Was Putin Deutschland zu sagen hat

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Man hat vom russischen Präsidenten schon markigere Warnungen gehört. Für den Fall, dass Deutschland der ­Ukraine den Marschflugkörper Taurus zur Verfügung stellen sollte, sah Wladimir Putin zwar keine Folgen für den Kriegsverlauf, „das ist ausgeschlossen“. Doch würde eine Lieferung „unsere Beziehungen gänzlich verderben“, sagte Putin in der Nacht auf Donnerstag in der jährlichen Gesprächsrunde mit den Leitern internationaler Nachrichtenagenturen bei seinem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg. Doch längst verortet der Kreml die deutsch-russischen Beziehungen an einem „sehr niedrigen Punkt“, wie Putins Sprecher etwa Anfang 2023 sagte. Ohnehin gilt das Land wegen der im russischen Angriffskrieg verhängten EU-Sanktionen als „unfreundlich“.

Gefragt hatte der Vertreter der Deutschen Presse-Agentur, und zwar, ob der neue Bundeskanzler Friedrich Merz erfolgreicher zwischen Russland und der Ukraine vermitteln könne als der amerikanische Präsident Donald Trump. Das bezweifele er, sagte Putin. „Ein Vermittler muss neutral sein“, man sehe aber Leopard-Panzer auf dem Schlachtfeld, und die Taurus-Marschflugkörper, über deren Lieferung Deutschland nachdenke, würden den Einsatz von Bundeswehr-Offizieren voraussetzen. Daher sehe man Deutschland und andere europäische Länder nicht als neutral an, sondern als „Seite, die die Ukraine unterstützt, und in manchen Fällen wohl als Teilnehmer an Gefechtshandlungen“. Man sei aber immer offen für Kontakte, wiederholte Putin seine Linie.

Um Deutschland ging es auch, als Putin nach der Aufrüstung der NATO-Länder gefragt wurde. Die sehe man nicht als Bedrohung an, sagte Putin, da man selbst für die eigene Sicherheit sorge und die Streitkräfte ständig perfektioniere. Das steht in gewissem Widerspruch zur sonstigen Moskauer Darstellung des westlichen Bündnisses als Bedrohung für Russland, die auch zum Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 angeführt worden war. Doch ging es Putin darum, vor seinem auch westlichen Publikum Zweifel zu säen. Was die NATO mache, schaffe zwar „bestimmte Bedrohungen“, sagte Putin, „aber wir schneiden alle Bedrohungen ab, die auftauchen werden“. Höhere Verteidigungsausgaben ergäben „keinerlei Sinn“: Die „Legende, dass Russland vorhabe, Europa, NATO-Länder anzugreifen“, solle die Bevölkerungen über „Fiaskos in der Wirtschaft und in der sozialen Sphäre“ täuschen.

Putin: Deutschland „am Rande einer Rezession“

Damit leitete Putin zu einer seiner Schilderungen tatsächlicher wie vorgeblicher Verfallserscheinungen im Westen über. Deutschland stehe „am Rande einer Rezession“, sagte Putin. Er könne „noch immer nicht verstehen, warum die Bundesrepublik darauf verzichtet hat, russische Energieträger zu benutzen“. Dem Verzicht – der wegen des EU-Binnenmarkts für Gas nicht vollständig ist, insbesondere da mehrere EU-Länder weiter russisches Flüssiggas kaufen – vorausgegangen war indes nicht allein der Überfall von 2022: Der russische Staatskonzern Gazprom hatte schon im Herbst 2021 damit begonnen, die Exporte in die EU deutlich zu reduzieren. Ende August 2022 stellte er dann die direkten Gaslieferungen nach Deutschland über die Ostseepipeline Nord ­Stream 1 vollständig ein, angeblich aus technischen Gründen.

Stattdessen schilderte Putin den Transit russischen Gases durch die Ukraine in die EU, den Kiew Ende 2024 nicht verlängert hat, um keine Geschäfte mit dem Aggressor mehr zu machen, als kriegsfreies Idyll mit Transitgebühren für die Ukraine. Eine „rationale Erklärung“ für Deutschlands Verzicht auf russisches Gas „gibt es einfach nicht“, sagte Putin. „Warum? Volkswagen stirbt, Porsche stirbt, die Glasindustrie stirbt, die Düngersphäre stirbt. Wofür? Um den Schaffner zu ärgern, kaufe ich ein Ticket, fahre aber nicht. Ist es das? So ein Quatsch.“