Streit vor Bundestagswahl: Ein Bündnis ohne Wagenknecht

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Im BSW knirscht es. In Hamburg, dem 16. und letzten Bundesland, in dem die junge Partei von Sahra Wagenknecht einen Landesverband gründen wollte, um rechtzeitig vor der Bundestags- und der Hamburger Bürgerschaftswahl Kandidaten auf einer Landesliste aufzustellen, sind zwei Mitglieder des BSW vorgeprescht. Norbert Weber und Dejan Lazić haben Medienberichten zufolge vergangenes Wochenende auf eigene Faust einen Hamburger Landesverband für ihre Partei gegründet – ohne dass der Bundesvorstand davon wusste. „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“ heißt er demnach, Wagenknechts Name taucht nicht mehr auf. Der Bundesvorstand erkennt den Verband nicht an. Er will an diesem Samstag selbst einen Landesverband in Hamburg gründen.

Ein Sprecher der Bundespartei bestätigte die Vorgänge am Donnerstag der F.A.Z. Man betrachte sie als nichtig und gehe so vor wie geplant. Der stellvertretende Parteivorsitzende, Amid Rabieh, äußerte, die rechtliche Lage sei „eindeutig“. Die Gründung des Landesverbands erfolge erst am Samstag, „unter Einbeziehung unserer Mitgliedschaft und in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht“. Es sei in Deutschland nicht möglich, „quasi auf Zuruf Gliederungen einer Partei zu gründen und dabei Satzung und geltendes Recht einfach zu ignorieren“, sagte Rabieh.

Ein verschobener Termin sorgt für Wirbel

Eigentlich sollte der Hamburger BSW-Verband am vergangenen Wochenende auf einem Parteitag gegründet werden. Die Vermieterin, die Alevitische Gemeinde Hamburg, kündigte jedoch den Mietvertrag für die Räume, in denen der Parteitag stattfinden sollte; der Termin wurde auf diesen Samstag verschoben, ein anderer Ort wurde gesucht. Im Hintergrund organisierten Weber und Lazić aber andere Räume und tagten am ursprünglich vereinbarten Termin. Durch einen Aushang an der Gemeinde machten sie auf den Ortswechsel aufmerksam. Lazić sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Vorgehen sei satzungsgemäß gewesen. Sieben Parteimitglieder hätten den Landesverband gegründet.

Eigener Landesverband: Norbert Weber und Dejan Lazić
Eigener Landesverband: Norbert Weber und Dejan Lazićdpa

Für das BSW könnte die Gründung von Weber und Lazić unangenehme Folgen haben. Denn ihr Landesverband hat ihren Angaben zufolge schon einen Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt und diesen an den Landeswahlleiter gemeldet. Auch das ohne Rücksprache mit der Bundesspitze.

Wer der Kandidat ist, wollen Weber und Lazić nicht sagen. Klar ist nur: Es ist nicht Żaklin Nastić, die als Linken-Abgeordnete für Hamburg in den Bundestag einzog und inzwischen im BSW ist. Sie hatte schon signalisiert, für das BSW in Hamburg antreten zu wollen. Nastić liegt in der Sache ganz auf Linie des Bundesvorstands. Sie sagt: „Es gibt keinen Landesverband Hamburg. Der wird am 21. Dezember gegründet mit einer Einladung an alle Mitglieder unter Einhaltung unserer Satzung.“ Die „angebliche Gründung“ von Weber und Lazić hält auch sie für nichtig.

Das BSW könnte wichtige Stimmen verlieren

Wenn nun aber am Samstag ein zweiter Landesverband gegründet wird, steht infrage, welche Listen mit Wahlvorschlägen gültig sind. Dem Landeswahlleiter könnten dann zwei Wahlvorschläge von verschiedenen Landesverbänden vorliegen. Er müsste mit dem Wahlausschuss entscheiden, welcher von beiden zugelassen wird. Es können auch beide Vorschläge zurückgewiesen werden, sodass das BSW in Hamburg nicht antreten könnte. Dann könnten Wagenknechts Partei Zehntausende Stimmen fehlen. Womöglich entscheidende Stimmen, um es über die Fünfprozenthürde im Bund zu schaffen.

Einen ähnlichen Streit wie beim BSW in Hamburg gab es bei der vergangenen Bürgerschaftswahl in Bremen bei der AfD. Die konnte sich im vergangenen Jahr vor der Bürgerschaftswahl nicht über die Auswahl der Kandidaten einigen und reichte zwei konkurrierende Listen ein. Sie wurde deswegen von der Wahl ausgeschlossen. Ein Gericht bestätigte jüngst, dass diese Entscheidung rechtens war.

Warum also riskieren die Hamburger BSW-Leute, dass ihnen etwas Ähnliches widerfahren könnte? Weber und Lazić äußerten Kritik am rigiden Prozedere zur Aufnahme von Parteimitgliedern des BSW. In Hamburg warteten Hunderte Unterstützer, die teilweise schon vor Monaten einen Aufnahmeantrag gestellt hätten. Doch die Bundesspitze nutze das Aufnahmeverfahren dafür, eigene Positionen in den Ländern durchzusetzen. Aus Parteikreisen ist zu hören, dass die beiden Abweichler Verwandte und Freunde in das BSW bringen wollten und diese bisher nicht aufgenommen wurden.