Wie die Deutsche Bahn sich für Klima-Folgen rüstet

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Stand: 27.06.2025 01:37 Uhr

Die Klimakrise trifft längst auch die Bahn: Hochwasser sorgen für Erdrutsche, die Gleise zerstören. Stürme und Trockenheit lassen Bäume zur Gefahr werden. Welche Lösungsansätze gibt es?

Von Simon Schomäcker, WDR

Bei der Deutschen Bahn ist es seit Mitte der 2010er-Jahre Alltag, Präventionsmaßnahmen gegen die Folgen von Extremwetter zu entwickeln. Eine große Aufgabe: kontrollieren, ob der Baumbestand entlang der Strecken Gefahren birgt.

Laut Konzernsprecher Achim Stauß ist das nicht so einfach: “Wir haben mal ausgerechnet, dass 70 Prozent des Streckennetzes der DB baumbestanden ist, aber nur etwa die Hälfte dieser Bäume auch in DB-Besitz ist. Das heißt, wir müssen immer auch mit den Naturschutzbehörden, mit den Grundstückseigentümern zusammenarbeiten.”

Zu viele Bäume an der Strecke sind problematisch

2022 hatte ein Forschungsteam aus Glasgow empfohlen, mehr Bäume entlang der Strecken zu pflanzen und sie so zu beschatten. Birgit Milius, Leiterin des Fachgebiets Bahnbetrieb und Infrastruktur an der Technischen Universität Berlin, erlebt in der Praxis das genaue Gegenteil. “Es wird auf jeden Fall immer wieder diskutiert, dass man vom Prinzip her größere Schneisen rechts und links der Strecke hat – um genau das Problem zu vermeiden: dass halt Bäume, wenn sie umkippen, wenn sie Äste verlieren, dass die auf die Strecke fallen.”

Mindestens sechs Meter vegetationsfreie Zone auf beiden Gleisseiten schreiben die Richtlinien der Deutschen Bahn heute vor. Denn starke Stürme treten längst nicht mehr nur in den Herbst- und Wintermonaten auf, sondern auch dann, wenn vollbelaubte Bäume weit mehr Angriffsfläche bieten.

Prognosen für Baumgesundheit nicht mehr verlässlich

Zudem begünstigen lange Trockenperioden Astbrüche. Wie den auf der Bahnstrecke bei Köln-Mülheim, der Pfingsten 2025 einen ICE beschädigte und ihn fünf Stunden lang zu einem Stopp zwang. Dabei sei der Baum bei der letzten Inspektion völlig unauffällig gewesen, sagt Konzernsprecher Stauß. “Der gebrochene Ast hat auch keinerlei Faulstellen gezeigt. Das zeigt uns auch die Grenzen der Prognose.”

KI kann eine Lösung für bessere Prävention sein

Bahnforscherin Milius meint, dass Prognosen für die Boden- und Streckenbeschaffenheit dank moderner Technik einfacher seien. Denn Kontrollfahrzeuge seien mit sehr vielen Messgeräten ausgestattet, die Daten sammeln. Eine Chance sei, “dass man diese Messdaten intelligent auswertet. Dass man auch mit KI schaut: Welche Konstellationen, welche Veränderungen deuten welche Arten von Schäden perspektivisch an”. Milius erhofft sich dadurch bessere Vorhersagen, zum Beispiel über steigende Grundwasserspiegel, die den Boden aufweichen und schlimmstenfalls abrutschen lassen – wie bei der Eifelbahn in Rheinland-Pfalz nach der Flut 2021.

Sensorische Erfassungsmethoden gibt es laut Bahnsprecher Stauß nicht nur auf den Fahrzeugen. Auch an den Strecken seien Sensoren installiert, “die Echtzeitdaten live erfassen. Nicht nur an Schienen, sondern auch an Stellwerken, die ja gekühlt werden müssen”, erklärt er. “Wenn sie zu heiß werden und ausfallen, beeinträchtigt das den Bahnbetrieb massiv.”

Schienen sind sehr hitzebeständig

Seitdem Bahnschienen verschweißt und nicht mehr mit Laschen zusammengehalten werden, machen ihnen große Temperaturschwankungen wenig aus. Stauß erzählt von Testreihen, für die Schienen seitlich weiß gestrichen wurden, “damit die Hitze nicht mehr absorbiert, sondern reflektiert wird”. Aber die Abkühlung sei nur gering gewesen. “Und man muss auch sagen: Die Erhitzung der Schienen ist nicht das Problem bei Extremwetter. Sie sind für Temperaturen von bis zu 60 Grad plus ausgelegt.”

Zu wenige Ausweichstrecken

Rund 33.000 Kilometer Bahngleise liegen derzeit in Deutschland. Dem stehen etwa 50.000 Kilometer Autobahnen und Bundesstraßen gegenüber – und viele kleinere Straßen. Im Falle von Staus oder Wetterschäden gibt es also für den Autoverkehr genügend Ausweichrouten.

Verkehrsforscherin Birgit Milius wünscht sich das auch für die Bahn. Sollte tatsächlich eine Strecke durch ein Regen- oder Sturmereignis in Mitleidenschaft gezogen werden, müsste so nicht der ganze Verkehr stillstehen.

Klimawandel macht die Verkehrswende komplizierter

Der Wettlauf der Bahn gegen den Klimawandel hat aber gerade erst begonnen. Für eine gelingende Verkehrswende heißt es also nicht mehr bloß, attraktive Verbindungen und Reisegeschwindigkeiten zu schaffen. Sie lassen sich nur einhalten, wenn auch eventuelle Naturgefahren in großem Maße berücksichtigt werden können.