Sichtungen von Spionagedrohnen über Bundeswehrstandorten sorgen für Unsicherheit. Start-ups und Forschungseinrichtungen entwickeln Techniken zur Abwehr – mit Fangnetzen, Funkstörgeräte oder Mikrowellen-Kanonen.
Ein Flugfeld nahe dem Bundeswehrstandort Rotenburg, östlich von Bremen. Eine Drohne mit einer Spannweite von gut einem Meter startet mit lautem Brummen. Die Drohne nimmt die Verfolgung einer kleineren Drohne auf, die das Team des Unternehmens Argus Interception um Geschäftsführer Sven Steingräber zuvor hat aufsteigen lassen.
Die kleine Drohne soll eine Spionagedrohne simulieren, erklärt Steingräber. “Ziel soll es sein, heute diese Drohne einzufangen, zu tragen, abzutransportieren und wieder sicher ablegen zu können.” Und zwar mit der großen Drohne – einer Abfangdrohne, die das Team jahrelang entwickelt hat. Sie soll feindliche, kleine Drohnen autonom verfolgen und mit einem Netz einfangen können.
Das klingt nach James Bond, aber das Argus-Interception-Team ist überzeugt, dass die Demonstration klappt – und dass kreative Lösungen angesichts dieser neuen Bedrohung aus der Luft nötig sind.
Unbekannte Drohnen über Bundeswehrstützpunkten
Anfang des Jahres meldete die Bundeswehr die Sichtung unbekannter Drohnen über mehreren ihrer Standorte, darunter der Militärflughafen Manching bei Ingolstadt und der Standort Schwesing in Schleswig-Holstein, an dem ukrainische Soldaten mit dem “Patriot”-Flugabwehrsystem ausgebildet werden.
Der von Experten geäußerte Verdacht: Russische Geheimdienste könnten hinter den Vorfällen stecken. Die Abwehrbilanz ist ernüchternd, keine Drohne konnte von der Bundeswehr abgefangen werden. Und diese Sichtungen, so räumt die Bundeswehr ein, sind nur Teil von mehreren Hundert Vorfällen der letzten Jahre, bei denen angeblich nur eine Drohne abgefangen werden konnte.
Autonome Drohnen entziehen sich der Abwehr
Aktuell setzen Polizei und Bundeswehr auf sogenannte Jammer – Geräte, die die Funkverbindung zwischen Drohne und Operator stören. Doch das reicht bei militärischen Spionagedrohnen nicht aus. Sie können auch autonom fliegen und brauchen keinen Funkkontakt.
Der Ingenieurswissenschaftler Gerd Scholl von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg erklärt: “Diese Drohnen bringen ihre eigene Karte mit, sie navigieren selbstständig und wählen ihre Ziele mit künstlicher Intelligenz gestützt aus. Mit Jamming hat man da nicht viele Chancen.”
Drohnen mit Mikrowellen zum Absturz bringen
Eine andere Methode testet Marian Lanzrath, Wissenschaftler der Elektrotechnik, vom Fraunhofer-Institut INT in Euskirchen: Hochleistungsmikrowellen. Seine Anlage funktioniert nach demselben Prinzip wie die Küchengeräte, ist aber deutlich größer und hat das hundertfache an Leistung.
Die elektromagnetischen Wellen greifen demnach die Elektronik von Drohnen an und bringen sie so zum Absturz. “Wir hatten von abbrennenden Akkus bis hin zu zerstörten Rotoren oder Rotormotoren alles, das komplette Spektrum, was beschädigt werden kann”, berichtet Lanzrath von den Ergebnissen seiner Beschussversuche. Er verweist darauf, dass beispielsweise das US-Militär bereits Prototypen von Mikrowellen-Kanonen besitze.
Doch die Technik hat einen Haken: Die Mikrowellen werden zwar über eine Antenne auf das Ziel gerichtet, können aber dennoch darüber hinausschießen oder streuen und so auch eigene Elektronik beschädigen.
Radar, Lidar und KI-gestützter Kamera
Das Team von Argus Interception will mit seiner Abfangdrohne solche Kollateralschäden vermeiden. Bei seiner Vorführung demonstriert das Entwicklerteam, wie einfach das Einfangen einer Drohne funktioniert. Ihre Drohne verfolgte die Spionagedrohne mithilfe eines eingebauten Radars, einem Lidar – also Laser-Scanner -, und einer KI-gestützten Kamera. Diese Sensorik ermöglicht es der Abfangdrohne, eine angreifende Drohne zu erkennen, von anderen Flugobjekten zu unterscheiden und automatisch verfolgen zu können. Das soll bis zu einem Tempo von 100 Kilometern pro Stunde funktionieren.
Spionagedrohne wird mit Netz eingefangen und abtransportiert
Ein Mausklick eines Mitarbeiters von Steingräber in der speziellen Drohnen-Software genügt und die Abfangdrohne nähert sich automatisch der Spionagedrohne bis auf wenige Meter. Dann feuert sie selbstständig per Druckluft ein vier Meter langes und breites Fangnetz darauf. Die Spionagedrohne verfängt sich darin, ihre Rotoren stoppen augenblicklich und sie plumpst in das an der Abfangdrohne hängende Netz. Dabei fallen keine Trümmerteile auf den Boden.
Die feindliche Drohne kann zudem im Netz hängend zu einem sicheren Abladeplatz transportiert werden, falls beispielsweise die Gefahr besteht, dass sie Sprengstoff geladen hat.
Drohnenabwehr – komplex und teuer
So beeindruckend die Technologie ist – sie hat ihren Preis. Allein eine Abfangdrohne kostet einen sechsstelligen Betrag. Hinzu kommen geschultes Personal und Boden-Radar. Denn damit eine Abwehrmaßnahme greifen kann – sei es eine Abfangdrohne oder ein Jammer – muss die Angreiferdrohne erst einmal erkannt werden. Dazu sind beispielsweise ein feinauflösendes Radar oder optische Erfassungssysteme nötig.
All das müsste an jedem Standort von der sogenannten kritischen Infrastruktur stationiert sein. Das zeigt: Eine effektive Drohnenabwehr wird aufwendig und teuer.