Höhepunkt der CO2-Emissionen noch nicht erreicht

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Stand: 19.06.2025 10:25 Uhr

Während Delegierte aus aller Welt in Bonn die nächste Klimakonferenz vorbereiten, offenbart ein neuer Bericht die fragile Lage des Weltklimas. Die Forderungen nach einem Umsteuern werden immer lauter.

Von Janina Schreiber, SWR

Wenn die Menschheit die Klimaerwärmung begrenzen will, liegt die Lösung eigentlich auf der Hand: Die Treibhausgase müssen so schnell wie möglich auf Null. Das bedeutet, sie sollten sich eigentlich schon heute im Sinkflug befinden. Doch ein nun veröffentlichter Bericht zeigt das Gegenteil: Wir haben den Höhepunkt der globalen Treibhausgasemissionen immer noch nicht erreicht.

Wissenschaftler William F. Lamb bereitet das Sorge. Er forscht am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Zusammen mit einem internationalen Team hat er im Rahmen der Bonner Zwischenverhandlungen zur UN-Klimakonferenz den Bericht “Indicators of Global Climate Change” vorgestellt.

Der Bericht sei eine Art Update der Sachstandsberichte des Weltklimarates (IPCC), die in regelmäßigen Abständen beschreiben, wie weit die Klimaerwärmung bereits fortgeschritten ist, erklärt Lamb: “Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich der Klimawandel vollzieht, halten wir es für sehr wichtig, regelmäßigere jährliche Aktualisierungen zu liefern.” Viele der mehr als 60 Autorinnen und Autoren seien ehemalige, früher am IPCC beteiligte Personen. Das Update verwendet dementsprechend die gleiche Methodik und betrachtet unter anderem auch den Anstieg des Meeresspiegels oder den globalen Landniederschlag.

Wie stabil ist unser Weltklima?

Ein anderer Indikator des Berichts, der EEI (Earth Energy Imbalance) beschreibt, wie stabil das Weltklima ist. Es ist die Differenz zwischen der Energie, die die Erde von der Sonne aufnimmt, und der Energie, die sie wieder ins Weltall abstrahlt. Seit 2019 haben die Menschen die Atmosphäre immer weiter angereichert mit Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas.

Gar nicht gut, sagt Emissionsforscher Lamb: “Wenn politisch Entscheidungsträger glaubhaft zeigen wollen, dass sie den Temperaturanstieg auf weniger als 1,5 Grad begrenzen wollen, dann müssen die Emissionen so schnell wie möglich zurückgehen, am besten noch dieses oder nächstes Jahr.”

Denn die höhere Treibhausgas-Konzentration bleibt nicht ohne Folgen: Zwischen 2015 und 2024 betrug die durchschnittliche globale Erderhitzung 1,24 Grad. Davon ist fast der komplette Anteil, nämlich 1,22 Grad Erwärmung, menschlichen Aktivitäten zuzuschreiben, hauptsächlich durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Der menschliche Anteil ist damit so groß wie nie zuvor.

Globales CO2-Budget könnte bald aufgebraucht sein

Besonders dramatisch: Wenn wir so weitermachen wie bisher, könnte das verbleibende Emissionsbudget für eine globale Erwärmung von 1,5 Grad bald aufgebraucht sein – womöglich schon in etwas mehr als drei Jahren. Das ist schneller als bislang angenommen.

Das verbleibende Budget liegt danach bei 130 Gigatonnen CO2. Angenommen, die Welt bleibt beim aktuellen Trend, 40 Gigatonnen CO2 pro Jahr auszustoßen, wäre das Budget rechnerisch in den kommenden drei bis vier Jahren aufgebraucht, so Lamb. Wegen Unsicherheiten gehen die Autoren von bis zu fünf Jahren aus.

Was ist das CO2-Budget?

Das CO2-Budget ist die Menge an CO2-Emissionen, die die Menschheit noch ausstoßen darf, um mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit unter einer Erwärmung von 1,5-Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu bleiben. Das verbleibende Budget kann man sich vorstellen wie ein Konto. Jeder Ausstoß von Kohlendioxid belastet es. Ist das Budget aufgebraucht, steigt das Risiko, dass sich unsere Erde starker erwärmt, als im Pariser Abkommen vereinbart. Im Moment stößt die Menschheit weltweit rund 40 Gigatonnen CO2 aus – Jahr für Jahr.

Paris-Abkommen damit noch nicht verfehlt

Auch der “UN Emissions Gap Report”, der während der letzten Klimakonferenz in Baku veröffentlich wurde, hatte die Chancen, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, als “virtually zero” bezeichnet. Dennoch, sagt Lamb: Der Bericht bedeute nicht automatisch, dass das 1,5-Grad-Limit aus dem Pariser Abkommen verfehlt werde. Dazu müssten die globalen Durchschnittstemperaturen dieses über mehrere Jahrzehnte hinweg überschreiten.

Allerdings wird es immer schwieriger, die 1,5 Grad noch zu halten, je länger wir die Emissionen nicht reduzieren: “Der Klimawandel und seine Auswirkungen werden immer schlimmer. Ich kann nur hoffen, dass dies den Beratungen mehr Gewicht verleiht.”

“Aus für Fossile”: Bisher nur in zehn Klimaplänen

Bei den UN-Zwischenverhandlungen in Bonn soll ein Fokus auch auf den Nationalen Klimaplänen (NDCs) der Länder liegen. In diesen soll der Weg beschrieben werden, wie sie bis 2035 Klimaschutz betreiben wollen. Die Frist, diese beim UN-Klimasekretariat einzureichen, lief bereits im Februar ab.

Zum Beginn der Bonner Konferenz hatte Bundesumweltminister Carsten Schneider das Ziel formuliert, dass die EU ihren Plan bis September vorlegen will. Der in Bonn vorgestellte Climate Action Tracker (CAT) analysiert allerdings, die NDCs der Staaten seien wenig ehrgeizig. Die Länder setzen demzufolge auf fragwürdige CO2-Zertifikate, um ihre Emissionen zu reduzieren. Wenn diese weltweit aber bis 2030 nicht drastisch sinken, so die CAT-Experten, sei ein Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze mindestens für einige Jahrzehnte wahrscheinlich – mit dramatischen Folgen für Mensch und Ökosysteme.

Eine Analyse der Thinktanks E3G und Zero Carbon Analytics findet nur in zehn von 22 eingereichten NDCs ein Aus für fossile Energien.

Emissionsreduktion: Raus aus Fossilen, rein in Erneuerbare

Dabei sei genau das Teil der Lösung, sagt Emissionsforscher Lamb. Ein Blick nach Deutschland zeigt: Hier sind die Treibhausgasemissionen seit 1990 rückläufig – wenn auch nach wie vor auch hohem Niveau.

Ein Großteil dieses Rücklaufs ist laut Lamb auf zwei Trends zurückzuführen: zum einen die Bemühungen um einen Ausstieg aus der Kohleverstromung, zum anderen auf immer mehr erneuerbare Formen der Energieerzeugung, wie Photovoltaik und Windenergie.