Warum in Deutschland weiter viel geraucht wird

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Stand: 25.06.2025 16:10 Uhr

Es ist in Deutschland die häufigste Ursache für einen frühzeitigen Tod – das Rauchen. Die WHO sieht beträchtliche Mängel bei der Prävention. Mediziner fordern schnelles Handeln.

Melina Runde

Deutschland tut zu wenig, um den Konsum von Tabak zu kontrollieren – das stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem Bericht fest. Unter anderem müsse die Bundesregierung die Steuern auf Tabakprodukte erhöhen. Denn mit 61,4 Prozent befindet sich Deutschland in der WHO-Europa-Region, zu der 53 Länder gehören, demnach eher im unteren Viertel.

Expertinnen und Experten fordern seit Langem striktere Maßnahmen. Auch wenn der Konsum laut der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten in den vergangenen Jahren gesunken ist: Noch immer raucht hierzulande mehr als jeder Vierte (28,3 Prozent). Das Statistische Bundesamt verzeichnete zuletzt sogar einen leichten Anstieg des Zigarettenverbrauchs pro Kopf.

Belohnungszentrum wird innerhalb von Sekunden aktiviert

Auch bei Kindern und Jugendlichen bleibt der Nikotinkonsum hoch, wie das Präventionsradar zeigt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Etwa experimentieren Heranwachsende demnach, die sich weniger wohlfühlen oder mehr Stress erleben, häufiger mit Nikotinprodukten. Auch die Umgebung spiele eine Rolle, zum Beispiel das Wohnen in sozioökonomisch benachteiligten Regionen, der Besuch einer anderen Schule als das Gymnasium sowie der unmittelbare Freundeskreis.

Wird das Nikotin inhaliert, gelangt es innerhalb weniger Sekunden ins Belohnungszentrum des Gehirns und sorgt für ein wohliges Gefühl. Das Risiko davon körperlich und psychisch abhängig zu werden, ist extrem hoch. Ist das einmal der Fall, ist es häufig schwer für Betroffene aufzuhören.

Tausende Tote jährlich

Die Folge können Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Krebserkrankungen sein. Weltweit stirbt laut WHO jeder zweite Tabakkonsument, der nicht aufhört, an den Folgen. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge ist Rauchen die führende Ursache für einen vorzeitigen Tod in Industrienationen. In Deutschland sterben demnach etwa 127.000 Menschen pro Jahr durch den Konsum.

Relevant ist das nicht nur für Raucherinnen und Raucher selbst. Denn ihr Konsum löst hohe Kosten für die Gesundheitsversorgung aus und kann zur Erwerbsunfähigkeit oder Frühverentung führen, so das RKI. Erst vor wenigen Tagen beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen, dass Früherkennungsuntersuchungen auf Lungenkrebs voraussichtlich ab April 2026 für starke Raucher von den Krankenkassen übernommen werden.

Höhere Tabaksteuer gefordert

Damit es erst gar nicht so weit kommt, soll die Tabaksteuer helfen. Sie erhöht sich zwar gesetzlich festgeschrieben bis 2026 in regelmäßigen Abständen – allerdings nur minimal. Seit Januar 2025 fällt dadurch etwa ein halber Cent pro Zigarette mehr an Steuern an als in den zwei Jahren davor. Es sei höchste Zeit, die Tabaksteuer deutlicher zu erhöhen, sagt Professor Wulf Pankow, Experte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. “Weil wir wissen, dass das präventiv besonders bei Jugendlichen und bei Menschen mit niedrigem Einkommen, die sehr preissensibel sind, einen starken Effekt hat.”

Nach der WHO-Empfehlung soll die Steuer mindestens 75 Prozent des Preises von Tabakprodukten ausmachen. Rund 40 Länder liegen demnach darüber.

Aber nicht nur bei der Tabaksteuer hierzulande ist die WHO unzufrieden: Auch reichten die Werbeverbote nicht aus sowie die Unterstützungsprogramme, um von der Sucht loszukommen. Völlig unzureichend findet die WHO die Rauchverbote in öffentlichen Räumen. So bestehen in den meisten Bundesländern weiterhin Ausnahmen beim Rauchverbot in Gaststätten.

Auch E-Zigaretten sind gefährlich

Pneumologe Pankow, der seine Fachgesellschaft auch im Aktionsbündnis Nichtrauchen vertritt, kritisiert die politische Einflussnahme der Tabakindustrie. Die Politik habe jahrelang verhindert, dass Deutschland da vorangehe. Pankow hofft, dass sich das ändert.

Auch bei E-Zigaretten sehen Expertinnen und Experten Nachholbedarf. Die auch als Vapes bezeichneten Geräte enthalten zwar keinen Tabak, dabei werden in den meisten Fällen allerdings nikotinhaltige Flüssigkeiten verdampft, die auch süchtig machen können. Selbst wenn in diesen sogenannten Liquids außer Nikotin überwiegend harmlose Substanzen steckten, sei das Verbrennen entscheidend, sagt Pankow. “Dabei entstehen ganz neue Produkte, die dann gesundheitsschädlich sind.” Das zeigte etwa eine Studie aus 2024.

WHO und DGP fordern Verbot von Aromen in E-Zigaretten

Wie viele Menschen in Deutschland tatsächlich E-Zigaretten nutzen, dazu gibt es bisher kaum valide Zahlen. Einige Erhebungen deuten zumindest einen Anstieg innerhalb der vergangenen Jahre an – vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Laut DGP hat sich die Zahl der unter 14- bis 17-Jährigen zwischen 2021 und 2022 verfünffacht.

Die WHO sowie die DGP fordern – ähnlich wie für Tabakerhitzer – ein Verbot von Aromen in E-Zigaretten. Sie werfen der Industrie vor, etwa mit süßen und fruchtigen Geschmacksrichtungen junge Menschen anzulocken, um sie süchtig zu machen und als langjährige Kunden zu gewinnen.

Süß und schädlich

“Aromen vermindern den Hustenreiz. Sie erleichtern daher den Einstieg ins Rauchen und haben darüber hinaus eine konsumfördernde Wirkung, gerade für Jugendliche”, erklärt Professor Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel. “Aromen ermöglichen ebenfalls ein tieferes Inhalieren, das die Aufnahme von toxischen Substanzen erhöht. Schließlich steigern Aromen auch das Suchtpotenzial, weil das Nikotin besser aufgenommen werden kann”, so Hanewinkel.

Für einzelne Aromen wurden bereits gesundheitsschädliche Wirkungen nachgewiesen. So könne etwa das Vanille-Aroma natürliche Abwehrvorgänge im Körper unterdrücken, die Lungenfunktion verändern und zu Entzündungsreaktionen sowie DNA-Schäden führen, heißt es in einem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Für viele Aromen fehle es aber weiter an toxikologischen Untersuchungen.

Nur vier Länder haben alle WHO-Maßnahmen umgesetzt

Einige EU-Länder haben solche Aromen bereits verboten, darunter die Niederlande. Sie ist eines von vier Ländern, das sämtliche von der WHO empfohlenen Maßnahmen umgesetzt hat, berichtet die WHO – neben Brasilien, Mauritius und der Türkei.

Mit Deutschland ist die WHO nur in drei von sieben Kategorien zufrieden: Bei der häufigen Erhebung von Daten, wie viele Menschen Tabak nutzen, bei den Warnungen vor den gesundheitlichen Schäden und bei Kampagnen gegen Tabakkonsum in Massenmedien.