Die schwarz-rote Koalition übertrifft mit ihrer Finanzplanung die schlimmsten Befürchtungen. Das am Dienstag vom Bundeskabinett beschlossene Zahlenwerk ist in einem nie zuvor gesehenen Maße auf neuen Schulden gebaut. Nur in der Pandemie war die Nettokreditaufnahme einmal höher. Das war ein Ausreißer, der einer besonderen Notlagen geschuldet war.
Nun ist Dauerkrise. Nun schießt die Neuverschuldung dauerhaft in die Höhe. Das ist vor allem der Bedrohung durch Putins Russland geschuldet. Aber eben nicht nur. Und das macht die Sache gefährlich.
850 Milliarden Euro in fünf Jahren
Denn mit Extra-Schulden soll nicht nur die Bundeswehr in den Stand versetzt werden, ihren Teil zur Abschreckung Russlands beizutragen. Mit der Grundgesetzänderung wurde zudem ein weiteres Sondervermögen geschaffen. Es besteht nur aus einer Kreditermächtigung von 500 Milliarden Euro über zwölf Jahre. Die Mittel sollen in die lange vernachlässigte Infrastruktur und in den Klimaschutz fließen. Das sind gute Zwecke.
Doch in der Summe wird es heikel. Denn auch solche Kredite müssen finanziert werden. Was das Finanzministerium nicht gern nennt, aber zum Gesamtbild gehört: Die Zinsausgaben des Bundes werden sich nach seiner Einschätzung bis zum Ende des Planungshorizonts mehr als verdoppeln – auf fast 62 Milliarden Euro im Jahr 2029. Tendenz steigend. Mit dem Risiko, dass es noch mehr wird, wenn sich die Lage am Kapitalmarkt ändern sollte.
Das Zahlenwerk, das der Finanzminister am Dienstag in das Kabinett einbrachte, zeigt erstmals in aller Deutlichkeit, was die abstrakte Änderung des Grundgesetzes praktisch bedeutet. Lars Klingbeil will dieses Jahr mit dem Kernhaushalt und den Sondervermögen insgesamt 143 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen. Im Jahr 2029, bis dahin reicht der neue Planungshorizont, sollen es schon 186 Milliarden Euro sein.
Über die fünf Jahre kommt man so auf rund 850 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden. Wer denkt, noch übler kann es nicht werden, hat nicht die gesamte Kabinettsvorlage gelesen. Trotz der gigantischen Kreditpläne klafft in der Finanzplanung noch ein riesiges Loch: Die Lücke steigt von 22 Milliarden Euro im Jahr 2027 auf 66 Milliarden Euro 2029. Das nennt Klingbeil euphemistisch Handlungsbedarf.
Der SPD-Chef will eine weitere Reform der Schuldenbremse
Der Finanzminister baut darauf, dass die Wirtschaft anspringt und damit die Schuldenlast verkraftbar bleibt. Doch dazu müsste die Koalition mehr Mut zeigen. Ein Investitionsschub des Staates reicht allein nicht aus. Das Geld muss auch effizient genutzt werden. Geradezu abstrus ist Klingbeils Einschätzung, dass auch eine neue Sportstätte Wachstum schafft. Kurzfristig sorgt sie für Belebung am Bau. Mittelfristig kostet sie den Staat Geld.
Die Anreize für Private bleiben bescheiden im Vergleich zum Kreditbooster. Schwarz-Rot müsste die Körperschaftsteuer schneller senken, um private Investoren ins Land zu locken. Stattdessen baut die Koalition das Subventionsunwesen weiter aus. Der Agrardiesel, den die Ampel-Vorgängerin auslaufen lassen wollte, feiert Auferstehung. Auch das ermäßigt besteuerte Essen im Restaurant. Das ist nicht ausschlaggebend, aber bezeichnend.
Mehr Wachstum schafft man so nicht. Auch nicht mit einem Eingriff in die Rentenformel auf Kosten der Beitragszahler und einer Aufstockung der Mütterrente. Dass die Ausgaben für Arbeit und Soziales von heute 190 Milliarden Euro bis zum Ende des Jahrzehnts auf rund 220 Milliarden Euro steigen werden, ist die Konsequenz – aber nicht konsequent, wenn man das geringe Potentialwachstum stärken will.
Noch in diesem Jahr will der SPD-Vorsitzende eine weitere Reform der Schuldenbremse unter Dach und Fach bringen. Die vorgeschaltete Kommission will Klingbeil alsbald einsetzen. Hier muss die Union aufpassen, dass sie richtig besetzt wird. Es gilt zu verhindern, dass die Schuldenregeln nochmals geweitet wird. Sie ist längst zu locker.