Iran hält sich “alle Optionen” offen

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Nach den amerikanischen Angriffen auf iranische Atomanlagen zeigte sich Iran am Sonntagmorgen zunächst unbeugsam. Außenminister Abbas Araghchi schrieb auf der Plattform X: „Die Ereignisse heute sind schädlich und werden dauerhafte Konsequenzen haben“. Iran behalte sich „alle Optionen vor, seine Souveränität, Interessen und Bevölkerung zu schützen“. Kurz danach feuerte Iran ungeachtet der Forderung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump nach einem sofortigen Frieden abermals Raketen auf Israel ab.

Folgenschwerer als die Fortsetzung der Angriffe auf Israel wäre eine direkte militärische Vergeltung gegen die Vereinigten Staaten. Aus Teheran gab es dazu zunächst widersprüchliche Signale. Hardliner forderten wie erwartet einen sofortigen Gegenschlag.

Hardliner fordert Angriffe auf westliche Schiffe

Der Chefredakteur der Zeitung „Kayhan“, Hossein Shariatmadari, ein prominenter iranischer Hardliner, forderte Raketenangriffe auf amerikanische Kriegsschiffe in Bahrain und eine Schließung der Straße von Hormus „für amerikanische, britische, deutsche und französische Schiffe“. Seine Botschaft im Netzwerk Telegram endete mit einem Zitat aus dem Koran: „Tötet sie, wo immer ihr sie finden möget.“

Aus amerikanischen Sicherheitskreisen waren in den vergangenen Tagen Befürchtungen berichtet worden, wonach Teheran die Meerenge zwischen Iran und Orman verminen könnte, um amerikanische Kriegsschiffe im Persischen Golf festzusetzen. Das könnte den Ölpreis in die Höhe treiben und die Weltwirtschaft belasten, da rund ein Fünftel der weltweiten Ölexporte durch die Meerenge transportiert werden. Iran würde damit allerdings auch China verärgern, einen seiner wenigen Verbündeten, es sei denn, Schiffe auf dem Weg nach China würden von der Blockade ausgenommen.

Amerikanische Sicherheitskreise hatten in den vergangenen Tagen auch über iranische Vorbereitungen für Raketenangriffe auf amerikanische Basen in der Region berichtet. Im Jahr 2020 hatte Iran schon einmal einen amerikanischen Stützpunkt im Irak attackiert, als Vergeltung für die Tötung des Kommandeurs der iranischen Eliteeinheit Quds, Qassem Soleimani. Teheran hatte Washington damals allerdings vorab über den Angriff informiert. Kein amerikanischer Soldat wurde getötet, es gab aber Verletzte. Amerika hatte damals auf einen Gegenschlag verzichtet.

Wie reagieren die irantreuen Milizen in anderen Ländern?

Als wahrscheinlich gilt, dass auch irantreue Milizen im Irak ihre Angriffe auf amerikanische Basen wieder aufnehmen könnten, ebenso wie die Huthi im Jemen ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer. Mehr als 40.000 amerikanische Soldaten sind in der Region in Ländern wie Saudi-Arabien, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain stationiert. Sie waren in den vergangenen Tagen in Alarmbereitschaft versetzt worden. Zu ihrem Schutz waren zusätzliche Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in die Region verlegt worden.

Allerdings weiß auch das iranische Regime, dass es eine militärische Auseinandersetzung mit Amerika womöglich nicht überstehen würde. „Es wird entweder Frieden oder eine Tragödie geben, die weit größer ist als das, was wir in den vergangenen acht Tagen gesehen haben“, hatte Trump gedroht. Teheran hatte darauf gehofft, dass die Risiken einer militärischen Eskalation den amerikanischen Präsidenten von einem Angriff abhalten würden. Allerdings hatte es sich öffentlich bis zuletzt geweigert, Verhandlungen mit den USA wieder aufzunehmen, solange Israel seine Angriffe nicht einstelle.

Im Hintergrund geschah aber offenbar etwas anderes. Laut einem Bericht der Nachrichtenplattform Axios zeigten sich Außenminister Araghchi und Präsident Massud Peseschkian offen für ein geheimes Treffen mit dem amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance in Istanbul. Selbst eine Beteiligung Trumps sei nicht ganz ausgeschlossen worden, berichtete Axios unter Berufung auf amerikanische Regierungsquellen. Das Treffen sei aber daran gescheitert, dass Irans Oberster Führer Ali Khamenei über Stunden nicht erreichbar gewesen sei, um zuzustimmen.

Hat Khamenei noch ein genaues Bild der Lage?

Der Oberbefehlshaber Khamenei muss nun wohl auch über die Reaktion Teherans auf den amerikanischen Angriff entscheiden, obwohl es zuletzt Spekulationen gab, er habe der Militärführung größere Handlungsbefugnisse übertragen. Auch soll er bereits Nachfolger für den Fall der Tötung weiterer führender Militärs bestimmt haben, was ein weiterer Beleg dafür wäre, dass er nicht mehr in alle Entscheidunbgsprozesse eingebunden ist.

Der iranische Führer ist seit dem Beginn des Krieges vor mehr als einer Woche nicht mehr in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten. Es heißt, er habe sich in einem Bunker verschanzt. Da viele seiner engsten Berater getötet wurden, ist unklar, ob er noch ein genaues Lagebild erhält. Zumindest scheint er nicht auszuschließen, dass Amerika und Israel ihm nach dem Leben trachten. Die „New York Times“ berichtete am Samstag, Khamenei habe drei Kandidaten für seine Nachfolge bestimmt und den dafür zuständigen Expertenrat beauftragt, einen von ihnen auszuwählen. Alle drei sollen ranghohe Geistliche sein. Entgegen früherer Spekulationen soll sein Sohn Modschtaba nicht unter ihnen sein.

Eine weitere mögliche iranische Reaktion könnte ein Austritt aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen sein. Das könnte bedeuten, dass Iran sich der Aufsicht durch die Internationale Atomenergiebehörde entzieht.

Manche Stimmen in Teheran bemühten sich, die Bedeutung des amerikanischen Angriffs herunterzuspielen. Der Berater des iranischen Parlamentssprechers, Mahdi Mohammadi, schrieb auf X, der Angriff auf die Urananreicherungsanlage in Fordow sei erwartet worden. „Der Ort ist schon vor einiger Zeit evakuiert worden und ist durch den Angriff nicht irreversibel zerstört worden.“

Die Betonung eines begrenzten Umfangs des amerikanischen Angriffs könnte es Iran erlauben, vorerst auf Vergeltung zu verzichten. Laut einem Bericht der in Teheran gut vernetzten Nahost-Website Amwaj informierte Washington Teheran vorab über den Angriff. Vorräte an hochangereichertem Uran seien an sichere Orte verbracht worden.