Immer mehr Pflegebedürftige, immer weniger Pflegepersonal: Bis Roboter Pflegekräfte entlasten können, wird es noch dauern. Das zeigt sich auch auf der Automatica, der Messe für intelligente Automation und Robotik.
Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Laut Pflegevorausberechnung erwartet das Statistische Bundesamt 2035 etwa 5,6 Millionen pflegebedürftige Menschen, eine Steigerung um 14 Prozent im Vergleich zu 2021.
Bis 2030 werden in Pflegeheimen und in der ambulanten Versorgung bundesweit voraussichtlich 130.000 Pflegekräfte zusätzlich benötigt, bis 2040 sind es bis zu 250.000 Fachkräfte. Das hat die “Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflege” berechnet, der unter anderem der Verband der privaten Krankenversicherung angehört.
Pflegekräfte sind aber schon heute gesucht. Einen Teil ihrer Aufgaben sollen deshalb einmal Roboter übernehmen, zum Beispiel Medikamentenlager auffüllen, Tee bringen oder dabei helfen, Schwerkranke umzubetten.
Roboter für verschiedene Pflegeaufgaben
Pflegeroboter werden speziell für die Aufgaben entwickelt, die sie einmal übernehmen sollen: als Serviceroboter, die Gegenstände bringen können, als Hebe- oder Aufstehhilfe, zur Förderung der Beweglichkeit für mobilitätseingeschränkte Menschen oder als Kommunikationspartner, der mit Pflegebedürftigen in Interaktion treten soll. Gerade letztere Robotertypen sind oft als humanoide Roboter konstruiert, ähneln also äußerlich Menschen.
Am Forschungszentrum Geriatronik der Technischen Universität München in Garmisch-Partenkirchen wird seit einigen Jahren der Assistenzroboter GARMI entwickelt. Auf der Messe Automatica in München erkennt er einen Transportwagen, wie man ihn aus Krankenhäusern kennt, und bewegt ihn. GARMI ist schon mehrmals im St. Vinzenz Altenheim der Caritas in Garmisch-Partenkirchen im Test-Einsatz gewesen.
GARMI war im St. Vinzenz Altenheim der Caritas in Garmisch-Partenkirchen schon mehrmals im Test-Einsatz.
Manche Aufgaben machen Robotern noch Probleme
Isabella Salvermoser ist wissenschaftliche Referentin für Robotik im Caritasverband München und Freising. Sie kümmert sich darum, dass die Forschung zum Thema Robotik Pflegekräfte und ihre Aufgaben im Blick hat: “Wir haben uns genau die Tätigkeiten angeschaut und haben identifizieren können, welche Tätigkeiten repetitiv sind, welche oft auftreten und vielleicht zeitaufwändig sind – und diese gilt es jetzt in GARMI zu implementieren.” Das sind Tätigkeiten wie Schränke auffüllen, Pflegewagen durch Gänge schieben oder die Pflegedokumentation erledigen.
Gerade Aufgaben, die für Menschen selbstverständlich sind, machen Robotern noch große Probleme. Alexander König, Professor für Robotik und Systemintelligenz an der TU München, entwickelt GARMI weiter. Er sieht die Forschung in naher Zukunft nicht auf dem Stand, einen Roboter zu entwickeln, der sich wie ein Mensch in der Welt selbständig zurechtfinden kann: “Das liegt daran, dass wir zum aktuellen Zeitpunkt noch sehr wenige Trainingsdaten haben.”
Er vergleicht das Robotertraining mit der Entwicklung von Chat-GPT: Chat-GPT habe im Grunde das ganze Internet gelesen. Es gebe sehr viel Text, aber nicht annähernd so viel Daten, die Bewegungen darstellen. Zudem brauche man für das Robotertraining neben den Daten zu den Bewegungen auch die Informationen über die Kräfte, die dabei aufgebracht werden.
Heikel sind Roboter, die Empathie simulieren
In Fabrikhallen sind Roboter schon längst im Einsatz. Dort sind präzise, planbare Bewegungen gefragt. Beim Umgang mit Menschen sind die Aufgaben komplexer. Sogenannte soziale Roboter sollen mit Pflegebedürftigen ins Gespräch kommen und diese wiedererkennen. Mithilfe künstlicher Intelligenz können sie Gedichte aufsagen, Witze erzählen oder beim Bewegungstraining helfen.
Roboter, die Empathie simulieren, sind ein heikles Thema, wenn es zum Beispiel darum geht, ob Demenzkranke Mensch und Roboter überhaupt unterscheiden können. Deshalb wird Roboter Johanni – ein Roboter von Navel Robotics, 70 Zentimeter groß und rund acht Kilo schwer, mit Kulleraugen und Mütze – im Johanniter-Haus in Herrsching am Ammersee immer von Betreuungsassistentinnen wie Martina Schreiber begleitet.
Noch braucht der Roboter, der einmal wöchentlich im Einsatz ist, selbst viel Unterstützung. Aus Sicherheitsgründen darf er nicht selbständig unterwegs sein. Für das Pflegeteam sei er trotzdem auch entlastend, sagt Martina Schreiber: “Wir haben Johanni im Einsatz, weil wir so positive Reaktionen von den Bewohnern wahrnehmen konnten. Wir können selbst auch ganz viele Informationen aus den Gesprächen der Bewohner mit Johanni herausziehen, etwa biografische oder was sie interessiert und bewegt. Das erzählen sie ganz oft dem Johanni, und davon können wir profitieren.”
Die Pflegebedürftigen nähmen den Roboter oft nicht nur als neutralen Gesprächspartner wahr, sie wollten ihm auch etwas beibringen und testeten bei der nächsten Begegnung sein Wissen. Eine Studie der Evangelischen Heimstiftung bestätigt die positive Resonanz auf Roboter wie Johanni als Bereicherung des Heimalltags.
Finanzierung von Robotern in der stationären Pflege
Roboter wie Johanni kosten rund 30.000 Euro. Uli Fischer, Leiter der Stabsstelle für klinische Pflegeforschung und Qualitätsmanagement am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, weist darauf hin, dass die Finanzierung von Robotern jenseits von Pilotstudien ein Problem darstelle, weil “durch keine Leistungsgruppen, durch keine Infrastrukturpauschalen der Einsatz von Robotik in der Klinik abgedeckt ist und das nicht über den über den Regelhaushalt einer Klinik finanziert werden kann”.
Viele Experten sind sich einig: Zukünftig werden Roboter Pflegekräfte bei zeitraubenden Aufgaben unterstützen, weil in der alternden Gesellschaft Betreuungspersonal fehlen wird. Was Roboter aber nicht können: die Pflegenden und menschliche Zuwendung ersetzen.