Keine 15 Euro – aber zumindest Arbeitsministerin Bas ist einverstanden

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Eine Stunde nach der Bekanntgabe des Mindestlohnbeschlusses durch die zuständige Kommission lieferte Bär­bel Bas (SPD) eine entscheidende Klarstellung. „Der gemeinsame Vorschlag bedeutet für Millionen Menschen mehr Geld im Portemonnaie“, teilte sie in ihrer Rolle als Arbeitsministerin mit. „Ich werde der Bun­des­re­gie­rung deshalb vorschlagen, diese Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1. Januar 2026 verbindlich zu machen.“

Der Beschluss, über den die je drei Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter in der Kommission am Freitag noch bis in die Morgenstunden verhandelt hatten, bleibt zwar deutlich unter der parteipolitisch gesetzten Zielmarke von 15 Euro je Stunde zum 1. Januar 2026. Aber er fand zumindest die Unterstützung der in dieser Angelegenheit entscheidenden Sozialdemokratin im Bundeskabinett. Die zu diesem Zeitpunkt noch designierte SPD-Ko-Vorsitzende Bas wiederholte nicht die Drohungen ihrer Partei, die Kommission widrigenfalls zu entmachten.

Deren Beschluss sieht vor, die allgemeine Lohnuntergrenze von heute 12,82 Euro in zwei Stufen anzuheben: zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro und zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro. Die auch im Koalitionsvertrag mit CDU/CSU genannte Zielmarke von 15 Euro wird also im gesamten Beschlusszeitraum bis Ende 2027 nicht erreicht. Für nicht wenige politische Beobachter verblüffend, hat die Kommission ihren Beschluss einstimmig, als mit Zustimmung der Gewerkschafter gefasst.

„Sozialpartner haben konstruktive Lösung gefunden“

Vor allem das macht es der SPD schwer, diesen nun in Bausch und Bogen zu verdammen. Sie würde sich dann anmaßen, über die Interessen der Arbeitnehmer besser Bescheid zu wissen als die Vertreter der Gewerkschaften mit knapp sechs Millionen zahlenden Mitgliedern. „Mit diesem errungenen Ergebnis haben die Sozialpartner eine konstruktive Lösung gefunden“, stellte Stefan Körzell, Vor­stands­mitglied des Deuschen Gewerk­schafts­bundes (DGB) und Anführer der Ar­beit­neh­mer­seite in der Kommission mit. Zudem hätten die Gewerkschaften damit ein Plus von 13,9 Prozent durchgesetzt.

Die erste Stufe auf 13,90 Euro entspricht einer Erhöhung um 8,4 Prozent, die zweite auf 14,60 Euro weiteren fünf Prozent. Bezieht man beide Erhöhungen von zusammen 1,78 Euro auf den heutigen Mindestlohn von 12,82 Euro ergeben sich knapp 13,88 Prozent. Damit steigt der Mindestlohn eher schneller und jedenfalls nicht langsamer als das allgemeine Lohnniveau. Der Tariflohnindex des Statistischen Bundesamts, der nach den Vorgaben des Mindestlohngesetzes eine zentrale Orientierungsgröße für die Kom­mis­sion ist, hätte eine Erhöhung auf rund 14 Euro mit Gültigkeit für den gesamten Zeitraum bis Ende 2027 nahegelegt.

Kommt die Erhöhung bei den Beschäftigten an?

Der Anführer der Arbeitgeber in der Kommission, Steffen Kampeter, ordnete das Ergebnis als „ausgewogen, aber für die Unternehmen herausfordernd“ ein. Insbesondere im Hinblick auf die zweite Erhöhungsstufe komme es nun darauf an, dass die Regierungskoalition durch Reformen Rahmenbedingungen für mehr Wachstum schaffe, damit die Unternehmen diese Belastung verkraften könnten. Ebenso sei eine Begrenzung der Sozialabgaben nötig, damit vom höheren Mindestlohn auch netto spürbar etwas bei den Beschäftigten ankomme, mahnte der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber-Bundesvereinigung BDA.

Wie die unabhängige Kommissionsvorsitzende Christiane Schönefeld erläuterte, geht das Beschlussergebnis diesmal auf einen von ihr vorgelegten Vermittlungsvorschlag zurück. Zuvor klaffte demnach noch eine deutliche Lücke zwischen den Positionen der Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter. Schließlich aber nahmen sie Schönefelds Vorschlag demnach einstimmig an. In den Kommissionsberatungen vor zwei Jahren war es einem zu heftigem Streit zwischen beiden Lager gekommen. Am Ende wurde der Beschluss da­mals mit den Stimmen Schönefelds und der Arbeitgeber ohne Zustimmung der Gewerkschaften gefasst.

Kommission wehrt sich gegen Druck der SPD

In ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag machten alle drei Hauptakteure – Schönefeld, Kampeter und Körzell – deutlich, dass sie den von der SPD ausgeübten politischen Druck auf ihre Kommission nicht gutheißen. Kampeter, der früher ranghoher CDU-Politiker war, ordnete es grundsätzlich ein: Politik müsse begreifen, dass „der institutionelle Schutz von Sozialpartnerschaft, aber auch die Unabhängigkeit der Kommission ein Wert an sich ist, ähnlich wie Pressefreiheit und andere Institutsgarantien“.

Deutlich wurde aber auch Körzell. Auf die Frage nach den Folgen, sollte die Regierung den Beschluss aus politischer Unzufriedenheit nicht umsetzen, sagte er ein Ende der Kommission voraus: „Dann haben wir uns heute das letzte Mal gesehen.“ In der SPD hörte die Kritik an der Kommission aber auch nach dem Votum von Ministerin Bas nicht auf. Cansel Kiziltepe, Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels, erneuerte gleich darauf die Forderung, per Gesetz 15 Euro festzuschreiben.

Gemischtes Echo unter Ökonomen

Zugleich kamen aus dem Arbeitgeberlager neben erleichterten Tönen auch kritische Stimmen. Eine Gruppe von Logistikverbänden sagte den „Ausstieg weiterer Unternehmen aus Tarif­ver­trä­gen“ voraus, die nun ausgehebelt würden, weil die Mindestlohnerhöhungen dem allgemeinen Lohnanstieg vorauseilen.

Der ehemalige „Wirtschaftsweise“ Lars Feld bewertete den Beschluss als „vertretbar“. Der Anstieg auf 14,60 Euro im Jahr 2027 „lässt sich rechtfertigen, wenn eine etwas größere Wachstumsdynamik kommt“, sagte er der F.A.Z. Feld ist einer der wissenschaftlichen Berater der Kommission. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warf dem Sozialpartnergremium hingegen vor, es habe mit seinem Beschluss „die Chance vertan“, Millionen Beschäftigten „zu helfen“.