EU-Regeln „gigantische Bedrohung der Privatsphäre“

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Der amerikanische Technologiekonzern Apple schaltet im Streit mit der Europäischen Union (EU) um die Auslegung ihrer Digitalregeln in den Angriffsmodus. „Die Entscheidungen der EU haben irrsinnige Auswirkungen auf Apple und unsere europäischen Nutzer“, sagt Apple-Vorstand Greg Joswiak im Gespräch mit der F.A.Z. Es gehe um eine „gigantische Bedrohung der Privatsphäre und Sicherheit“.

Joswiak geht es um die sogenannten Interoperabilitätsforderungen, die die EU im Rahmen des Gesetzes für digitale Märkte (Digital Markets Act, kurz DMA) aufgestellt hat. Mit dem DMA will die EU die Marktmacht besonders großer Tech-Konzerne, der sogenannten Torwächter (Gatekeeper), einhegen. Diese Regeln gelten auch für Meta, Amazon, Booking.com, die Tiktok-Muttergesellschaft Bytedance, Google und Microsoft.

Konkret will die EU das berühmte geschlossene Ökosystem Apples aufbrechen. Der Konzern soll konkurrierenden Herstellern von Smartphones, Kopfhörern und Virtual-Reality-Headsets Zugang zu seiner Technologie und seinem mobilen Betriebssystem gewähren, damit die Geräte sich genauso nahtlos mit iPhones und iPads verbinden können wie Produkte von Apple. Dahinter steckt der Vorwurf, Apple würde seine Marktmacht auf dem Markt für Smartphones und Tablets ausnutzen, um sich einen Vorteil im Geschäft mit Zubehör zu verschaffen.

Apple: DMA verzögert Innovationen für Europa

Der DMA gilt seit mehr als einem Jahr. Apple hat einen Prozess aufgesetzt, mit dem dritte Unternehmen Interoperabilitätsanfragen stellen können. Dieser Prozess ist der EU allerdings zu restriktiv und zu langsam. Sie hat im März ein detailliertes Verfahren und einen Zeitplan festgelegt, nach denen Apple auf Interoperabilitätsanfragen von App-Entwicklern reagieren muss.

Apple-Marketingchef Greg Joswiak
Apple-Marketingchef Greg JoswiakAFP

Joswiak hält die Vorgaben der EU für innovationsfeindlich. Apple habe etwa lange und hart daran gearbeitet, dass seine Kopfhörer so gut mit seinen anderen Geräten funktionierten – künftig müsse der Konzern in der EU sicherstellen, dass das genauso für die Produkte seiner Wettbewerber gelte. Das sei technisch eine große Herausforderung, sagt Joswiak, weil „wir die technischen Details der Konkurrenzprodukte nicht so gut kennen wie die unserer eigenen“. Das brauche zusätzliche Zeit, weshalb zuletzt viele Innovationen erst deutlich zeitverzögert in die EU gekommen seien. Womöglich würden einige künftig gar nicht mehr den Weg in die EU finden.

„Apple ist das einzige Unternehmen, das diesen Interoperabilitätsanforderungen unterliegt“, sagt Joswiak. Das sei „verrückt“, schließlich sei das Betriebssystem Android in Europa deutlich verbreiteter.

Apple warnt vor Sicherheitsproblemen

Vor allem argumentiert Apple aber mit potentiellen Sicherheitsrisiken gegen die EU-Anforderungen. Der Konzern werde aufgefordert, sensible Nutzerdaten an Dritte herauszugeben, auf die Apple bislang nicht einmal selbst zugegriffen habe, sagt Joswiak. Es gehe etwa um einen vollständigen Verlauf der WLAN-Netzwerke, denen ein EU-Nutzer mit seinem iPhone beigetreten sei. Oder um den gesamten Inhalt aller Benutzerbenachrichtigungen, zu denen Nachrichten, E-Mails, Kalendereinträge und andere Informationen gehören.

„Wir haben auch Anfragen erhalten, die es anderen Unternehmen ermöglichen würden, alle jemals getätigten oder empfangenen Telefonanrufe einzusehen“, sagt Joswiak. Bald sei Apple gezwungen, diese Informationen an jedes Unternehmen weiterzugeben, das frage. Bis Ende Mai habe der Konzern mehr als 150 Interoperabilitätsanfragen von Entwicklern erhalten, davon 15 vom Facebook-Konzern Meta. Apple hat gegen die Anforderungen der EU Einspruch eingelegt. Bleibe es bei der aktuellen Auslegung der Digitalregeln, drohe eine „massive Überwachung von EU-Bürgern durch datenhungrige Konzerne“, sagt Joswiak.

Erst im April hatte die EU im Zuge des DMA eine Strafe von 500 Millionen Euro gegen Apple verhängt. Damals ging es aber darum, dass Apple die Entwickler von Apps faktisch daran hindere, Nutzer kostenlos auf günstigere Angebote außerhalb des eigenen App Stores hinzuweisen. Die EU-Kommission hatte Apple damals eine Frist von 60 Tagen gegeben, um die Praktiken abzustellen. Diese Frist läuft am Donnerstag ab. Dem Vernehmen nach verhandeln die Parteien aktuell um eine Einigung in letzter Minute. Andernfalls drohen weitere Strafen.