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Der Bundestag hat am Freitag die Aussetzung des Familiennachzugs für eine bestimmte Flüchtlingsgruppe beschlossen. Für den Gesetzentwurf der schwarz-roten Koalition stimmten laut Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow 444 Abgeordnete. 135 Parlamentarier stimmten mit Nein. Für zwei Jahre soll das Kontingent für Angehörige von in Deutschland lebenden Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz nicht mehr erfüllt werden. Dies ist eine von mehreren Maßnahmen von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), um die Migrationszahlen in Deutschland zu senken.

  • Um welche Flüchtlinge geht es?

Es geht um Familienangehörige von sogenannten subsidiär Schutzberechtigten. Das sind Menschen, die in Deutschland weder im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention noch als Asylberechtigte anerkannt wurden, aber aus anderen Gründen bleiben dürfen. Dies ist der Fall, wenn ihnen im Heimatland Folter, Todesstrafe oder unmenschliche Behandlung droht. Betroffen sind häufig Bürgerkriegsflüchtlinge. Subsidiär Schutzberechtigte bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst drei Jahre, die verlängert werden kann.

  • Wie wurde der Familiennachzug bisher genutzt?

Über den Familiennachzug können sehr enge Angehörige, also Ehegatten, minderjährige ledige Kinder und Eltern von minderjährigen Kindern, ein Visum beantragen. Der ursprüngliche Gedanke beim Familiennachzug war ein humanitärer: Kinder sollten nicht von ihren Eltern getrennt aufwachsen, Ehepaare nicht dauerhaft in unterschiedlichen Ländern leben müssen. Zuletzt gab es ein Kontingent von bis zu 1000 solcher Zuzüge pro Monat. Nach der Flüchtlingskrise war diese Möglichkeit ab März 2016 schon einmal für etwa zwei Jahre ausgesetzt worden. 2018 wurde sie dann mit der Begrenzung auf 1000 Zuzüge pro Monat wieder eingeführt. Die Vergabe der Plätze erfolgt über das Visumverfahren, die Anträge müssen also bei den deutschen Botschaften oder Generalkonsulaten im Ausland gestellt werden. Diese und die in Deutschland zuständige Ausländerbehörde prüfen dann, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.

  • Wurde das Kontingent ausgeschöpft?

Ja. Im vergangenen Jahr seien weltweit rund 12.000 Visa über das Instrument des Familiennachzugs ausgestellt worden, heißt es im Gesetzentwurf, 2023 waren es demnach 11.630. Wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß, waren es im laufenden Jahr bisher rund 5760 – im vergangenen Jahr im gleichen Zeitraum 6148. Die meisten Antragsteller kamen 2024 und 2025 aus Syrien, Somalia, Jemen, Afghanistan und Eritrea.

  • Wie viele Menschen in Deutschland sind von der Aussetzung betroffen?

Zum Stichtag 31. März 2025 lebten insgesamt 388.074 Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum subsidiären Schutz in Deutschland, die meisten davon aus Syrien. Sie könnten grundsätzlich Familienangehörige nachholen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. „Wie viele dieser Personen bereits in der Kernfamilie in Deutschland leben und keinen Familiennachzug mehr geltend machen können, ist nicht bekannt“, steht im Gesetzentwurf. Demnach wird angenommen, dass sich pro Jahr 50.000 Menschen auf Wartelisten für den Familiennachzug registrieren.

Ausnahmen für Härtefälle soll es fortan weiterhin geben. Dobrindt nannte etwa Situationen, in denen Familienangehörige „dringende medizinische Versorgung brauchen, die ihnen in ihrem Heimatland nicht gewährt werden kann“. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert jedoch, dass es keine Übergangsregelung für Menschen gibt, „die bereits in einem laufenden Visumverfahren sind oder seit Monaten auf Terminwartelisten bei den Botschaften stehen. Für sie würde das Verfahren abgebrochen und für mindestens zwei Jahre auf Eis gelegt.“

  • Wie hoch sind die erwarteten finanziellen Einsparungen?

Mit der Aussetzung des Familiennachzugs fallen Kosten für Unterkunft, Versorgung oder auch Integrationskurse weg. Im Gesetzentwurf werden die Einsparungen für das laufende Jahr auf 3,2 Millionen Euro geschätzt, für 2026 dann mit 26,8 Millionen Euro und für 2027 mit 46,2 Millionen Euro angegeben. Einsparungen bei der Grundsicherung „in geringer Höhe“ wurden dabei noch nicht eingerechnet, sie können demnach nicht beziffert werden.

  • Könnte die Aussetzung weiter verlängert werden?

Ja. „Rechtzeitig vor dem Ablauf der Aussetzungsfrist soll geprüft werden, ob eine Verlängerung der Aussetzung notwendig und möglich ist“, heißt es im Gesetzentwurf. Kommt es nicht zu einer Verlängerung der Aussetzung, würde automatisch wieder die Regelung mit einem Kontingent von 1000 Zuzügen pro Monat in Kraft treten.