
Gelockert werden sollen ferner die Finanzmarktvorschriften zu nachhaltigen Investitionen, etwa die Finanzmarkttaxonomie. In ihr sind bislang nur ganz eng definierte Rüstungsgüter als nachhaltig ausgewiesen. Diese Taxonomie will die Kommission ebenfalls lockern. Profitieren sollen Unternehmen außerdem von aufgeweichten Wettbewerbsregeln. So soll künftig „Verteidigungsbereitschaft“ als neuer Ausnahmetatbestand in die Fusionskontrollverordnung aufgenommen werden. Zusammenschlüsse von Rüstungsunternehmen, die sich mit diesem Kriterium begründen lassen, sollen also erleichtert werden.
Ferner sollen „staatliche Investitionen in das Wachstum der Rüstungsindustrie“ mit den EU-Beihilferegeln in Einklang gebracht werden. Damit ist offenbar auch gemeint, dass der Staat Rüstungsunternehmen teils oder ganz verstaatlichen können soll. Schließlich will die Kommission staatliche Rüstungsinvestitionen in Einklang bringen mit den Kriterien, die eine EU-Förderung über den Corona-Wiederaufbaufonds erlauben.
Auch andere EU-Quellen, etwa Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB), will die Kommission der Branche einfacher zugänglich machen. „All diese Änderungen haben das Ziel, dass Europas Rüstungsindustrie schnell und in großen Stückzahlen liefern kann“, heißt es in einer Mitteilung der Behörde.
Die Vorschläge bauen auf einem Weißbuch der Kommission vom März auf, das die Mitgliedstaaten im Grundsatz gebilligt haben. Schon beschlossen ist das Rüstungsprogramm SAFE über 150 Milliarden Euro. Darin ist vorgesehen, dass die Kommission Mittel an den Finanzmärkten aufnimmt und diese als Kredite für Rüstungszwecke an die Mitgliedstaaten weiterreicht. Dieses Geld ist für gemeinsame Beschaffungen vorgesehen. Das jetzt vorgeschlagene Regelwerk setzt den Rahmen zur Verwendung dieser Mittel, erleichtert zugleich aber auch den Einsatz von vorhandenem Geld aus dem EU-Budget oder von bestehenden Institutionen wie der EIB.
Das Paket muss zu einem größeren Teil den normalen Gesetzgebungsprozess der EU durchlaufen, also vom Parlament und den Mitgliedstaaten noch gebilligt werden. Die Kommission hofft jedoch auf einen relativ zügigen Abschluss der Beratungen bis zum Jahresende.