Der Opposition ist es zu viel Schwarz auf Weiß

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Nun haben die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses und des Haushaltsausschusses es schwarz auf weiß: das Ergebnis der Untersuchung der ehemaligen Staatssekretärin Margaretha Sudhof, SPD, zur Beschaffung von Masken durch den einstigen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, in der Corona-Pandemie. Allerdings ist es der Opposition deutlich zu viel Schwarz auf Weiß.

Am Mittwochmorgen war der lange unter Verschluss gehaltene Bericht an die Abgeordneten verschickt worden, dann tagte der Gesundheitsausschuss, viel Zeit zum vorbereitenden Lesen war also nicht. Anschließend klagte die Opposition, dass zu viele Passagen in dem 168 Seiten starken Bericht geschwärzt seien. Von 40 Seiten, die „fast vollständig“ geschwärzt seien, sprach der Grünen-Abgeordnete Janosch Dahmen.

Blättert man den 168 Seiten starken Bericht durch, scheint diese Zahl selbst bei großzügiger Auslegung des Wortes „fast“ übertrieben. Allerdings finden sich wirklich viele schwarze Stellen. Während das Gesundheitsministerium versichert, es handele sich nur um Stellen, an denen Persönlichkeitsrechte geschützt würden, es um laufende Gerichtsverfahren gehe oder um Namen von Unternehmen, die geschützt werden müssten, bezeichnete Dahmen es als nicht klar, ob es sich tatsächlich nur um solche Gründe handele oder Schwärzungen stattgefunden hätten, um den damaligen Minister Spahn zu schützen.

Warken verteidigt Spahn mit Kritik am Bericht

Die Oppositionspolitiker verwiesen nach Lektüre nicht auf grundsätzlich Neues, was sich in dem Sudhof-Bericht finde. Vielmehr geht es ihnen um mehr Transparenz des Ministeriums, aber auch der Koalitionsfraktionen im Umgang mit der Maskenbeschaffung durch Spahn. Mit Blick auf dessen Parteifreundin Nina Warken, die mittlerweile das Gesundheitsressort führt, sagte der Linken-Politiker Ates Gürpinar, man könne die Aufklärung nicht einem CDU-geführten Ministerium oder einer Enquete-Kommission überlassen. Die Opposition fordert schon lange, einen Untersuchungsausschuss in der Angelegenheit einzusetzen. Dieser hätte deutlich mehr Möglichkeiten, einen Gegenstand zu durchdringen, etwa durch die Vorladung von Zeugen, die dann unter Eid aussagen.

Das lehnt die Union ab, die SPD folgt dem Koalitionspartner. Stattdessen will Schwarz-Rot einer Enquete-Kommission mit einem sehr breiten Arbeitsauftrag bis Mitte 2027 Zeit geben, um die Corona-Pandemie aufzuarbeiten. Die Maskenbeschaffung soll einer von zahlreichen Untersuchungsgegenständen sein.

Warkens Start im neuen Amt ist durch die wieder aufgeflammte Debatte über Spahns Umgang mit der Maskenbeschaffung nicht leichter geworden. Liest man die 16 Seiten, die die Gesundheitsministerin als Auswertung des Sudhof-Berichts an die Mitglieder des Haushaltsausschusses verschickt hat, so entsteht nicht das Gefühl, dass Warken vorsichtig auf Distanz zu Spahn gehe. Das wollten Oppositionspolitiker beim Auftritt der Ministerin im Gesundheitsausschuss wahrgenommen haben. In dem Papier kritisiert Warken Sudhof vielmehr scharf und verteidigt damit Spahn. „Da werden teilweise Tatsachen vorgetragen, die durch Quellen nicht untermauert sind“, schreibt sie. Gleich darauf wirft sie Sudhof vor, Spahn nicht befragt zu haben.

„Fehlendes ökonomisches Verständnis und politischer Ehrgeiz“

Der Sudhof-Bericht, aus dem die F.A.Z. als Erste berichtet hatte, lange bevor er den Abgeordneten geschickt worden war, lässt Spahns Beschaffungspraxis in einem ungünstigen Licht erscheinen. Das Papier bestätigt in weiten Teilen die Kritik des Bundesrechnungshofs aus zwei Gutachten von 2021 und 2024. Demzufolge wurden unter Spahn nicht nur viel zu viele, sondern auch viel zu teure Corona-Schutzmasken bestellt. Mehr als die Hälfte davon mussten ungenutzt verbrannt werden oder sind bis heute dafür vorgesehen. Nach wie vor streitet das Ministerium mit Maskenhändlern über nicht bezahlte Lieferungen im Wert von geschätzt 2,3 Milliarden Euro zum Nachteil des Steuerzahlers. Hinzu kommen noch die Zinsen und Prozesskosten.

Sudhof führt die Vertrags- und Beschaffungsfehler auch auf wirtschaftliche Unkenntnis und übersteigerte politische Ambitionen Jens Spahns zurück, der heute Fraktionschef der Union im Bundestag ist. „Fehlendes ökonomisches Verständnis und politischer Ehrgeiz können aber, wie in diesem Falle, dazu führen, dass nicht als Team ,Staat‘, sondern als Team ,ich‘ gehandelt wird“, heißt es in den zum Teil auffällig flapsig geschriebenen und schlecht redigierten Ausführungen. „So begann das Drama in Milliarden-Höhe mit der Entscheidung des damaligen Bundesministers, nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen, sich fachfremd und ohne Arbeitsmuskel mit Milliarden auf dem Gebiet der Beschaffung betätigen zu wollen. Das zieht bis heute erhebliche Kosten und Risiken mit sich.“

Das Gutachten vermittelt den Eindruck, dass Spahn zu teuren Alleingängen neige: „So entschied der damalige Gesundheitsminister, abweichend von der Kompetenzverteilung der Bundesressorts und ungeachtet der dort jeweils vorgehaltenen Fachkompetenz (z.B. für Beschaffung, Logistik usw.) die Beschaffung allein meistern zu wollen.“ Nach Spahns Grundsatzentscheidung vom 7. und 8. März 2020 seien Beschaffungsverträge über elf Milliarden Euro abgeschlossen worden.

Da sein Haus die Entgegennahme, Lagerung und Verteilung der sogenannten Persönlichen Schutzausrüstung nicht selbst organisieren konnte, aber auch – trotz anderslautender Empfehlungen – den vorhandenen Beschaffungsbehörden der Bundesverwaltung misstraute, griff Spahn auf ein ihm persönlich bekanntes Logistikunternehmen zurück, das im Nachbarwahlkreis angesiedelt ist. Das Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums riet von der Beauftragung ab, es hielt sogar größere internationale Anbieter jeweils für sich genommen für überfordert mit der Mammutaufgabe. Tatsächlich scheiterte das von Spahn ausgewählte Unternehmen.

Spahn hätte gewarnt sein können

Den neuen Erkenntnissen zufolge warnte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr schon früh vor den sogenannten offenen Beschaffungswegen, für die sich Spahn entschieden hatte. Dieses Open-House-Verfahren lief außerhalb des kartellrechtlichen Vergaberechts. Es besagte, dass jeder Händler, mit dem ein Vertrag geschlossen wurde, zu einem festen Stückpreis so viel Masken liefern konnte, wie er wollte, sofern das Material den Qualitätsanforderungen entsprach und nicht nach dem vereinbarten Stichtag geliefert wurde.

Sudhof hält fest, es habe von vornherein Zweifel an der Mengen- und Qualitätssteuerung sowie an der rechtlichen Zulässigkeit dieses Vorgehens gegeben. Auch hätten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Verträge der gerichtlichen Prüfung nicht standgehalten und bildeten bis heute einen wesentlichen Grund für die zahlreichen Klagen der Händler gegen den Bund. Das Open-House-Verfahren sei „außer Kontrolle“ geraten, die Lager seien geradezu überschwemmt worden.

Mit Bezug auf interne E-Mails aus dem Gesundheitsministerium hatte die F.A.Z. schon im Juli 2024 aufgedeckt, dass Spahn im März 2020 entgegen den Empfehlungen seiner eigenen Fachabteilung den Festpreis im Open-House-Verfahren um die Hälfte von 3 auf 4,50 Euro netto je Stück heraufgesetzt hatte. Im Bemühen, Spahns Verhalten zu verteidigen, stellt das CDU-geführte Gesundheitsministerium diese Zahl infrage. In Warkens 16-Seiten-Bewertung findet sich der Hinweis, dass die Generalzolldirektion am 17. März 2020 als „aktuellen Einkaufspreis“ für FFP2-Masken den Preis von 6,02 Euro genannt habe. Die Arbeitsgemeinschaft Haushalt der Unionsfraktion nimmt den Ball in einer zweiseitigen „Kurzbewertung“ des Berichts von Sudhof auf und wirft der Verfasserin vor, diese Information „ignoriert“ zu haben.