Die dritte Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts hat drei syrische Flüchtlinge wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu hohen Haftstraften verurteilt. Die drei Angeklagten entstammen einer syrischen Großfamilie mit insgesamt 15 Mitgliedern. Von den 13 Kindern der ursprünglich aus Aleppo eingewanderten Familie befinden sich nun sechs junge Männer wegen schwerer Gewaltverbrechen in Haft.
Zu dem Messerangriff der drei Brüder auf eine vorübergend aus der Türkei eingereiste Familie kam es am 30. Juli vergangenen Jahres in den frühen Abendstunden auf der vielbesuchten Haupteinkaufsstraße Stuttgarts. Der Vorfall hatte viele Bürgerinnen und Bürger beunruhigt. Die Richter verurteilten den 27 Jahre alten Jamil H. zu einer Strafe in Höhe von sechs Jahren und vier Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung und Totschlag, seinen 23 Jahre alten Bruder Mohammed H. zu vier Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen und seinen 17 Jahre alten Bruder, Khalil H., nach Jugendstrafrecht zu einer Haftstrafe von fünf Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen.
Der Richter sagte, es handle sich um eine Familie, die im Islam verwurzelt sei und die ein Weltbild vertrete, bei dem Ehre, Respekt und Loyalität eine große Rolle spielten, es sei schwer zu erklären, was sich zugetragen habe, offenkundig sei es aber mit den Werten einer christlich geprägten Ordnung schwer zu vereinbaren. Der Vater sei mit der Erziehung überfordert, er lebe in Polygamie, das Jugendamt habe einige Kinder in Obhut nehmen müssen. Die Schulbildung sei sehr gering.
Von der Messerattacke gebe es zwar Videoaufnahmen, allerdings zeigten die den genauen Tatablauf nicht. Da die aus der Türkei eingereiste Familie sich zu Besuch in Deutschland aufgehalten habe, sagte der Vorsitzende Richter, sei davon auszugehen, dass das aggressive Verhalten von den drei Brüdern ausgegangen sei. Der Richter schilderte noch einmal den Grund für die Messerstiche, nämlich die Blicke einer jungen Frau: „Blicke rechtfertigen unter keinen Umständen tödliche Gewalt – unter gar keinen Umständen.“
Der Kriminalfall führte in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart auch zu einer politischen Debatte, weil viele Bürger ihre Stadt zunehmend als unsicher erleben und zugleich fragen, wie es sein kann, dass eine derart kriminell auffällige Familie in einem Haus mit einer Wohnfläche von 230 Quadratmetern leben kann, ohne dass die Ausländerbehörde und die Polizei die Lage kontrolliert bekommen und warum die kriminellen Syrer nicht abgeschoben werden konnten.
Debatte über „No-Go-Areas“
Nach der Tat war über die Ursachen für Messerattentate und „No-Go-Areas“ in der Innenstadt debattiert worden, der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) hatte dazu einen Aktionsplan vorgelegt (Erhöhung der Polizeipräsenz in der Innenstadt, Ausdehnung der Messerverbotszonen, mehr Videoüberwachung), der von der Linkspartei und den Grünen kritisiert worden war. Nach den Polizeiakten gibt es mehr als 150 Einzeldelikte, die Mitgliedern der 15-köpfigen Familie zur Last gelegt werden, nicht alle sind von der Staatsanwaltschaft verfolgt oder zur Anklage gebracht worden.
Ende Juli war es beim Aufeinandertreffen der in Stuttgart lebenden drei syrischen Männer mit der ebenfalls syrischen, vorübergehend aus Istanbul eingereisten Familie in der Nähe des Rotebühl-Platzes zunächst zu verbalen und später zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen. Der 27 Jahre alte Jamil H. soll dabei besonders aggressiv aufgetreten sein, er soll sich an den Blicken der Syrer aus Istanbul gestört haben, dabei soll es um eine junge Frau gegangen sein, hierauf kam es zu einer Messerattacke: Jamil attackierte den Vater, den Bruder und den Mann der jungen Frau, letzterer wurde am Oberschenkel und Bauch lebensgefährlich verletzt.
Die Staatsanwaltschaft hatte beim Abschluss der Hauptverhandlung eine Haftstrafe in Höhe von sieben Jahren für Jamil H. und für seine Brüder Khalil H. und Mohammed H. jeweils fünf Jahre gefordert. Das baden-württembergische Ministerium für Migration und Justiz arbeitet daran, die Aufenthaltsrechte der Familie zu widerrufen, um eine Abschiebung nach Syrien zumindest theoretisch zu ermöglichen.
Ob in das ehemalige Bürgerkriegsgebiet Syrien nach dem Fall des Assad-Regimes abgeschoben werden sollte, ist politisch umstritten; jüngst hatte die Zeitschrift „Spiegel“ über einen Sicherheitsbericht, verfasst von Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Damaskus, berichtet, in dem Bericht war die Lage nur in der syrischen Hauptstadt Damaskus sowie in Idlib und Hama als einigermaßen stabil eingeschätzt worden, ein „flächendeckendes Gewaltmonopol“ fehle noch.