Fraktur: Lieber Sánchez als Reichinnek

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Auch Sie haben doch bestimmt den Aufgalopp zur sogenannten Hochzeit des Jahres verfolgt, soweit wir arme Schlucker deren Verlauf verfolgen konnten, denn als solche hatten wir ja keinen Zugang zu den streng abgeschirmten Festlichkeiten in Venedig für die oberen Zweihundert. Doch das kann ja auch ferne Zaungäste nicht daran hindern, sich mit dem Traumpaar über sein schon reiferes, aber immer noch märchenhaftes Glück zu freuen, das wenigstens kurz das ganze Elend vergessen lässt, das sonst diese Spalte und den Rest der Zeitung füllt.

Oder würden Sie allen Ernstes auch noch hier etwas über den schmollenden Stegner und die vor Wut kochende Reichinnek lesen wollen, die noch nicht verarbeitet haben, dass sie nicht in den Geheimdienst-Ausschuss dürfen, obwohl sie beide gerne in geheimer Mission unterwegs wären (To Russia with Love)? Nein, da ist man in Gedanken doch wirklich lieber bei den Glückspilzen dieser Erde, denen die Herzen und die Milliarden nur so zufliegen wie jetzt den Geissens unser Mitleid. Den Reichen geht es ja gerade wegen ihres Reichtums manchmal sogar so an den Kragen, dass das letzte Lifting wieder aufplatzt.

Lauren Sánchez hatte sich für Trump herausgeputzt

Nun aber kann der Jetset es sich in Venedig unbekümmert, weil bewacht wie ein G-7-Gipfel, drei Tage lang gut gehen lassen. Die Liste der Reichen und Geschönten ist spektakulär, hat aber einen Schönheitsfehler: Beim Namen Trump steht nur Ivanka, nicht Donald. Dabei hätten wir gewettet, dass der Präsident die Braut zum Altarersatz führt. Sánchez war schließlich auch zu seiner Vereidigung gekommen und hatte sich dafür auf unvergessliche Weise herausgeputzt. Zudem hat Bezos Trump die „Washington Post“ vom Hals geschafft, sodass der Präsident jetzt nur noch den Abschaum von der „New York Times“ und von CNN bombardieren muss.

Trump hätte also durchaus Grund gehabt, auf dem Rückflug vom NATO-Gipfel in Venedig vorbeizuschauen, wo er auch unauffällig hätte abchecken können, ob die Lagune nicht doch die bessere Wahl wäre als Grönland. Aber selbst ein extreme Lobhudelei gewohnter Narziss wie Trump muss sich wohl erst einmal von der Tonne Schleim erholen, mit der er in Den Haag übergossen wurde, und das ja nicht von irgendwelchen Kardashians, sondern von dreißig Staats- und Regierungschefs. Sogar im Schloss des holländischen Königspaares durfte Trump nächtigen, wobei uns der Gesichtsausdruck Máximas am Morgen danach sagte, dass er bei einer Wiederholung wohl nur noch mit dem königlichen Wohnwagen rechnen könnte.

Ruttes Ergebenheitsadresse an „Daddy“ Trump

Das maximalinvasive Einschleimen bei Trump hatte NATO-Generalsekretär Rutte schon vorab mit einer Ergebenheitsadresse an den tollen Hecht eröffnet, bei deren Lektüre man dachte, nicht einmal der „Daddy“ im Weißen Haus würde diese Bauchpinselei noch ernst nehmen können, die von der einfachen Sprache bis hin zur Typographie Trumps übliches Eigenlob nachäffte. Wir waren überrascht, dass Rutte Trump nicht auch noch zum ALLERGRÖSSTEN FELDHERRN ALLER ZEITEN ernannte, der selbstredend den FRIEDENSNOBELPREIS verdient habe.

Doch muss man zugeben, dass die Schleimoffensive erfolgreicher war als der amerikanische Angriff auf Iran. Trump verzichtete in Den Haag auf den Austritt aus der NATO. Er will sogar uns Deutsche bis auf Weiteres verteidigen. Zu dieser Entscheidung mag vielleicht auch ein Bericht aus der amerikanischen Botschaft in Berlin beigetragen haben, dass am höchsten Feiertag Deutschlands, dem Christopher Street Day, nicht mehr die Regenbogenfahne über dem Bundestag weht.

Dass die Abgeordneten der Grünen sich aus Protest dagegen in den Farben des Regenbogens kleideten, fiel bei dieser bunten Truppe nicht weiter auf, deshalb musste die Bundestagspräsidentin auch nicht einschreiten. Wir sind allerdings gespannt, was Klöckner macht, wenn die AfD-Fraktion, angeregt vom Beispiel der Grünen, auch eine Fahne nachstellt, allerdings nur mit roten, weißen und schwarzen Kleidungsstücken. Das hätte das Zeug zum Skandal des Jahres.