Schläge gegen den Kopf der Schlange

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Erst am Mittwoch war ein Teil des Soroka-Krankenhauses im Süden Israels wegen des Krieges vorsorglich geräumt worden – diese Entscheidung dürfte am Donnerstagmorgen zahlreichen Menschen das Leben gerettet haben. Gegen 7 Uhr war eine massive Raketensalve aus Iran abgefeuert worden. Einige der Geschosse über­wanden Israels Raketenabwehrschild. Sie schlugen unter anderem in Tel Aviv ein – und in dem Krankenhaus in der Stadt Beerscheba. Landesweit trugen in Israel etwa 270 Menschen Verwundungen davon, vier von ihnen schwere.

Das Soroka-Krankenhaus, das die Bevölkerung der Negev-Wüste versorgt, trug beträchtliche Schäden davon. Die Patienten, die sich in geschützten Be­reichen aufgehalten hatten, sollten in andere Einrichtungen verlegt werden. Der Leiter, Shlomi Kodesh, rief die Bevölkerung im Süden Israels dazu auf, nicht ins Krankenhaus zu kommen; nur Notfälle könnten noch behandelt werden.

Israelische Politiker verurteilten den Angriff vehement. Präsident Izchak Herzog sagte am Einschlagsort, er denke an die Patienten, die von einer „bösartigen iranischen Rakete“ ins Visier genommen worden seien. „Wir müssen diese Realität ändern, und das bedeutet, dem Kopf der Schlange in Teheran einen schweren Schlag zu versetzen“, sagte Herzog. Verteidigungsminister Israel Katz sprach von „Kriegsverbrechen schwerster Art“ und drohte dem iranischen Führer Ali Khamenei, er werde zur Rechenschaft ge­zogen werden. Gemeinsam mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe er die Armee angewiesen, „die Intensität der Angriffe auf strategische Ziele in Iran und auf Regierungsziele in Teheran zu erhöhen“, teilte Katz mit. Später sagte er, Khamenei „darf nicht erlaubt werden, weiter zu existieren“.

Technologiepark als Hauptziel des Angriffs?

Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna behauptete, Hauptziel des Angriffs sei ein nahe gelegener Technologiepark gewesen, den Israels Armee nutze. Die Websites von Irna und anderen Agenturen waren am Donnerstag nicht zugänglich. Die Internetorganisation Netblocks teilte mit, Irans Behörden hätten das Internet im ganzen Land seit Mittwochabend abgeschaltet. Zuvor hatte die iranische Cyberbehörde behauptet, Israel nutze die Daten von sozialen Netzwerken wie Whatsapp zu militärischen Zwecken. Die Blockade erschwert der Bevölkerung den Zugang zu lebenswichtigen Informationen wie Evakuierungsaufrufen des israelischen Militärs.

Eine weitere solche Aufforderung hatte die israelische Armee mitten in der Nacht zum Donnerstag veröffentlicht. Sie galt für ein Gebiet im Bezirk Khondab. Kurz darauf griffen israelische Kampfflugzeuge den dort gelegenen Schwerwasser-Forschungsreaktor an. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bestätigte, dass die im Bau befindliche Anlage (die wie der Bezirk zuvor den Namen der nahe gelegenen Stadt Arak trug) getroffen worden sei. Sie sei nicht in Betrieb gewesen und habe kein nukleares Material enthalten, teilte die Wiener Agentur mit. Information über Schäden an der Schwerwasserfabrik lägen nicht vor. Das israelische Militär begründete den Angriff damit, dass die Anlage mit dem Ziel konzipiert worden sei, waffenfähiges Plutonium herzustellen.

Trümmer in Ramat Gan nahe Tel Aviv am Donnerstag nach dem iranischen Raketeneinschlag
Trümmer in Ramat Gan nahe Tel Aviv am Donnerstag nach dem iranischen RaketeneinschlagReuters

Auch in Natans griff die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben ein weiteres Mal Ziele an, die im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm stehen. Iran reichte eine Beschwerde bei der IAEA ein. Israel verletze internationales Recht und attackiere zivile Einrichtungen, hieß es darin. Auch die Angriffe auf die iranischen Luftverteidigungssysteme und auf Raketenabschussanlagen hielten an. Inzwischen seien zwei Drittel der Abschussanlagen für ballistische Raketen zerstört worden, über die Iran verfüge, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen Mitarbeiter des israelischen Militärs.

Hizbullah deutet Kampfbereitschaft an

Iranische Staatsmedien bestätigten ei­nen Angriff auf Gebäude im Umkreis des nationalen Hauptquartiers der Polizei am Mittwoch in Teheran. Dabei seien mehrere Personen verletzt worden. Das Land veröffentlicht seit dem Beginn des Krieges am vergangenen Freitag nur sporadisch Zahlen von Toten und Verletzten. Israels Verteidigungsminister Katz hatte zuvor verkündet, das Hauptquartier des „zentralen Arms der Repression des iranischen Diktators“ sei zerstört worden. Er kündigte weitere Angriffe auf „Machtsymbole“ des Teheraner Regimes an. „Ein Tornado zieht über Teheran hinweg“, schrieb Katz auf der Plattform X mit Blick auf die israelischen Angriffe und die aus der Hauptstadt fliehenden Bewohner und fügte hinzu: „So brechen Diktaturen zusammen.“

In Israel hielt gleichwohl die Diskussion über die Kriegsstrategie an. Sie kreist vor allem um die Frage, ob die Vereinigten Staaten in den Krieg eintreten. Die Einschätzung von israelischer Seite laute, dass dies geschehen werde, hieß es am Donnerstag in israelischen Medienberichten. Ali Khamenei drohte den USA im Falle eines Kriegseintritts mit „irre­parablen Schäden“. In einer am Mittwoch ausgestrahlten Videobotschaft wies Irans Oberster Führer die Aufforderung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump zur „bedingungslosen Kapitulation“ zurück. „Die iranische Nation lässt sich nicht unterwerfen“, sagte er. Iran werde sich weder einen „aufgezwungenen Krieg“ noch einem „aufgezwungenen Frieden“ beugen.

Die libanesische Hizbullah, die bis zum Herbst das schlagkräftigste Instrument Irans in der Region war, deutete zum ersten Mal an, sie könnte ins Kampfgeschehen eingreifen. Sollte Khamenei Schaden zugefügt werden, hätte das „desaströse Konsequenzen“, hieß es in einer Mitteilung mit Blick auf amerikanische und israelische Drohungen, ihn zu töten. Der amerikanische Sondergesandte für Libanon warnte daraufhin die Hizbullah davor, sich am Krieg zu beteiligen. Er könne im Namen Trumps sagen, dass dies eine „sehr, sehr, sehr schlechte Entscheidung“ wäre, sagte Tom Barrack in Beirut.