Merz will „weg vom Misstrauen“

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Wenn der Bundesverband der Deutschen Indus­trie (BDI) einmal im Jahr zum Austausch mit der Politik bittet, geht es mitunter frostig zu. 2019 rechnete die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Managern vor, wie viel Zeit und Nerven sie der Dieselskandal gekostet habe. In den vergangenen Jahren musste sich Olaf Scholz (SPD) anhören, wie enttäuscht die Wirtschaft von seiner Ampelkoalition war. In diesem Jahr war die Atmosphäre dagegen geradezu harmonisch.

Das Wirtschaftsministerium kümmere sich wieder um die Wirtschaft, mit einem „sense of urgency“, lobte BDI-Präsident Peter Leibinger. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nahm das Angebot der Industrie für eine engere Zusammenarbeit mit der Politik gerne an. Nötig sei jetzt eine „gemeinsame wirtschaftspolitische, gesellschaftspolitische Anstrengung“, sagte Merz.

Die wirtschaftliche Lage ist nach Einschätzung des BDI weiter nicht zufriedenstellend. Die Auftragseingänge lägen immer noch 5,5 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Das hemme die Investitionsbereitschaft. „Ja, die Stimmung in der Wirtschaft ist deutlich besser als vor sechs Monaten“, sagte Leibinger. Aber die Lage sei nicht so gut wie die Stimmung.

Merz versucht sich als Stimmungsaufheller

Während viele Ökonomen inzwischen optimistischer gestimmt sind, erwartet der Verband für dieses Jahr abermals eine sinkende Wirtschaftsleistung, je nach Zollkonflikt um 0,1 bis 0,3 Prozent. Leibinger sagt aber auch: Wenn die Bundesregierung den angekündigten Kurs umsetze, bestehe eine „echte Chance“ für einen Aufschwung 2026.

Merz bemühte sich bei seinem Auftritt im Berliner Gasometer, die Stimmung der Wirtschaftsvertreter noch etwas zu heben. Er berichtete von seinem Treffen mit dem Chef des Chipherstellers Nvidia kürzlich in Berlin. Der habe zwar gesagt: „Ihr Deutschen könnt Software nicht wirklich gut.“ Software sei nun mal ein chaotisches System, nie perfekt. Die sogenannten Gigafactorys seien dagegen Maschinenbau. „Das können wir Deutschen perfekt“, so Merz. Mindestens eines, vielleicht auch zwei oder drei dieser großen Rechenzentren zur Verarbeitung von Künstlicher Intelligenz will Merz nach Deutschland holen.

Genaue Ankündigungen, auf welche Entlastungen die Wirtschaft nach den verbesserten Abschreibungsbedingungen noch hoffen kann, hatte Merz nicht mitgebracht. Er versprach stattdessen ein anderes „Mindset“, das jetzt Einzug halte: „Etwas weniger Vorsorgeprinzip, etwas mehr Haftungsprinzip. Weg vom Misstrauen, hin zum Vertrauen.“ Es gebe nicht für jede ökonomische und auch nicht für jede politische Entscheidung eine Kaskoversicherung.

Zweifel am grünen Stahl

Die Frage, wie viel staatliche Indus­triepolitik nötig ist, etwa zur Rettung der kriselnden Stahlbranche, spielte auf dem „Tag der Industrie“ eine große Rolle. Grundsätzlich hänge der BDI der Ordnungspolitik an, sagte Leibinger. Manchmal müsse der Staat die Industrie aber durch eine schwierige Phase „begleiten“. Dies hält er derzeit vor allem in einem Bereich für nötig: „Mit Blick auf die Energiekosten brauchen wir den Staat.“ Staatliche Unterstützung dürfe es aber nur vorübergehend geben. „Dauerhaft subventionieren geht nicht.“ Leibinger ließ Zweifel anklingen, ob grüner Stahl, „so wie er heute gedacht wird“, in Deutschland langfristig eine Zukunft hat.

Gut ankommen in der Industrie dürfte eine Entwicklung, die sich in Brüssel abzeichnet: Die Europäische Kommission kommt Deutschland beim Industriestrompreis entgegen. Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera erwägt, den EU-Mitgliedstaaten zu erlauben, ihren Unternehmen Preisnachlässe von bis zu 50 Prozent für maximal die Hälfte ihres jährlichen Stromverbrauchs zu gewähren. Das sieht ein Entwurf für den Beihilferahmen CISAF vor, den die Spanierin kommende Woche vorstellen will. Er liegt der F.A.Z. vor.

Der Nachlass bezieht sich auf den Jahresdurchschnitt des Großhandelspreises in der jeweiligen Strompreiszone des Unternehmens. Der ermäßigte Preis soll 50 Euro je Megawattstunde nicht unterschreiten. Die Beihilfe soll auf drei Jahre begrenzt werden. Sie darf höchstens bis Ende 2030 gezahlt werden. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen in den Klimaschutz investieren. „Von Begünstigten werden signifikante Investitionen erwartet, die zum grünen Wandel beitragen und die Energiesystemkosten mittel- bis langfristig unterstützen“, heißt in dem Text. Dafür sollten 50 Prozent der Beihilfen reserviert werden. Als Beispiel nennt die Kommission etwa Speicher, Energieeffizienz, Elektrolyseure und die Elektrifizierung von Produktionsprozessen.

Konkrete Entlastungen, wenn es um Strom geht, kündigte der deutsche Finanzminister am Montag an. Das Bundeskabinett will am Dienstag nach den Worten von Lars Klingbeil (SPD) auch ein Strompreispaket auf den Weg bringen. Er sprach von einem Paket für wettbewerbsfähige Energiepreise. Er nannte die Stromsteuer, Netzentgelte und die Gasspeicherumlage. Ziel sei es, die Energiepreise zu senken.