Urteil in Spanien: Amnestie für Katalanen verfassungsgemäß

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Kaum ein Gesetz hat Spanien so aufgebracht wie die Amnestie für katalanische Separatisten. Doch das Verfassungsgericht hat keine prinzipiellen Einwände gegen eines der umstrittensten Gesetze der linken Minderheitsregierung. Eine Mehrheit der Richter wies am Donnerstag die Klage der konservativen PP zurück: Die seit gut einem Jahr geltende Amnestie ist damit mit Ausnahme von drei geringfügigen Aspekten verfassungsgemäß.

Für Ministerpräsident Pedro Sánchez, dessen PSOE-Partei mit einem großen Korruptionsskandal zu kämpfen hat, bedeutet das einen politischen Triumph – eine „großartige Nachricht für das Zusammenleben in Spanien“, wie er sagte. Der frühere sozialistische Ministerpräsident Felipe González nannte die Amnestie eine „Schande“ und kündigte an, Sánchez nicht mehr zu wählen. Die konservative PP hält die Amnestie für „illegal“. „Es ist eine Selbstamnestie“, sagte der PP-Vorsitzende Alberto Núñez Feijóo. Es handele sich um einen „Akt unmoralischer politischer Korruption“. Die Richtungsentscheidung könnte dem nach Belgien geflohenen ehemaligen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont den Rückweg in die Heimat ebnen.

Die PP hatte geklagt, weil es nach ihrer Ansicht Sánchez gar nicht darum gegangen sei, Katalonien zu befrieden, wie es der Ministerpräsident begründete. In Wirklichkeit sei es ein politisches Gegengeschäft gewesen, um im nationalen Parlament die Stimmen der sieben Abgeordneten von Puigdemonts separatistischer Junts-Partei zu bekommen. Ohne die Amnestie wäre Sánchez im November 2023 nicht wieder Regierungschef geworden. Politisch pikant ist heute, dass Sánchez’ wichtigster Unterhändler damals Santos Cerdán war, die Nummer drei von Sánchez’ PSOE-Partei; er steht jetzt im Mittelpunkt der Korruptionsaffäre.

Bis zu 400 Personen könnten profitieren

Das Verfassungsgericht weigerte sich, die politischen Motive zu würdigen, die zu der Amnestie führten. Auch den Einwand der PP, dass die Verfassung keine Amnestie vorsehe, wies das Gericht zurück. Es hat seit 2023 eine „progressive“ Mehrheit, die der regierenden Linken zuneigt. Sechs dieser Richter stimmten jetzt zu, vier konservative dagegen. Letztere beklagen in ihren Sondervoten, dass der Beschluss aus keiner „echten kollegialen Beratung, sondern aus einer vorgefertigten Entscheidung“ hervorgegangen sei. Das Gericht betont, dass alle Gesetze letztlich auf Kriterien der politischen Opportunität reagierten: Der Gesetzgeber könne machen, was er wolle, solange er sich an die Verfassung halte.

Sánchez selbst hatte vor einem Jahr zugegeben, dass er aus seiner politischen Not eine Tugend machte: Weil „die Umstände so sind, wie sie sind“, habe er sich für den „Weg des Dialogs und des Verzeihens“ entschieden. Vor der Wahl hatte seine Regierung zwar führende Separatisten begnadigt, die zu langen Freiheitsstrafen verurteilt worden waren, hatte eine Amnestie aber ausgeschlossen. Rund 30 weitere Klagen sind in der Sache beim Verfassungsgericht anhängig, das sich geweigert hatte, die Antwort auf ein Vorabentscheidungsersuchen vor dem Gerichtshof der EU abzuwarten. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts verletzt die Amnestie auch kein europäisches Recht.

Bis zu 400 Personen könnten davon profitieren, dass alle zwischen 2011 und 2023 „im Zusammenhang mit dem katalanischen Unabhängigkeitsprozess“ begangenen Taten straflos bleiben. Die separatistische Organisation Òmnium schätzt, dass von der Amnestie bisher weniger als 40 Prozent der Unabhängigkeitsbefürworter profitiert haben, die sie beantragt hatten; insgesamt 178 Aktivisten und Politiker. Gleichzeitig wurden etwa 130 Polizisten amnestiert, die in den Tagen des Referendums im Einsatz waren. Auch Hausmeister, die Schulen für die illegale Volksabstimmung aufsperrten, wurden bestraft – sie könnten nun ebenfalls von der Amnestie profitieren. Für verurteilte Politiker bleibt ein Berufsverbot bestehen: Sie dürfen bis 2031 nicht für öffentliche Wahlämter kandidieren.

Puigdemont wird nicht sofort von dem Urteil profitieren

Puigdemont und andere führende Separatisten werden jedoch nicht sofort von dem Urteil profitieren. Denn der Oberste Gerichtshof wirft ihnen vor, sie hätten Steuergelder missbraucht und sich persönlich bereichert. Die Richter sind der Ansicht, dass er und mehrere Mitstreiter staatliche Mittel missbraucht haben, um das illegale Unabhängigkeitsreferendum 2017 zu organisieren. Nach Auffassung der Richter fällt dieses Delikt nicht unter die Amnestie: Die Separatisten hätten sich indirekt bereichert, weil sie für ihre verfassungswidrigen Pläne nicht ihr eigenes Vermögen eingesetzt hätten.

Auch der – von konservativen Richtern dominierte – Oberste Gerichtshof hält das komplette Amnestiegesetz für verfassungswidrig und hat deshalb das Verfassungsgericht angerufen. Das wird jetzt auch Puigdemont tun, um klären zu lassen, ob der Vorwurf der Veruntreuung ein Hinderungsgrund für die Anwendung der Amnestie ist. Sein Verfahren wird sich noch länger hinziehen.

Zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung lehnten laut Umfragen mehr als 60 Prozent der Spanier die Amnestie für die Anführer der Separatisten ab. Unter ihnen sind auch viele Wähler von Sánchez’ PSOE-Partei.