Wer soll diese SPD noch wählen?

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Es gab Zeiten, in denen die SPD noch zweifelsfrei Volkspartei genannt werden konnte. Als sie noch in verschiedenen Milieus gut vernetzt war. Ganz gleich, ob bei den ganz Jungen, den ganz Alten oder allen Wählern dazwischen: Von 1961 bis 2005 kamen die Sozialdemokraten noch in jeder Altersgruppe auf mehr als 30, teils mehr als 40 Prozent. Einmal sogar auf 54,7 Prozent bei den Achtzehn- bis Vierundzwanzigjährigen im Jahr 1972. „Willy wählen“ hieß es damals; eine Kampagne, die besonders junge Wähler dazu bewog, für die SPD mit ihrem Kanzler Willy Brandt zu stimmen.

Noch heute blicken viele Sozialdemokraten sehnsüchtig auf die Zeit unter Brandt zurück, die Parteizentrale ist nach dem früheren Vorsitzenden benannt, dort steht auch ein Denkmal zu seinen Ehren. Es ist oft im Fernsehen zu sehen, etwa wenn die Parteifunktionäre nach einer großen Wahl erstmals vor die Öffentlichkeit treten. So wie im Jahr 2021, als Scholz nach seinem Erfolg mit „Olaf, Olaf“-Rufen begrüßt wurde. Und so wie im Februar dieses Jahres, als Scholz nach seinem Misserfolg „ein bitteres Wahlergebnis für die Sozialdemokratische Partei“ konstatierte.

Die Mitglieder der SPD altern, ihre Wähler auch

Das gilt es an diesem Wochenende aufzuarbeiten, wenn die SPD sich auf dem Bundesparteitag in Berlin trifft. Denn dort will sie sich fragen: Wer soll uns in Zukunft noch wählen?

Hilfreich wäre es dabei, schauten die Sozialdemokraten nicht nur auf die Verluste zwischen der Bundestagswahl, die Scholz zum Kanzler machte, und der Bundestagswahl, die Scholz die Kanzlerschaft gekostet hat. Sie sollten auch den Blick weiten auf den Langzeittrend, der klar negativ ist, wohin man nur schaut.

Die 54,7 Prozent bei den Jungwählern etwa sind nun 53 Jahre her. Nur noch 11,3 Prozent waren es in dieser Altersgruppe bei dieser Bundestagswahl, wie die repräsentative Wahlstatistik zeigt, die das Statistische Bundesamt in dieser Woche veröffentlicht hat. Nicht nur die Mitglieder der SPD altern, ihre Wähler auch.

Unterm Strich steht ein Abwärtstrend in allen Altersgruppen

Fest steht: Bis mindestens 1990, dem Jahr der Wiedervereinigung, konnte die Partei in der jüngsten Altersgruppe immer besser abschneiden als insgesamt. Wann genau der Kipppunkt erreicht wurde, ist unklar, weil die Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik 1994 und 1998 ausgesetzt war. Klar ist aber: Seit der Jahrtausendwende gelang es der SPD nur noch einmal, im Jahr 2005, bei den Jungwählern besser abzuschneiden als insgesamt.

Merklich hochgezogen werden die Bundestagswahlergebnisse seit 2009 nur noch von der Altersgruppe 60 plus. Doch auch die Alten aus den geburtenstärkeren Jahrgängen machen tendenziell immer seltener ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten.

Unterm Strich steht für die SPD ein jahrelanger Abwärtstrend in allen Altersgruppen. Der vorläufige Tiefpunkt: die Wahl im Februar. Es war das schlechteste Bundestagswahlergebnis der Partei seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949.

Unter Scholz konnte die SPD 2021 noch einmal in allen Altersgruppen von 35 Jahren an zulegen, doch in diesem Jahr verlor sie die Wähler umgehend wieder. Dass die Partei bei den Jungwählern seit Längerem nicht mehr so gut ankommt wie früher, mag sie aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge noch verkraften. Dass sich aber der arbeitende Teil der Bevölkerung – diejenigen zwischen Ausbildung und Rente also – von der SPD abwendet, dürfte die ehemalige Arbeiterpartei mehr schmerzen. Mit Blick auf Alter und Geschlecht schnitt die Partei zuletzt in keiner Wählergruppe so schlecht ab wie bei den 35 bis 44 Jahre alten Männern (9,8 Prozent).

Von ihrem Bundestagswahlergebnis im Februar hat sich die SPD – gerade noch Kanzlerpartei, jetzt Juniorpartner in der Bundesregierung – in den Umfragen vier Monate später noch nicht erholen können. Gut möglich, dass dies noch geschieht. Eine wirkliche Trendwende aber wird für die SPD angesichts der zunehmenden Konkurrenz in der Parteienlandschaft, des Niedergangs vieler Ortsvereine und der Alterung der Parteimitglieder immer schwerer zu erreichen sein.