Iran droht mit Blockade der Hormus-Meerenge

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Nach den Luftangriffen der USA auf iranische Atomanlagen richten die Akteure der globalen Ölwirtschaft ihre besorgten Blicke auf die Rolle Irans als einem der großen Ölländer und speziell auf die Straße von Hormus. Das ist die Meerenge zwischen Iran im Norden und Oman, durch die Tanker rund ein Fünftel der weltweit gehandelten Rohölmenge transportieren. Iranische Regierungsvertreter hatten davor gewarnt, die Wasserstraße, die den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean verbindet, zu blockieren.

Sie ist 160 Kilometer lang und 33 Kilometer breit. Damit sind Schiffe erreichbar für iranische Raketen, Flugzeuge, Patrouillenboote und Hubschrauber. Iran könnte auch versuchen, die Wasserstraße zu verminen, wie schon 1987 während des Kriegs zwischen Iran und Irak. Damals wurde der Öltanker SS Brighterton durch eine Minenexplosion beschädigt. Eine Sperrung würde die Ölpreise in die Höhe schnellen lassen. Seit Anfang Juni ist der Ölpreis (Brent) um 10 Dollar auf 72,40 Dollar gestiegen.

Allerdings gibt es Zweifel an der Fähigkeit und dem Willen Irans, die strategische Wasserstraße zu blockieren. Große Teile der Luftstreitkräfte sind durch israelische Angriffe zerstört worden. Dazu kommt die massive Präsenz der US Navy an der Meerenge. Ein zweiter Flugzeugträger ist am Sonntag angekommen, bestätigt Marc Gustafson, Direktor der Eurasia Group für Analyse. Daneben haben Großbritannien und die EU Schiffe geschickt. Er habe seit dem Irakkrieg nicht mehr ein so massives Militäraufgebot in der Region gesehen, sagte der ehemalige Sicherheitsberater von Präsident Joe Biden dieser Zeitung. Die Eurasia Group schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Blockade auf 20 Prozent. Die ökonomischen Folgen blieben im Rahmen, zumal die israelischen Streitkräfte die iranische Ölinfrastruktur bisher verschonten.

Öllieferungen aus Iran sprunghaft angestiegen

Überdies profitiert Iran selbst von Öllieferungen, vor allem nach China, die durch die Straße von Hormus gehen. Die Öllieferungen aus Iran waren nach Angaben von Bloomberg in der vergangenen Woche sprunghaft angestiegen. Satellitenbilder deuten darauf hin, dass Iran auch seine Lagertanks rasch füllte, berichtete Bloomberg. Eine Sperrung würde das Verhältnis zu China belasten, mit dem Iran eine strategische Partnerschaft pflegt und das sein wichtigster Handelspartner ist. Auch Indien wäre stark in Mitleidenschaft gezogen – als Großkunde von verflüssigtem Gas.

Zudem würde sie die Konflikte mit Saudi-Arabien, Oman und den anderen öl- und gasexportierenden Kleinstaaten am Persischen Golf verschärfen, die ihre Tanker ebenfalls durch die Meerenge schicken. Selbst während des sogenannten Tankerkriegs von 1980 bis 1988 blieb die strategische Meerenge offen. Der „Tankerkrieg“ bezeichnet eine Phase während des Iran-Irak-Kriegs, in der beide Seiten Handelsschiffe, vor allem Öltanker, im Persischen Golf und in der Straße von Hormus angriffen, ohne den Schiffsverkehr zum Erliegen zu bringen.

Ein relevanter Faktor für entsprechende Entscheidungen könnten allerdings Versicherungen sein, wenn die Versicherungsprämien für Kriegsrisiken in die Höhe treiben. Das war nach Angaben von Schifffahrtsexperte und Historiker Sal Mercogliano schon einmal der Fall, als die jemenitischen Huthis Schiffe beschossen. Viele nahmen deshalb eine Umleitung um Afrika herum in Kauf.

Ein klassisches Szenario wäre es, wenn die Ölpreise für kurze Zeit deutlich nach oben schnellen, um sich danach zu beruhigen. Jens Südekum, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Düsseldorf und Berater von Finanzminister Lars Klingbeil, sagt: „Kurzfristig erwarte ich beim Ölpreis einen deutlichen Ausschlag nach oben, weil die Märkte jetzt maximal verunsichert sind. Ob Öl dauerhaft teuer bleibt, hängt davon ab, welche Reaktion die US-Luftschläge in der Region auslösen.“ Bei einer weiteren Eskalation drohten schwere Schäden für Welthandel und Weltwirtschaft. Doch wenn Iran jetzt an den Verhandlungstisch gezwungen werde, könne sich der Ölpreis auch wieder beruhigen.

Als im ersten Golfkrieg im August 1990 der Irak Kuwait überfiel, kletterte der Ölpreis von rund 20 Dollar das Fass auf 35 Dollar, um nach Kriegseintritt der Amerikaner schnell wieder auf das Vorkriegsniveau zu sinken. Im zweiten Golfkrieg von 2003 bis 2011 kam zur geopolitischen Unsicherheit die deutlich steigende Nachfrage aus China, die den Ölpreis bis 2008 auf 110 Dollar je Fass trieb – nach 50 Dollar bei Kriegsbeginn. Nach 2008 gab der Preis deutlich nach und stabilisierte sich bei 70 Dollar der Sorte Brent.

Doch im Gegensatz zu früheren Konflikten gefährdet der amerikanische Angriff weder die Versorgung mit dem Energierohstoff noch verunsichert er die Märkte nachhaltig, schreibt Landon Derentz, führender Energieexperte der Denkfabrik Atlantic Council. Amerikas erstarkte inländische Produktion und die erweiterten Exportkapazitäten trügen zur globalen Energiesicherheit bei. Ebenso wichtig sei jedoch der regionale Kontext: Das amerikanische Verhältnis zu den arabischen Staaten am Golf sei freundschaftlich. Unterstrichen werde die Widerstandskraft der Energiemärkte dadurch, dass sich Saudi-Arabien sehr schnell von den verheerenden Terroranschlägen auf Ölanlagen in Abqaiq im Jahr 2019 erholt habe. „Diese Entwicklungen senken die geopolitische Risikoprämie und geben den politischen Entscheidungsträgern Spielraum, entschlossen zu handeln, ohne die Weltwirtschaft zu destabilisieren“, schreibt Derentz auf der Plattform X.