Warum die Europäer noch lange auf die Hilfe der USA angewiesen bleiben

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Wenige Jahre nach der Wiedervereinigung hatte die Bundeswehr 6684 Kampfpanzer in ihren Beständen. Im vergangenen Jahr waren es noch 313. Eine zügige Aufrüstung, die in Deutschland wie in Europa wegen der veränderten Weltlage unerlässlich ist, bedeutet keine Rückkehr zu den Streitkräften früherer Jahrzehnte. Ein erheblicher technischer Fortschritt, Erkenntnisse aus dem Ukrainekrieg und vielleicht auch aus dem aktuellen Konflikt im Nahen und Mittleren Osten werden die Ausstattung der künftigen Streitkräfte in Europa nachhaltig prägen.

Eine erste Erkenntnis lautet: Die Gewährleistung der lange vernachlässigten Verteidigungsfähigkeit erfordert mehr Geld, aber nicht jeder zusätzlich ausgegebene Euro stärkt die Streitkräfte. Die Staaten in Europa müssen nicht tatenlos Preissteigerungen für Militärgerät akzeptieren, die in Erwartung einer Auftragsflut von manchen Herstellern aufgerufen werden. Eine Bündelung von Aufträgen und eine stärkere Standardisierung von Militärgerät anstelle einer Vielzahl nationaler Sonderanfertigungen können die Kosten für die Regierungen und damit für die Steuerzahler begrenzen.

Eine zweite Erkenntnis hält für Anhänger einer europäischen Souveränität eine Enttäuschung parat. Auf vermutlich noch lange Zeit bleiben die Europäer auf Unterstützung aus den Vereinigten Staaten angewiesen. Die amerikanischen Rüstungsschmieden haben moderne Produkte im Angebot, die in Europa auf Jahre nicht zur Verfügung stehen werden. Europa beherbergt neben etablierten Rüstungskonzernen auch innovative junge Unternehmen, aber der Vorsprung der Vereinigten Staaten bleibt angesichts sehr viel höherer Ausgaben für Forschung und Entwicklung in vielen Sparten des Militärgeschäfts erdrückend.

Auf eine dritte Erkenntnis verweisen kritische Äußerungen aus Madrid und Bratislava kurz vor dem NATO-Gipfel, auf dem über höhere Militärausgaben gesprochen werden soll. Die Interessen und Zahlungsbereitschaften der europäischen NATO-Mitglieder sind nicht deckungsgleich. Der Weg zu einem Europa der Verteidigung bleibt lang und steinig.