Putins Töchter auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg

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Am Freitagnachmittag begrüßte Wladimir Putin eine Delegation aus Bahrain, dem Inselkönigreich im Persischen Golf, das in diesem Jahr offizielles Gastland bei seinem „Internationalen Wirtschaftsforum“ in Sankt Petersburg ist. Einst zog es jedes Jahr im Juni auch zahlreiche westliche Gäste in die Heimatstadt des russischen Präsidenten.

Mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine sind sie Exoten geworden, exotischer noch als die afghanischen Taliban. Eine Delegation aus Kabul war schon 2022 zum ersten Mal beim Forum dabei. Als auch in diesem Jahr eine anreiste, war es trotzdem eine Premiere, denn vor Kurzem hat Moskau die Taliban vom Stigma einer „terroristischen Organisation“ befreit und sie so offiziell legalisiert. Doch an ­illustren Gästen herrschte Mangel; die Delegation aus Bahrain wurde nur von einem königlichen Sicherheitsberater angeführt, der Putin ein Grußschreiben des Herrschers mitbrachte.

Als Stargast an Putins Seite in der stets der Geopolitik gewidmeten Hauptrederunde war der indonesische Präsident Prabowo Subianto vorgesehen, zudem sollten ihn der südafrikanische Vizepräsident Paul Mashatile, ein stellvertretender chinesischer Ministerpräsident und der Gast aus Bahrain flankieren.

Schojgus Tochter tritt auf drei Podien auf

Doch vor allem ist Putins alljährliche Prestigeveranstaltung ein Schaulaufen der Elite geworden. Längst gehören dazu auch die Kinder der Männer, die mit Putin aufgestiegen sind und ihn seit Jahrzehnten begleiten. Xenija Schojgu, die Tochter des Sicherheitsratssekretärs und früheren Verteidigungsministers Sergej Schojgu, sprach auf gleich drei Petersburger Podien, darunter einem zu den Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo sie sich angeblich oft aufhält.

Besonders geachtet wird aber auf alle, die mit Putin familiär verbunden sind, systembedingt und wegen des potentiell dynastischen Moments: Der „Zar“, der am 7. Oktober 73 Jahre alt wird, wirkt fit, hat aber alle Macht auf sich konzentriert und, soweit bekannt, keinen Nachfolger auserkoren.

Der lebende Herrscher ist auch über dessen Vorfahren zu ehren: An einem Stand wurde an Putins aus Leningrad, wie Sankt Petersburg zu sowjetischer Zeit hieß, stammenden Vater erinnert, wurden Orden gezeigt, die er im Zweiten Weltkrieg erhalten habe. Doch die Jugend zählt, die Zukunft. So berichtete die kremltreue „Komsomolskaja Prawda“ von einer Premiere: In seiner Runde mit Nachrichtenagenturleitern in der Nacht auf Donnerstag hatte Putin erstmals überhaupt eine Enkelin erwähnt, die dank einer „Erzieherin aus Peking“ fließend Chinesisch spreche.

Der Auftritt ist entscheidend

Zuzuordnen sein dürfte sie einer der Töchter aus Putins erster, geschiedener Ehe (eine zweite ist nicht offiziell bestätigt). Dies sind die 38 Jahre alte Katerina Tichonowa und die 40 Jahre alte Marija Woronzowa, die nach 2024 auch in diesem Jahr beide beim Forum auftraten. Putin hat die beiden zwar noch nie als solche öffentlich benannt (einmal sprach er von „diesen Frauen“), Tichonowa und Woronzowa werden aber von allen als Herrschertöchter anerkannt und mit dem Vatersnamen Wladimirowna angeredet. Die Jüngere der beiden leitet eine Entwicklungsstiftung namens Innopraktika, sie sprach in diesem Jahr zum Thema „Szenarien technologischer Repatriierung: Rolle und Platz ausländischer Unternehmen auf dem russischen Markt“.

Putin hat klargestellt, dass er weiter auf Protektionismus setzt, und die anderen Teilnehmer der Runde mit ­Tichonowa kritisierten ausländische Unternehmen, die Russland (angriffskriegsbedingt) verlassen haben. Tichonowa, wie 2024 per Video zugeschaltet, sprach kompliziert über Technologieführerschaft und Urheberrechte und las offenbar vom Bildschirm ab. Doch nicht das Thema, sondern der Auftritt war entscheidend. Kritische Nachfragen waren nicht zu erwarten.

Die Rederunde wurde moderiert von der Frau, die als Tichonowas beste Freundin gilt. Sie heißt Natalja Popowa, ist Tichonowas Stellvertreterin bei Innopraktika und zudem die Frau von Kirill Dmitrijew, dem Leiter des Staatsinvestitionsfonds RDIF und seit Kurzem Putins Beauftragter für Wirtschaftszusammenarbeit mit anderen Staaten; der Posten wurde offenkundig geschaffen, um auf den amerikanischen Präsidenten Donald Trump einzuwirken, damit der sich für Wirtschaftsprojekte mit Russland und gegen Sanktionen oder sonstigen Druck auf Moskau ausspricht. „Katerina Wladimirowna hat uns von den Siegen erzählt, die schon erzielt worden sind“, sagte Popowa nach dem Auftritt ihrer Chefin.

Putins ältere Tochter, eine Endokrinologin, war persönlich im Saal und moderierte eine Runde zum Thema „Neoethik in der Epoche der Neurotechnologie“. Darin sprach Woronzowa über Arbeiten an einer „Verbesserung des Menschen“, die die Frage aufwerfe: „Kann man jetzt dem Menschen in den Kopf schauen, auf seine Gedanken, und diese Gedanken lesen, oder sogar diese Gedanken schicken, und das bedeutet auch die Handlungen des Menschen zu steuern.“ Dadurch stelle sich vielleicht, vielleicht aber auch nicht, die Frage nach „der psychischen, der psychologischen Unantastbarkeit, und auch der Gedankenfreiheit“.

Mit Anna Ziwiljowa war auch eine Frau dabei, die Journalisten als Nichte zweiten Grades des Präsidenten identifiziert haben, als Tochter eines Cousins Putins. Sie ist seit einem Jahr eine stellvertretende Verteidigungsministerin und wurde Ende 2024 bekannt, als sie in einer Parlamentsanhörung von 48.000 Personen berichtete, die sich an das Ministerium gewandt hätten, um ihre Angehörigen zu suchen und womöglich mithilfe von Gentests zu finden. Weil solche Angaben geheim sind, wurde ihr bedeutet, diese „sehr sensiblen und vertraulichen“ Zahlen nirgendwo zu nennen. In Petersburg ging es Ziwiljowa um Kleidung für Kriegsversehrte. „60 Prozent“ der Leute, die verwundet und zu Invaliden würden, dienten weiter beim Verteidigungsministerium. „Sie brauchen die Uniform“, sagte Ziwiljowa.