Neue SPD-Vorsitzende: Wofür steht Bärbel Bas?

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Bärbel Bas will keine Heilsbringerin sein. Das hat sie schon vor ihrer Wahl zur SPD-Vorsitzenden den eigenen Leuten versucht klarzumachen. Sie wird wissen, warum. Denn ihre Partei hat wieder Sehnsucht nach einer Person, die den sozialdemokratischen Knoten durchschlägt. Wie es oft ist, wenn es der SPD schlecht geht.

Bas dürfte aber auch in Erinnerung haben, wie es den Erlöserfiguren in der SPD am Ende erging: nicht gut. Das sehr gute Ergebnis von 95 Prozent, das Bas am Freitagabend von den Parteitagsdelegierten bekam, hat die Heilserwartungen nicht gerade geschmälert.

Die Erwartungen an die neue Vorsitzende sind groß. Als Arbeitsministerin vertritt sie die Kernthemen der SPD. Die Partei fordert von ihr stabile Renten, mehr Mindestlohn und noch einiges mehr. Und trotz ihres Regierungsamts soll sie der Sozialdemokratie wieder zu mehr Profil verhelfen. Als Bas sich als Kandidatin für den Parteivorsitz vorstellte, wählte sie vorsichtige Worte, wirkte zögernd. Vielleicht hatte das etwas mit dem Druck zu tun, den sie damals ahnte und jetzt vollends spüren dürfte.

Bas wuchs in Duisburg auf

Die großen Erwartungen an Bas speisen sich auch aus ihrer Biografie. Sozialdemokratischer als Bas kann man kaum sein. Sie stammt aus einer kinderreichen Familie, wuchs in Duisburg auf. Die Familie hatte wenig Geld. Armut und Verzicht gehörten zu ihrem Leben. So aufzuwachsen hat sie sich natürlich nicht ausgesucht, in der SPD gilt es nun als Ausweis für ein Gespür für die wahren Sorgen der Bürger.

Bas hat einen Hauptschulabschluss. Eigentlich wollte sie Technische Zeichnerin werden, aber sie bekam nur Absagen. Bas arbeitete als Bürogehilfin, wurde Betriebsrätin, mit 20 Jahren trat sie in die SPD ein. Sie machte eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten, setzte später noch ein Studium zur Ökonomin für Personalmanagement drauf. Schließlich wurde sie Personalchefin von 200 Mitarbeitern. Der Aufstieg kam, die Dauerkarte für den MSV Duisburg blieb. Und ein Harley-Davidson-Motorrad hat sie sich gegönnt.

In der SPD genießt Bas Anerkennung, aber sie war nie erste Wahl. Als Karl Lauterbach zu Beginn der Corona-Pandemie in jedem Scheinwerferlicht stand, blieb Bas, immerhin gesundheitspolitische Sprecherin, im Schatten. Bundestagsvizepräsidentin wurde sie dann, weil Rolf Mützenich verzichtete, die Staatsspitze wäre sonst zu männlich besetzt gewesen. In dem Amt verschaffte sich die Sozialdemokratin Respekt über die eigene Partei hinaus. Manchmal schaute sie etwas neidisch auf ihre Stellvertreter, denn die durften sich tagespolitisch äußern, sie konnte als Präsidentin nur repräsentieren. Jetzt spürt man ihre Lust am Gestalten – und Provozieren. Einer ihrer ersten Vorschläge als Arbeitsministerin war es, Beamte auch in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen zu lassen. Das regte die Union ein bisschen auf.

Bas wird nun in der SPD gefeiert, aber erste Wahl war sie auch beim Parteivorsitz nicht. Andere Kandidatinnen haben schlicht abgesagt, Anke Rehlinger und Manuela Schwesig. Vielleicht, weil sie wissen, wie übel mit Frauen in der SPD mitunter umgegangen wird? Oder weil sie ahnen, dass neben Lars Klingbeil, dem starken Ko-Vorsitzenden, die Gefahr besteht, klein zu wirken? Wird Bas einfach ihre eigene Größe zeigen – oder hat sie eine unzureichende Vorstellung von dem, was auf sie als Vorsitzende zukommt?

Zumindest ist sie anders als Klingbeil. Der glaubt, dass sich Erfolg in der Politik organisieren lässt. Bas ließ die Dinge bisher eher auf sich zukommen. Zumindest sprechen die beiden eine ähnliche, klare Sprache. Bas hat im Ruhrgebiet erlebt, wie die SPD einst allgegenwärtig war, Kümmerin in allen Lebenslagen. Und wie sie immer mehr verschwindet. Bas wird deswegen zugetraut, dass sie eine Arbeitsmarktpolitik machen kann, die nah an den Arbeitnehmern ist, und etwas weiter entfernt von den Bürgergeldbeziehern. Ihr ist weiterhin anzumerken, dass sie noch immer mit Berlin und den Debatten in der Hauptstadt fremdelt.

Vielleicht bekommt sie von Berlin aber gar nicht so viel mit, so voll wie ihr Arbeitsheft ist. Sie soll nicht nur das Bürgergeld ummodeln, sondern auch eine große Sozialstaatsreform auf den Weg bringen, außerdem die Arbeitszeitregeln lockern. Das sind alles CDU/CSU-Themen. Ihr Hebel ist dafür das Tariftreuegesetz. Bärbel Bas wird auf jeden Fall einen großen Anteil haben daran, wie die schwache SPD in der nächsten Zeit wahrgenommen wird.