So absurd tickt die SPD

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Lars Klingbeil ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Er soll die SPD wieder aufbauen, wird aber dafür abgestraft, wenn er es tut. Womit er das Ergebnis bei der Wahl zum Parteivorsitzenden – nicht ein Vertrauensbeweis, sondern ein Ausdruck von Misstrauen – verdient hat, man weiß es nicht.

Dafür, dass er die SPD in der Regierung hielt? Dafür, dass er dem Koalitionsvertrag eine sozialdemokratische Handschrift gab? Dafür, dass er die großen Irrtümer der Partei in der Russlandpolitik fast schon vergessen machte? Dafür, dass er die Führung von Partei und Fraktion neu und schlagfertig sortierte? Also dafür, dass er eigentlich alles richtig gemacht hat?

Ja, dafür. So absurd tickt die SPD. Nicht erst seit gestern. Vielleicht war es die für Sozialdemokraten enttäuschende Mindestlohn-Entscheidung vom Morgen, die zur Klingbeil-Demontage beitrug, vielleicht war es die Bulligkeit, mit der Klingbeil sich nach der Wahl in Stellung brachte. Aber was soll das?

Klingbeil war der Retter in der Not

Man kann sich lange darüber streiten, ob es von Klingbeil klug war, nach einer historischen Niederlage, die er maßgeblich zu verantworten hatte, sofort die Zügel an sich zu reißen und auf Machtfülle zu setzen. Aber wer sonst hätte es denn machen sollen? Esken? Walter-Borjans? Mützenich? Stegner? Die Partei wäre herabgesunken in einen esoterischen Friedens- und Sozialverein, zu dem die Genannten schon ganze Landesverbände verwandelt haben.

Zur Rettung der SPD gehört, dass Klingbeil nun Bärbel Bas zur Seite steht. Man muss nicht lange rätseln, warum sie ein weit besseres Ergebnis erzielte als ihr Nebenmann: als unbefleckte Sozialpolitikerin, die mehr noch als Klingbeil den Stallgeruch der Arbeiterpartei hat und bislang nirgends angeeckt ist. Bärbel Bas kann alle Hoffnungen bedienen, die derzeit in der SPD gehegt werden. Von Bas war in den vergangenen Wochen wenig zu hören. Ach ja, ist sie nicht Sozial-und Arbeitsministerin dieser Bundesregierung!? Sie, und nicht Carsten Linnemann. Ab heute wird sie liefern müssen.

Die SPD müsste sich von Illusionen verabschieden

Bloß was? Nicht nur Klingbeil ist nicht zu beneiden, auch Bas nicht. Denn was sie für die Partei liefern soll, die so tickt, wie es das Klingbeil-Bashing gezeigt hat, ist nicht das, was das Land braucht und auch nicht das, was die SPD wieder stark machen wird. Die SPD ist verantwortlich für illusionäre Versprechen (Mindestlohn), für illusionäre und weltfremde Sozialausgaben (Rente, Bürgergeld), für eine Subventions- und Verteilungspolitik auf Pump, die sie für soziale Marktwirtschaft hält. Mit alldem müsste die SPD ebenso brechen wie mit ihrer verfehlten Friedenspolitik der Vergangenheit.

Nur dann könnte sie als die kompetente Sozialpartei in Deutschland auftreten, die weiß, wie es geht, die weiß, was Zukunft hat, und die weiß, wie Wirtschaft funktioniert. Das hat sie nur einmal geschafft, unter Schröders Agenda 2010, und sie hat diese Chance angewidert weggeworfen wie ein dreckiges Taschentuch. Seither geht es bergab.

Keine Aussicht auf Sozialreformen à la Agenda 2010

Ob Bas und Klingbeil es noch einmal versuchen werden, ist unwahrscheinlich. Nur vom Bürgergeld werden sie sich sachte wieder trennen – nebenbei: eine Bestätigung dafür, dass der Kurs der SPD in den vergangenen zwanzig Jahren ein Irrweg war. Im Koalitionsvertrag steckt aber sonst nichts, was auch nur annährend an die Sozialreformen vor zwanzig Jahren heranreichen könnte. Obwohl das Land solche Reformen dringend bräuchte und obwohl es der Koalitionspartner im Wahlkampf versprochen hat.

Nicht nur Bas und Klingbeil droht deshalb eine unangenehme Zeit, auch Friedrich Merz muss sich fragen, was mit dieser SPD anzufangen ist. Er wünschte sich schon mehrmals eine wieder erstarkte SPD. Mit einem angeschlagenen Vizekanzler und einer Parteivorsitzenden als Sozialfee? Das verheißt auch für die Union nichts Gutes. Denn sie wird an der Seite einer Partei, die nicht weiß, was gut für sie ist, nicht das Richtige tun können, das sie für nötig hält.