Wettbewerb mit Waymo und Tesla

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In den Hamburger Stadtteilen nordöstlich der Alster gehören sie fast schon zum Straßenbild: sanft surrende, schwarz-gelbe Elektro-Bullis von Volkswagen , die autonom durch Wandsbek, Winterhude und Uhlenhorst rollen. Eine Flotte von drei Dutzend selbstfahrenden „ID Buzz“ ist dort unterwegs, noch immer mit Sicherheitsfahrern auf den Vordersitzen, für alle Fälle, wenn die Technik mal schwächelt. VW schickt hier seine Robotaxis auf Probefahrt. Das Testfeld ist überschaubar, und noch steigen keine normalen Fahrgäste ein. Doch die Wolfsburger wissen: Im Rennen um das autonome Fahren zählt jetzt jeder Tag. Passend zum Weltkongress der Mobilität, der gerade in Hamburg gastiert, setzen die Elektrobusse deshalb auch außerhalb ihres Stammgebiets zu einer Art Stadtrundfahrt an. Mit interessiertem Fachpublikum stoßen sie in den Trubel rund um die Reeperbahn vor.

VW hat in Hamburg nun den nächsten Schritt angekündigt, um auf dem erwarteten Milliardenmarkt für Robotaxis mitspielen zu können. Bislang stellt der Konzern seine selbstfahrenden E-Bullis in kleiner Stückzahl her. Obwohl die Entwicklung noch in vollem Gange ist, fühlt sich das Management jetzt sicher genug, um eine Serienproduktion anzukündigen. Sie soll Ende kommenden Jahres beginnen und den Konzern in die Lage ver­setzen, schnell größere Mengen von Fahrzeugen an Städte, Gemeinden und Flottenbetreiber rund um die Welt zu liefern. VW positioniere sich „in der Spitzengruppe eines milliardenschweren globalen Wachs­tumsmarkts“, sagte Konzernchef Oliver Blume am Dienstag­abend in Hamburg. Er sprach von einem „Meilenstein auf dem Weg zum globalen Technologie-Treiber“.

VW liefert Robotaxis an Uber

Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden nach Schätzung von VW in Europa und Amerika so viele selbstfahrende Sammeltaxis und andere Rufdienste für autonome Mobilität auf der Straße fahren, wodurch der Markt praktisch aus dem Nichts auf ein Volumen von 350 bis 450 Milliarden Euro anwächst. China ist in dieser Rechnung bewusst ausgeklammert. Denn im dortigen Verdrängungswettkampf der Autobranche werden ausländische Robotaxi-Anbieter nur schwer einen Fuß auf den Boden bekommen.

Im Rest der Welt sieht VW eigenen Worten zufolge aber Chancen – zumindest als reiner Fahrzeuglieferant. Ursprünglich wollten die Wolfsburger ganze Sammel­taxi-Dienste mitsamt dem Fahrgastgeschäft auf eigene Faust betreiben. Doch dieses Geschäftsmodell bleibt wohl im We­sentlichen auf Hamburg und München beschränkt, wo der konzerneigene Fahrdienst Moia zu einer Art Schaufenster für die Technologie werden soll. Jetzt freut sich das Management über den ersten Großabnehmer, der autonome ID-Buzz-Modelle in seiner eigenen Flotte einsetzen will. Wie kürzlich bekannt wurde, liefert VW über die nächsten zehn Jahre im Rahmen einer Partnerschaft mehrere Tausend selbstfahrende Fahrzeuge an den amerikanischen Fahrdienstvermittler Uber.

Robuster Wettbewerb um Flottenkunden

Auf dem Kongress der „Union Inter­nationale des Transports Publics“, kurz UITP, einem internationalen Verband für öffentlichen Personenverkehr, hat VW am Dienstag in Hamburg sein Serienmodell gezeigt. Es ist etwas länger als die Test­modelle und bietet Platz für vier Fahrgäste, die auf der rechten Seite des Fahrzeugs über eine Schiebetür ein- und aussteigen sollen. Die Sitze sind grau und funktional, der Boden soll mit Holzimitat eine gewisse Wohnlichkeit ausstrahlen. Der nach vorn geklappte Fahrersitz bleibt leer und dient nur der Sicherheit, etwa wenn ein Fehler das System lahmlegt und doch einmal „echte“ Mitarbeiter anrücken müssen, um den Kleinbus manuell von der Straße zu manövrieren.

Von 2026 an will VW das Fahrzeug in Hannover in Serie bauen. Das zusammen mit dem israelischen Unternehmen Mobil­eye entwickelte System für die autonome Steuerung soll dann auch dazu beitragen, früher oder später selbstfahrende Privatautos anbieten zu können. Doch bis die Kosten der Systeme so weit sinken, dass sie sich für jedermann lohnen, werden noch viele Jahre ins Land gehen.

Testfahrt auf der Straße: In Hamburg sind Robotaxis schon unterwegs. Die Serienversion soll etwas länger sein.
Testfahrt auf der Straße: In Hamburg sind Robotaxis schon unterwegs. Die Serienversion soll etwas länger sein.Moia

Im Markt für Robotaxis zeichnet sich schon jetzt robuster Wettbewerb ab. Ge­rade erst hat Tesla -Chef Elon Musk angekündigt, in wenigen Tagen erste Robotaxis einsetzen zu wollen. Den Auftakt für sein Angebot plant er in Austin, Texas, wo auch VW schon heute mit einer Flotte auto­nomer Testwagen unterwegs ist, vergleichbar mit dem Entwicklungsprojekt in Hamburg. Besonders weit ist der amerikanische Anbieter Waymo gekommen, eine Tochtergesellschaft des Google-Konzerns Alphabet. Auch die Chinesen treiben im großen Stil Entwicklungsprojekte voran und nehmen offenbar zunehmend auch Europa als Markt ins Visier. Ein Entwickler von Moia berichtet gegenüber der F.A.Z., dass schon kräftiger Preisdruck zu spüren ist, weil potentielle Flottenkunden verschiedene Angebote gegeneinander abwägen. Als besonders leistungsfähige Anbieter aus der Volksrepublik gelten etwa die Start-ups Pony.AI und We Ride sowie Baidu, das chinesische Pendant zu Google.

Gegenüber den Anbietern aus China und Amerika hat nicht nur VW, sondern ganz Europa einen ordentlichen Rückstand. Während internationale Rivalen in der Entwicklung von Fahrassistenzsystemen oft größere Risiken eingehen, wollen VW und Co die Sicherheit an erste Stelle stellen – um den Preis, das alles länger dauert und teurer wird. Ganze 13 Kameras, neun Laserscanner – sogenannte Lidare – und fünf Radare stecken unter dem geschwungenen Dachaufbau des autonomen ID Buzz, ein aufwendiges und teures System. Was genau die damit ausgestatten Fahrzeuge kosten sollen, sagt der Konzern nicht. Aber klar ist, dass Chinesen und Amerikaner oft günstiger sein werden. Allen voran Tesla: Das US-Unternehmen will nur auf Kameras setzen und auf die kostspieligen Lasergeräte ganz verzichten.

VW gibt sich trotzdem zuversichtlich, vor allem für den Markt in Europa. Hier genieße man als heimischer Anbieter Vertrauen und kenne sich mit der Regulierung aus, sagt Christian Senger, der im Konzern die Einheit „Volkswagen Autonomous Mobility“ führt. Zudem glaubt er, dass Flottenkunden nicht so sehr auf den reinen Fahrzeugpreis schauen werden. Der sei fast zu vernachlässigen, wenn der größte Kostenblock für die Betreiber von Fahrdiensten wegfällt, die Kosten der Fahrer. Mehr als 10.000 autonome ID Buzz, so schätzt Senger, werden bis zum Jahr 2029 in Hannover produziert werden. Das ist im Vergleich zur Serienproduktion konventioneller Autos keine große Stückzahl, aber aus seiner Sicht ein guter Ausgangspunkt für weiteres Wachstum. Kommendes Jahr will Moia beim Kraftfahrt-Bundesamt beantragen, dass die Autos oh­ne Sicherheitsfahrer fahren dürfen. Spätestens 2027 soll es dann in Hamburg so weit sein.