Zum ersten Mal nach zwei Jahren der fast durchgängigen Schrumpfung scheint der Abwärtstrend im deutschen Mittelstand gebrochen. Im Mai stieg der Umsatz in den kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) nach einem sehr schwachen Vorjahresmonat um 2,8 Prozent. Das zeigt der Datev-Mittelstandsindex, den die F.A.Z. exklusiv vorab veröffentlicht. Die Zeichen stehen auf Stabilisierung, kommentieren die Volkswirte von Datev. Es gebe Hoffnung auf eine wirtschaftliche Trendwende nach oben.
Der Datev-Mittelstandsindex bestätigt die Verbesserung des allgemeinen Geschäftsklimas, die sich in den vergangenen Monaten in Unternehmensumfragen abgezeichnet hat. Der Trend wirkt nun bis in die Reihen der kleinen und mittleren Unternehmen hinein. Der Umsatz der mittelgroßen und kleinen Unternehmen legte demnach im Mai um 6,4 und 3,9 Prozent zu. Nur bei den Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten stagnierte der Umsatz. Die wirtschaftliche Durststrecke der Kleinstunternehmen sei noch nicht überwunden, sagte Robert Mayr, der Vorstandsvorsitzende der Datev eG.
Viele Branchen stabilisiert
In einigen Kernbereichen der Wirtschaft aber hat die Erholung schon Fuß gefasst. Eine Trendwende zum Besseren ist nach Einschätzung von Datev-Chefvolkswirt Timm Bönke in der Landwirtschaft und im Bergbau, bei Finanzdienstleistungen und im Gesundheits- und Sozialwesen erreicht. Im verarbeitenden Gewerbe und in breiten Teilen des Dienstleistungssektors sei bislang eher eine Stabilisierung zu sehen, ebenso wie im Baugewerbe und im Handel. Branchen, die wie die Energieerzeugung und die Logistik üblicherweise einer konjunkturellen Besserung voranlaufen, zeigen nach Bönkes Analyse noch keinen klaren Wachstumstrend.
Datev Mittelstandsindex: Umsatz
Datev Mittelstandsindex: Lohn
Sehr unterschiedlich kommt die Erholung regional voran. Trotz der gesamtwirtschaftlichen Schwäche zeigt sich in einigen Regionen ein starkes Umsatzwachstum der kleinen und mittleren Unternehmen. In Deutschland führend sind dabei die Landkreise Straubing, Frankfurt an der Oder sowie Bremerhaven und das Emsland.
Das geht aus einer Datev-Analyse für die Umsatzentwicklung der KMU im ersten Quartal dieses Jahres hervor. Danach stiegen etwa in Straubing die Umsätze im Mittelstand um 10,6 Prozent und in Frankfurt/Oder um 7,1 Prozent.
Datev Mittelstandsindex: Beschäftigung
Maßgeblich für die regionalen Entwicklungen sind oft Neuansiedlungen oder Erweiterungen von Großunternehmen. Der Mittelstand in Straubing etwa profitierte nach Angaben von Datev durch eine Neuansiedlung des Dienstleisters Amazon. „Während einige Landkreise durch gezielte Investitionen, stabile Branchen oder andere Standortvorteile profitieren, kämpfen andere noch mit strukturellen Herausforderungen“, sagte Mayr. Besonders betroffen waren zuletzt Landkreise wie Emden mit einem Umsatzminus der kleinen und mittelgroßen Unternehmen von 14,1 Prozent. Dort belastete am Jahresbeginn unter anderem die Unsicherheit über das dortige Volkswagenwerk.
Umsatzentwicklung der stärksten und schwächsten Landkreise
sowie der Bundesdurchschnitt im 1. Quartal 2025 zum Vorjahresquartal
die 10 Stärksten
die 10 Schwächsten
Die besondere Qualität der Datev-Daten liegt darin, dass der IT-Dienstleister für die steuerberatenden Berufe auf die anonymisierten Umsatzsteuervoranmeldungen seiner Klienten zugreifen kann. Früher als andere Konjunkturindikatoren beschreibt der Mittelstandsindex damit auf Basis harter Geschäftsdaten die Konjunkturentwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen. In der beginnenden wirtschaftlichen Erholung sind diese belastbaren und harten Lebenszeichen von der Konjunktur besonders wertvoll.
Sie stützen die um sich greifende Erwartung, dass die Wirtschaft im Winterhalbjahr den Boden erreicht hat und nach zwei Rezessionsjahren in diesem Jahr ein wenig wachsen könne. Bislang war das bislang vor allem durch Umfragen belegt, die Konjunkturforschern als wichtig, aber als weich gelten. So hellte das Ifo-Geschäftsklima sich in den vergangenen fünf Monaten auf. Auch der Auftragseingang im verarbeitenden Gewerbe lässt eine moderate Erholung erwarten.
Am Montag deutete die Einkaufsmanagerumfrage für Deutschland auf leichtes Wachstum hin. Der Composite Index, der Umfragen unter Dienstleistern und in der Industrie zusammenfasst, erreichte im Juni auf vorläufiger Basis 50,4 Punkte. Diese Umfrage wird von S&P Global für die Hamburg Commercial Bank erstellt.
Die Verbesserung des Mittelstandsindex zeigt sich bislang ausschließlich im Umsatz. Das Lohn- und Gehaltswachstum übertrifft mit einem Plus von 4,1 Prozent weiterhin die allgemeine Inflationsentwicklung. Die Unternehmen merken das als eine steigende Kostenbelastung des Faktors Arbeit. Zugleich dauert der Beschäftigungsabbau im Mittelstand an. Im Mai sank die Beschäftigung der KMU wie schon im April um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Beschäftigungsentwicklung erholt sich üblicherweise erst weit nach einem konjunkturellen Wendepunkt zum Besseren.