EU-Parlament droht mit Klage gegen Rüstungsfonds

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Es ist das bisher einzige Instrument, mit dem die EU selbst in größerem Umfang die Beschaffung von Rüstungsgütern finanzieren kann: das vor einem Monat von den EU-Mitgliedstaaten gebilligte Programm SAFE („Security Action for Europe“). Es soll helfen, die (auch gemeinsame) Beschaffung von Rüstungsgütern durch die Mitgliedstaaten zu finanzieren. Das Programm umfasst für den Zeitraum bis 2030 insgesamt 150 Milliarden Euro. Die EU-Kommission will den Betrag über eine Kreditaufnahme an den Finanzmärkten aufbringen und ihn in Form zinsgünstiger Darlehen an die Mitgliedstaaten weiterreichen.

Das Europäische Parlament stellt das Vorhaben jetzt infrage. Seine Präsidentin Roberta Metsola drohte in einem Brief an Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die Abgeordneten zögen vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH), wenn Kommission und Mitgliedstaaten die Rechtsgrundlage für das Vorhaben nicht änderten und auch das Parlament am Zustandekommen des für das Programm notwendigen Gesetzes beteiligten. Der Brief liegt der F.A.Z. vor.

Wird die Kontrolle unterminiert?

Die EU-Kommission hatte im März als Rechtsgrundlage für SAFE den Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) vorgeschlagen. Die Rechtsnorm wurde schon öfter eingesetzt, um Initiativen der EU auf Politikfeldern zu begründen, für die sie nach enger Auslegung nicht zuständig ist. Der Rat der Mitgliedstaaten kann demnach „auf Vorschlag der Kommission unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen, insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren auftreten“. Die Parlamentarier bestreiten nicht, dass die EU ein Rüstungsprogramm auflegen kann. Sie halten den Artikel als Rechtsgrundlage aber nicht für geeignet, weil darin keine parlamentarische Beteiligung vorgesehen ist. Das bis jetzt vorgesehene Verfahren gefährde die demokratische Legitimation des Rüstungsprogramms, weil es die „Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion des Parlaments“ unterminiere, schreibt Metsola.

Die Kommission verstoße ferner gegen den in den EU-Verträgen enthaltenen Geist der Partnerschaft zwischen den EU-Institutionen, kritisiert die Parlamentspräsidentin. Inhaltlich beruft sie sich vor allem auf eine Analyse des Parlaments-Haushaltsausschusses, wonach die SAFE-Kredite nicht komplett ohne Ausfallrisiko seien, was zusammen mit den günstigen Zinsen Auswirkungen auf den EU-Haushalt habe. Letzterer fällt in die Mitentscheidungsbefugnis des Parlaments. „Die Rückzahlung der SAFE-Darlehen wird vom EU-Budget garantiert, deshalb wird dadurch eine Eventualverbindlichkeit geschaffen“, schreibt der Ausschussvorsitzende, der frühere belgische Finanzminister Johan Van Overtfeldt, an Metsola.

Von der Leyen wies Metsolas Kritik zurück. In ihrem Antwortbrief schreibt die Kommissionschefin, ihre Behörde habe SAFE als „außergewöhnliche und zeitlich begrenzte Antwort auf eine dringende und existentielle Herausforderung“ vorgeschlagen. Ziel sei es, jenen Mitgliedstaaten finanziell zu helfen, die „ernsthaften Bedrohungen außerhalb ihrer eigenen Kontrolle“ ausgesetzt seien. Zu möglichen Auswirkungen von SAFE auf den EU-Haushalt äußerte sie sich nicht.

Stopptaste drücken!

Die Abgeordneten beteuern, eine Beteiligung des Parlaments an der Gesetzgebung müsse deren zügige Verabschiedung nicht aufhalten. Wenn notwendig, könne das Parlament in einem beschleunigten Verfahren entscheiden, schrieb Metsola. Der FDP-Abgeordnete Moritz Körner sagte, Schnelligkeit sei angesichts der sicherheitspolitischen Lage geboten. Dennoch dürfe es kein übereiltes Vorgehen geben. „Alle Schritte müssen rechtlich sauber und transparent ablaufen, um spätere juristische Anfechtungen zu vermeiden. Eine Verteidigungspolitik, die auf wackliger rechtlicher Grundlage steht, wäre ein Geschenk an Putin.“

Das Parlament dringe auf eine zügige politische Lösung „statt jahrelanger gerichtlicher Auseinandersetzungen“, sagt Körner. Man habe neben einer Klage vor dem EuGH weitere Hebel gegen die Kommission. Das Parlament könne auch den EU-Haushalt blockieren „oder bei anderen Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission die Stopptaste drücken“.