Wie der israelische Mossad in Iran arbeitet

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Im Januar 1979 rief der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad in Tel Aviv eine Dringlichkeitssitzung ein. Es ging um die Frage, ob man den iranischen Revolutionsführer Ruhollah Khomeini in seinem Exil in Paris töten solle. Der Shah, der wegen der Korruption und Brutalität seines Regimes im Volk verhasst war, war gerade aus dem Land geflohen. Der von ihm kurz zuvor eingesetzte Ministerpräsident Schapur Bachtiar bat den Mossad um ein Mord-Kommando zur Beseitigung Khomeinis. Der Leitungsstab des israelischen Geheimdienstes diskutierte darüber und entschied sich schließlich dagegen. Wenige Tage später kehrte Khomeini nach Iran zurück und übernahm die Macht. So schildert es der israelische Journalist und Autor Ronen Bergman in seinem Buch „Der Schattenkrieg“ über die „Tötungskommandos des Mossad“.

Die Episode zeigt zweierlei: Israel war damals mit dem iranischen Machthaber Mohammad Reza Pahlavi eng verbunden. Dessen Gegner, die Islamisten unter Führung von Ajatollah Khomeini, wurden von Israel vom ersten Tag an als Gefahr betrachtet. Kurz gesagt: Durch den Regimewechsel wurde Israels wichtigster Verbündeter im Nahen Osten zu seinem größten Feind.

Khomeinis Leute wurden von der PLO ausgebildet

Khomeini pflegte enge Kontakte zu Palästinenserführer Yassir Arafat und dessen „Palästinensischer Befreiungsorganisation“ (PLO). Der schiitische Geistliche sah in der Kooperation die Möglichkeit, auch im sunnitischen Teil der islamischen Welt Einfluss zu gewinnen. Zudem wurden Khomeinis Leute in einem Trainingslager der PLO ausgebildet. Auf dem Lehrplan standen Terroranschläge und geheimdienstliche Operationen. Von Anfang an träumte Khomeini davon, die Revolution zu exportieren, vor allem in Israels Nachbarland Libanon. Im Libanonkrieg von 1982 begann seine Elitetruppe, die Revolutionsgarde, gegen Israel zu operieren und gründete später die Hizbullah.

Im Kampf gegen diese Kräfte war Israel nicht zimperlich. 1984 schickte der Mossad eine Paketbombe an den iranischen Botschafter in Syrien, Ali Akbar Mohtaschami. Er gehörte der Revolutionsgarde an und war mit der Gründung der Hizbullah beauftragt worden. Der Botschafter verlor ein Ohr, eine Hand und ein Auge. Es waren die Anfänge eines jahrzehntelangen Schattenkrieges zwischen Iran und Israel. In den vergangenen zwei Wochen wurde daraus ein offener Krieg.

In der ersten Nacht der israelischen Offensive töteten Agenten neun Atomwissenschaftler in ihren Betten. Fast gleichzeitig, damit sie einander nicht warnen konnten. Mit einer „Spezialwaffe“, wie der israelische Sender Kanal 12 berichtet. Die Wissenschaftler seien schon im November vergangenen Jahres auf eine Tötungsliste gesetzt worden, die vom Ministerpräsidenten unter Aufsicht eines Parlamentsausschusses fortlaufend genehmigt wird. In derselben Nacht wurden der Stabschef der Streitkräfte, Kommandeure des Zentralkommandos, der Revolutionsgarde und ihrer Luftwaffe getötet. Agenten schmuggelten Drohnenteile und Präzisionswaffen ins Land.

Mossad veröffentlichte erstmals Video

Zum ersten Mal seit seiner Gründung im Jahr 1949 veröffentlichte der Mossad ein Video einer noch andauernden Operation. Dabei ging es wohl einerseits darum, das Ansehen des Dienstes zu mehren, der nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 gelitten hatte. Zum anderen war es wohl ein Gruß an die israelischen Geheimdienste, die zwar zusammenarbeiten, aber auch in einem Wettbewerb stehen. Anders als gemeinhin angenommen, gingen die meisten Operationen zum Auftakt des Krieges gegen Iran nicht auf das Konto des Mossad, sondern der militärischen Aufklärung. Häufig arbeiten sie Hand in Hand. Ein Beispiel: Wenn für eine Überwachungsoperation eine Kamera installiert werden muss, macht das der Mossad. Die Bilder wertet der Militärgeheimdienst aus.

Bei den jüngsten Operationen hat Israel nach eigenen Angaben auch israelische Staatsbürger auf iranischem Gebiet eingesetzt. Meist werden aber iranische Agenten angeworben und in Nachbarländern ausgebildet. Manche sitzen im Machtapparat an wichtigen Schaltstellen. Ein besonders gut dokumentierter Fall ist der von Alireza Akbari, der 2023 von Iran hingerichtet wurde. Laut einem Bericht der „New York Times“ war der frühere Verteidigungsminister, der zuvor in der Revolutionsgarde hohe militärische Posten innehatte, von Großbritannien angeworben worden.

Er beschaffte über Jahre hinweg geheime Dokumente über das Atomprogramm und enthüllte gegenüber dem Westen die Existenz der unterirdischen Atomanlage Fordo, auf die jüngst die Vereinigten Staaten bunkerbrechende Bomben abwarfen. Akbari gab sich nach außen als religiöser und politischer Hardliner und loyaler Anhänger des Führers Ali Khamenei. Er wurde 2019 mithilfe russischer Geheimdienstmitarbeiter enttarnt. Nach iranischen Angaben soll er die Identität des führenden iranischen Atomwissenschaftlers, Mohsen Fakhrizadeh, enthüllt haben, der 2020 von Israel getötet wurde.

Neben der Vernichtung von Wissen zielte Israel darauf ab, unter den Forschern Angst und Schrecken zu verbreiten, damit es für das iranische Regime schwieriger werde, die klügsten Köpfe für das Atomprogramm zu rekrutieren. Dafür seien auch weniger bedeutende Mitarbeiter ins Visier genommen worden, schreibt der Geheimdienstspezialist Bergman in seinem Buch. Zum Beispiel sei ein Chemieingenieur getötet worden, der auf einem Foto gemeinsam mit dem Präsidenten Mahmud Ahmadineschad zu sehen war. Ein Agent auf einem Motorrad soll eine Haftmine an einem fahrenden Auto angebracht haben. Daran kann man ablesen, dass Israel ein Heer an Schläferzellen in Iran aufgebaut hat, das im Bedarfsfall aktiviert werden kann. Wenige Stunden, bevor am Dienstag ein informeller, fragiler Waffenstillstand in Kraft trat, wurde ein weiterer Atomwissenschaftler getötet.

Komplexe Operationen sind die Stärke des Mossad

Deutlich komplexer müssen die Operationen zur Tötung militärischer Führer gewesen sein. Wie im Fall von Mohammad Saeed Izadi, dem Chef der palästinensischen Division der Eliteeinheit Quds. Izadi sei sofort untergetaucht, nachdem er gesehen habe, wie seine Mitstreiter, häufig im Bett, liquidiert wurden, schreibt Bergman in der israelischen Zeitung „Yedioth Ahronoth“. Er sei schließlich in einem Versteck im iranischen Qom getötet worden. Izadi habe weit oben auf der Tötungsliste gestanden, seit in einem Tunnel in Gaza Dokumente gefunden worden seien, die belegt hätten, dass Izadi der Hamas Hilfe bei ihrem Wiedererstarken zugesagt habe.

Schon die gleichzeitige Explosion Tausender Pager in den Händen von Hizbullah-Kämpfern im vergangenen Jahr hatte die technische Komplexität israelischer Geheimdienstoperationen demonstriert. Nicht ohne Grund haben die iranische Militärführung und der Oberbefehlshaber die Kommunikation mit technischen Geräten Berichten zufolge eingestellt. Das Misstrauen untereinander scheint so groß, dass Khamenei nur noch über Vertraute kommunizieren soll.

In Iran gibt es viele unterdrückte ethnische und religiöse Minderheiten und politische Oppositionsgruppen im Untergrund, die vermutlich ein Reservoir an potentiellen Spionen darstellen. Neben Rache dürften Geld und Patriotismus weitere Beweggründe sein. Bergman hat noch ein anderes Motiv ausgemacht: „Leute wollen sein wie James Bond, und sie mögen es, wenn eine starke Kraft im Geheimen hinter ihnen steht.“ Die Sabotageakte, die sie verüben, werden oft jahrelang vorbereitet. So wie eine Explosion in der Atomanlage von Natans im Jahr 2020. Der Sprengstoff dafür soll in einem Tisch versteckt gewesen und in kleinen Mengen über einen längeren Zeitraum versteckt in einem Teelöffel in die Anlage gebracht worden sein.

Um vom Versagen der eigenen Spionageabwehr abzulenken, macht das iranische Regime seit Tagen verstärkt Jagd auf echte und eingebildete Spione. Allein am Mittwoch wurden drei Kurden hingerichtet, denen vorgeworfen wurde, die ferngesteuerte Waffe ins Land gebracht zu haben, mit der der Atomwissenschaftler Fakhrizadeh 2020 getötet worden war. Die Männer haben jegliche Beteiligung bestritten. Menschenrechtsaktivisten sagen, ihre „Geständnisse“ seien unter schwerer Folter erpresst worden. Zudem gab es seit Kriegsbeginn Dutzende Festnahmen wegen angeblicher Spionage, die unter Kriegsrecht abgeurteilt werden. Wie sehr Teheran unter Druck steht, Erfolge vorzuweisen, zeigt auch der Fall eines deutschen Fahrradtouristen. Er war schon im vergangenen Jahr festgenommen worden, wurde aber erst jetzt der Öffentlichkeit als angeblich auf frischer Tat ertappter israelischer Spion präsentiert.