Irans Wirtschaft unter Druck: Was bringen die Sanktionen?

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Israels Angriff auf Iran, der vor einer Woche begann, hat vor allem militärische Ziele und Anlagen des Atomprogramms getroffen, aber auch der Wirtschaft einen Schlag versetzt. Wichtige Öl- und Gas-Produktionsstätten wurden bombardiert, etwa das South-Pars-Gasfeld im Persischen Golf oder die Asaluyeh-Raffinerie.

Die Währung Rial ist in den frühen Stunden der ersten Luftangriffe abgestürzt und verlor zwischenzeitlich 18 Prozent. Danach hat die Regierung Devisenhandel faktisch unterbunden. Internetseiten dürfen keine Kurse für Dollar oder Kryptowährungen wie Bitcoin und Tether mehr ausschreiben, berichtet die unabhängige Nachrichtenseite Iran Wire. Irans Notenbank versucht, Kapitalflucht zu stoppen. Die Börse bleibt geschlossen. An Tankstellen, wo sich lange Warteschlangen bildeten, wird Benzin rationiert. Viele Beobachter erwarten, dass Irans Ökonomie in eine tiefe Krise stürzt.

Schon vor dem Krieg ging es dem Land wirtschaftlich nicht gut. Das liegt vor allem an den harten westlichen Sanktionen, aber teils auch an interner Misswirtschaft und Korruption. Die Inflationsrate von zuletzt mehr als 35 Prozent, die nun noch steigen dürfte, macht den Menschen zu schaffen. Die Armut wuchs, die Mittelschicht schrumpfte. Immer wieder gibt es Strom- und Wasserknappheit. Irans Erdölexporte, die wichtigsten Einnahmen des theokratischen Mullah-Regimes, wurden durch die jahrelangen Sanktionen empfindlich getroffen. Als Hauptabnehmer blieb nur noch China, das nur zu Discountpreisen kaufte. Die Bruttoanlageinvestitionen waren seit mehr als zwölf Jahren, seit Beginn der verschärften Sanktionen der Obama-Regierung, rückläufig.

Gewaltige Erdöl- und Erdgasreserven

Allerdings ist die Vorstellung falsch, dass die Wirtschaft der Islamischen Republik kurz vor dem Kollaps stand. „Die Wirtschaftslage war schlecht, aber sie hat sich in den vergangenen Jahren nicht weiter verschlechtert. Es gab nach Trumps Abschied aus dem Weißen Haus einen leichten Aufwärtstrend mit moderatem Wirtschaftswachstum von zwei bis drei Prozent“, sagt der amerikanisch-iranische Wirtschaftsprofessor Djavad Salehi-Isfahani, der an der Virginia-Tech-Universität lehrt.

Dennoch zeigen internationale Vergleiche, wie stark Irans Wirtschaftskraft zurückgefallen ist. Israel mit seinen etwa 9,5 Millionen Einwohnern kommt dieses Jahr laut IWF-Prognose auf rund 580 Milliarden Dollar Bruttoinlandsprodukt. Der Iran mit fast zehnmal so vielen Einwohnern erreicht nur 341 Milliarden Dollar BIP, so die Schätzungen des Internationalen Währungsfonds vom April, die wegen des Kriegs wohl revidiert werden müssen.

Recep Tayyip Erdogan, Benjamin Netanjahu, Ali Khamenei, Mohammed Bin Salman
Israel und IranEin Krieg, der den Nahen Osten verändern dürfte

Zur Jahrtausendwende besaß Iran fast so viel Wirtschaftskraft wie die Türkei, inzwischen ist das türkische BIP viermal so groß. Rund ein Drittel der iranischen Volkswirtschaft kontrollieren direkt oder indirekt die Islamischen Revolutionsgarden. Sie besitzen Großunternehmen und Banken. Ein weiteres Fünftel der Wirtschaft liegt in der Hand religiöser Stiftungen, die auch steuerlich privilegiert sind.

Irans Erdöl- und Erdgasreserven sind gewaltig. Das Land besitzt die zweitgrößten nachgewiesenen Gas- und die viertgrößten Ölreserven der Welt. Doch die Produktion ist seit Jahren sehr volatil und tendenziell gesunken. Das liegt zum Gutteil am harten Sanktionsregime. US-Präsident Donald Trump hatte in seiner ersten Amtszeit ab 2018 eine Politik des „maximalen Drucks“ verfolgt. Im April erließ er acht neue Sanktionspakete gegen Öltanker und Handelsnetzwerke.

„Die Sanktionen haben die Regierung gegenüber der Zivilgesellschaft mächtiger gemacht“

Die wirtschaftliche Wirkung der Sanktionen ist klar negativ für das Land. Neben dem Ölsektor haben sie besonders der produzierenden Industrie geschadet, die von importierten Vorprodukten abhing. Ein besonderer Schlag war der Ausschluss Irans aus dem internationalen Bankensystem Swift. Ziel der Sanktionen war, das Regime über ökonomischen Druck von seinem Atomwaffenprogramm abzubringen. Insgesamt sollte das Regime geschwächt werden. Doch ob das gelingt, ist ungewiss.

„Die Restriktionen haben die Wirtschaft belastet, es gab Stagnation, einige Jahre Niedergang“, sagt Ökonom Salehi-Isfahani. Aber paradoxerweise haben die Sanktionen das Regime und die staatsnahen Unternehmen relativ gesehen sogar stärker gemacht, sagt er. „Sanktionen schwächen die absolute Macht einer Regierung, der Staat hat weniger Geld zur Verfügung. Aber er wird relativ gesehen sogar mächtiger und stärker gegenüber der Zivilgesellschaft“, meint Salehi-Isfahani.

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Das liege daran, dass die großen staatsnahen Unternehmen mithilfe der Regierung eher um die Sanktionen herumkommen als private Unternehmen. Funktionäre des Regimes, des Militärs und Führer staatsnaher Unternehmen können sich bereichern. Es gab spektakuläre Korruptionsfälle, etwa den Skandal um das Tee-Handelsunternehmen Debsh, in dem mehrere Milliarden Dollar Währungsreserven veruntreut wurden.

„Die Sanktionen haben die Regierung gegenüber der Zivilgesellschaft mächtiger gemacht“, meint Salehi-Isfahani, Ko-Autor des Buchs „How Sanctions Work. Iran and the Impact of Economic War­fare“, das im vorigen Jahr herauskam. Er und seine Ko-Autoren glauben, die Sanktionen hätten letztlich das iranische Regime sogar stabilisiert, denn mehr Iraner und Wirtschaftszweige werden vom Staat und staatlichen Hilfen abhängig.

Venezuela und Nordkorea als Negativbeispiele

Allgemein sind viele Wirtschaftswissenschaftler skeptisch, ob man mit ökonomischen Sanktionen eine politische Verhaltensänderung der betroffenen Staaten erreichen kann. Die Empirie dazu zeichnet ein eher düsteres Bild. Zahlreiche Beispiele, von Kuba bis Venezuela bis Nordkorea, zeigen, dass sanktionierte diktatorische Regime deshalb nicht abdanken und ihren Kurs beibehalten. Auch die Hoffnung westlicher Staaten, Russland nach dem Angriff auf die Ukraine durch immer weitere Sanktionspakete in die Knie zu zwingen und zum Umdenken zu bewegen, hat sich nicht erfüllt.

Der renommierte Forscher Gary Hufbauer vom Peterson Institute in Washington fand bei einer Auswertung der größten Datensammlung mit mehr als zweihundert Sanktionsfällen seit dem 20. Jahrhundert, dass Sanktionen meist politisch nicht wirksam waren. Nur in einem Drittel der Fälle, meist bei eher kleinen Ländern, wurden die außenpolitischen Ziele erreicht. Hufbauer kam zu dem Ergebnis, dass Sanktionen in nicht wenigen Fällen autokratische Regime faktisch stärken. Diese können zudem, wie das Venezuela oder Kuba tun, ihre wirtschaftlichen Probleme auf einen externen Sündenbock schieben.

Ob das Sanktionsregime gegen Teheran geholfen hat, Irans Atomprogramm zu verlangsamen, ist umstritten. Dass das Regime um den greisen Ajatollah Ali Khamenei der Aufforderung Trumps zu einer „bedingungslosen Kapitulation“ nachkommt, hält Ökonom Salehi-Isfahani für sehr unwahrscheinlich.