Als jahrelanger Brückenbauer sieht sich Amir Alizadeh. Er ist in Iran geboren, ging in Düsseldorf auf die Schule, machte sein Abitur und sein Studium in Teheran, arbeitete dort für die deutsche Auslandshandelskammer und wohnt seit 2018 wieder in Deutschland. Diese deutsch-iranischen Brücken in Wirtschaft und Gesellschaft sah Alizadeh in der vergangenen Woche nicht in erster Linie durch israelische Luftschläge auf Iran erschüttert. Auch nicht durch US-Angriffe auf iranische Atomanlagen. Sondern durch die Haltung der Bundesregierung.
Alizadeh sagt, dass Deutschland in Iran einen guten Ruf habe, einen besseren als Großbritannien, die USA oder etwa Russland. Die Beziehungen zwischen den Ländern würden nun aber von Bundeskanzler Friedrich Merz geschmäht. „Seit Sonntag wird es noch mal klarer“, sagt Alizadeh. Nach den Angriffen der Vereinigten Staaten hätte man in Berlin über potentielle militärische Ziele in Iran gesprochen, über Bomben, die Bunker und Gestein durchbrechen, über das Selbstverteidigungsrecht Israels, aber nicht über das Land selbst, über die betroffenen Menschen, beklagt der Deutsch-Iraner. Auch über das Völkerrecht schweige man sich in Deutschland aus. Er sei wütend über diese „Doppelmoral“, sagt Alizadeh. Und andere Exiliraner und -iranerinnen in Deutschland seien das auch.
2021 lebten laut der Bundesregierung 272.000 Personen mit iranischem Migrationshintergrund in Deutschland, davon 138.000 mit deutscher Staatsangehörigkeit. Seitdem haben die Repressalien des Regimes in Teheran nicht abgenommen. Deutschland gilt neben den USA und Kanada als Hauptzielland für Iraner. Alizadeh ist in der iranischen Gemeinschaft in Deutschland gut vernetzt. Von einer diversen und „großen Community“ spricht er. Allerdings sei sie, was den Konflikt zwischen Iran und Israel angeht, sehr geschlossen. „Iraner haben einen sehr großen Stolz“, sagt er. Gerade würden alle vor allem den „Aggressor“ Israel sehen, unabhängig davon, wie sie zum Regime stünden.
Merz spricht von „Drecksarbeit“ in Iran
Der Bundeskanzler hat die israelischen Soldaten als mutig bezeichnet. Sie würden die „Drecksarbeit“ des Westens in Iran erledigen, sagte Merz in der vergangenen Woche. „Er meint damit Kollateralschäden, die notwendig sind, um etwas Gutes zu erreichen“, so deutet Alizadeh die Äußerung. Die „Kollateralschäden“ seien aber tote iranische Zivilisten, die nicht erwähnt würden. Als Iraner verletze ihn diese Ausdrucksweise des Kanzlers, als Deutscher sei er beschämt.
„Die eigentliche ,Drecksarbeit‘, wenn wir dabei bleiben wollen, machen die Menschen in Iran“, sagt Daniela Sepehri. Sie hat noch Verwandte in Teheran, die aktuell nicht fliehen können. Von der Bundesregierung fühlt sie sich als Deutsch-Iranerin mit ihren Ängsten und Sorgen nicht ernst genommen. Die Aktivistin hebt hervor: „Die Menschen in Iran sind nicht das Regime. Man kann die Menschen in Iran nicht für das Regime bestrafen, wenn es doch diese Menschen sind, die das Regime am meisten hassen und am stärksten bekämpfen.“
Die Deutsch-Iranerin engagiert sich schon lange für die iranische Exilopposition in Deutschland. Sie kritisiert, dass der Eindruck vermittelt werde, dass man entweder auf der Seite Israels stehen müsse oder der Mullahs. „Es gibt aber noch die dritte Seite – und zwar aufseiten der Zivilbevölkerung zu stehen.“ Die bekäme viel zu wenig Aufmerksamkeit. Erst in der Nacht auf Montag bekräftigte US-Präsident Donald Trump, dass ein Regimewechsel in Teheran die Konsequenz der Angriffe mit Israel sein könnte. „Wenn das iranische Regime es nicht schafft, Iran wieder großartig zu machen, warum sollte es keinen Regimewechsel geben??? MIGA!!!“, schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. Dass die Angriffe langfristig der Zivilbevölkerung dienen könnten, indem sie die Iraner von ihren Unterdrückern befreiten, bezweifelt Sepehri. Durch einen Krieg von außen und durch Bomben könne keine Demokratie geschaffen werden, sagt sie.
Gespräche mit dem missliebigen Regime
„Wir wollen alle einen Regimewechsel in Iran, wir wollen alle, dass das Land demokratisch wird. Niemand will das mehr als die Menschen dort.“ Die militärische Intervention sei dafür allerdings kontraproduktiv, sagt die Deutsch-Iranerin. Denn sie unterstütze das jahrelange Narrativ des Regimes: dass der Aufstand vom Westen gesteuert werde. Sepehri sagt, es müsse eine Waffenruhe geben. Das Regime könne man nur von innen stürzen.
Trump verkündete auf Truth Social in der Nacht auf Dienstag dann eine „komplette und absolute“ Waffenruhe zwischen Israel und Iran. Seit Dienstagmorgen sei diese in Kraft. Dennoch gab es danach neue Angriffe.
Arian Darat vom Iranischen Jugendverband Ayande erzählt, dass er und andere Exiliraner auf Antikriegsdemonstrationen in Deutschland in den vergangenen Tagen den Slogan der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung skandiert hätten, um sich von Demonstranten mit der Flagge der Islamischen Republik abzuheben. Trotzdem sagt Darat, dass es aktuell keinen anderen Weg zum kurzfristigen Frieden gebe als Gespräche mit dem missliebigen Regime.
„Ein Krieg gegen einen Staat trifft auch die Zivilbevölkerung – es ist letztlich ein Krieg gegen die Menschen selbst“, betont Ehsan Djafari, Vorstandssprecher der Iranischen Gemeinde in Deutschland. Er spricht von einer doppelten Bedrohung für Iraner: aus der Luft und von innen. Menschen würden auf der Straße wegen angeblicher Spionage für Israel verhaftet. Die Mehrheit der Iraner lehne Israels Krieg vehement ab, sagt er – gleichzeitig lehne diese Mehrheit auch das Regime ab. „Solange der Krieg andauert, bleibt der Raum für Protest und Widerstand versperrt.“ Erst wenn die Waffen dauerhaft schwiegen, könne die Bevölkerung wieder ihre Stimme erheben. Dann sollte auch Berlin Druck auf das Regime ausüben, sagt Djafari, etwa durch weitere Sanktionen. „Aber das mit dem Regimewechsel ist die Sache der Menschen in Iran.“